Formel 1: Michael Schumacher:"Er hat sich sogar beim Team entschuldigt"

Großer Rückstand auf Sebastian Vettel, gleichauf mit Teamkollege Nico Rosberg: Das Mercedes-Team versucht, den Schwung von Michael Schumacher aus dem Kanada-Grand-Prix mit nach Valencia zu transportieren.

Elmar Brümmer

Die letzten Runden des Rennens, das jetzt ein wenig überschwänglich als Wiedergeburt eines Rekord-Weltmeisters gefeiert wird, waren in jenem Augenblick die eindrucksvollsten, in dem die Kamera auf Corinna Schumacher schwenkte. Die Ehefrau des Formel-1-Piloten formulierte leise ein "Nein!, Nein!" hinter geballten Fäusten, dann ein "Jetzt ist es passiert!" - und schließlich ein Schimpfwort.

Formel 1: Michael Schumacher: Gut gelaunt in Valencia: Michael Schumacher und seine Kollegen vom Mercedes-Team.

Gut gelaunt in Valencia: Michael Schumacher und seine Kollegen vom Mercedes-Team.

(Foto: AFP)

Unter den Extrembedingungen beim Großen Preis von Kanada vor zwei Wochen war Michael Schumacher bis direkt hinter Sebastian Vettel auf Platz zwei vorgefahren, war zeitweise der schnellste Mann im Feld und musste sich nach großem Kampf mit dem am Ende chancenlosen Silberpfeil mit Rang vier begnügen.

"Frustriert, sehr frustriert", sei Schumacher nach diesem Ergebnis zunächst gewesen, berichtet Mercedes-Teamchef Ross Brawn - war er doch so nah dran wie nie zuvor an der ersten Podiumsplatzierung im Rahmen seines nun bereits anderthalb Jahre währenden Comebacks. Der am Ende verbliebene Platz vier kann zwar nicht mehr als eine Fußnote in einer derart von Erfolg gekrönten Karriere sein, trotzdem ist es eine bemerkenswerte Platzierung.

Dem 42-Jährigen selbst wurde die Bedeutung des Geleisteten erst beim Marsch durch die Boxengasse bewusst, als ihm Glückwünsche aus allen Garagen zuflogen. Jeder Zuruf, jedes Nicken signalisierte: Er kann's also doch noch. Fast ein kollektives Aufatmen, was überraschend wirkt in dieser Neid-Formel.

Die an diesem Sonntag folgende Mittelmeer-Rundfahrt in Valencia muss zeigen, ob der Auftritt unter den Extrem-Bedingungen im Regen von Montreal nur ein One-Hit-Wonder war, oder ob wirklich langsam der alte Schumacher zurückkehrt. Denn hohe Temperaturen, wie sie jetzt in Valencia erwartet werden, haben den Reifen am Mercedesselten gut getan, der hohe Verschleiß ist das Problem beim Silberpfeil - und dies hemmt Schumacher in seiner zweiten Karriere.

Ermutigendes Kanada-Wochenende

"Ermutigend" nennt aber inzwischen auch er das Kanada-Wochenende. Montreal zeigte zumindest, dass er sich noch immer auf seinen Instinkt verlassen kann. Dieses Signal kommt gerade zur rechten Zeit, kurz vor dem anstehenden Doppel-Heimspiel für Mercedes GP in England und Deutschland. Zudem ist in Kürze die strategische Entscheidung fällig, wie die Kräfte gebündelt werden sollen: Dieses Rennjahr abhaken und sich schon auf die - nach aktuellem Vertragsstand - letzte Chance Schumachers im Rennjahr 2012 konzentrieren?

Vom Titel redet ohnehin niemand, Schumacher und Junior-Partner Nico Rosberg haben je 26 Punkte auf dem Konto, das sind 135 Zähler Rückstand auf Vettel. Interessant an diesem Remis im Generationen-Duell wird sein, wie der junge Held auf den alten Meister reagiert, und wie tragfähig die Harmonie im Team tatsächlich ist.

Wichtiger als die Rechenspiele ist aber auch für Mercedes-Sportchef Norbert Haug der Motivationseffekt von Montreal: "Michael ist einfach große Klasse, er hat sich sogar beim Team entschuldigt, dass er kein Podium geholt hat - dabei fuhr er von Platz zwölf auf Platz vier vor. Wir alle wissen, dass viele Kritiker ihn vor dieser Galavorstellung schon abgeschrieben hatten. Das ist zu akzeptieren. Doch seine couragierte und kompetente Fahrt zeigt, dass so etwas weder Michael noch unser Team beeinflusst." Schumacher selbst spricht allerdings immer noch von einer Saison, die schlechter läuft als es nach den Testfahrten zu erwarten war.

Auch der nüchterne Taktiker Ross Brawn bricht jetzt nicht in Euphorie aus, schließlich habe er stets daran geglaubt, dass Schumacher weiter erfolgreich sein werde, aber: "Durchbruch, das ist mir jetzt ein zu starkes Wort." Der Brite Brawn gilt als der Architekt aller sieben WM-Titel, die Schumacher in der Formel1 gewann.

Er sagt: "Michael ist ein sehr erfahrener, selbstbewusster Kerl. Daher denke ich nicht, dass das jüngste Ergebnis einen dramatischen Unterschied ausmachen wird, was den Glauben an seine Fähigkeiten angeht."

Schumacher habe typische Alptraum-Rennen gehabt, wie sie jeder Pilot erfahre, allerdings verkündet Brawn sogar: "Michael ist heute zum Teil besser als früher. Denn wenn man sich im Feld durchkämpfen muss, hat man mehr Gelegenheiten, seine Fähigkeiten zu zeigen." Oder im Feld zu verzweifeln.

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