Formel 1:Meer geht eigentlich nicht

2017 British Grand Prix - Paddock Day - Silverstone Circuit

Lewis Hamilton, wieder im grauen London angekommen.

(Foto: dpa)
  • Lewis Hamilton sagte eine Show in London ab, um Party am Strand zu machen: "Ich habe mich in den vergangenen Tagen ein bisschen entspannt."
  • Vor dem Rennen am Sonntag steht das Technik-Team von Mercedes in der Kritik - das Auto hat den Briten im Titel-Kampf zu oft im Stich gelassen.
  • Neben Sebastian Vettel hat sich zudem ein weiterer Konkurrent etabliert: Kollege Valtteri Bottas.

Von Philipp Schneider

Im Bildhintergrund stehen zwei Männer auf einem Tisch. Sie kreisen locker mit den Hüften, tragen untenrum Boxershorts und obenrum T-Shirts, dazu Sonnenbrillen. Musik wummert, der Sänger singt davon, dass man doch die Hände in die Luft strecken solle. Also strecken die Männer die Hände in die Luft. "Das ist Urlaub", schreibt der Kameramann, der das wackelige Handyvideo ins Netz gestellt hat. Eher eine Party, denkt man. Ganz normale Party. Okay, eine Party mit Männern auf Tischen, die auf dem Kopf noch etwas anderes . . . sieht aus wie ... Taucherbrillen? Ja, Taucherbrillen. Mit Schnorcheln an der Seite. Gut, ist wohl eine außergewöhnliche Party, die der Kameramann da mit der Weltgemeinschaft teilen möchte. Aber der Kameramann ist schließlich auch nicht irgendein Kameramann: Lewis Hamilton ist dreimaliger Formel-1-Weltmeister. Und wenn Hamilton Urlaub in Griechenland macht, dann gibt es schon mal eine Party mit Schnorchelmännern und dem kanadischen Model Winnie Harlow, 22. Hamilton würde sicher fragen: Why not?

Andererseits: Es gab jetzt doch ein bisschen Aufregung um das Video. Nicht so sehr, weil Hamilton, 32, auf Mykonos Filme dreht. Sondern, weil er gefeiert hat und kurz darauf einer anderen Party ferngeblieben ist. Als die Formel 1 am Mittwoch in der Londoner Innenstadt ein paar Runden gedreht hat, um Werbung zu machen für die Rennserie, da waren alle Piloten dabei, sogar ehemalige wie Nico Rosberg. Nur halt Hamilton nicht. Der Mercedes-Pilot fehlte ausgerechnet vor seinem Heimrennen in Silverstone an diesem Wochenende. "Lewis meinte, dass er in so einem harten Titelkampf um die WM ist, dass er einen freien Tag brauche", sagte Mercedes-Teamchef Toto Wolff. Das half aber nichts. Die Zuschauer am Trafalgar Square buhten und pfiffen, wann immer der Name Hamilton erwähnt wurde.

"Ich habe mich in den vergangenen Tagen ein bisschen entspannt", hat Hamilton später als Entschuldigung gesagt. Er habe sich einen Kurzurlaub mit Freunden gegönnt, um daraus Kraft zu gewinnen für den harten Titelkampf mit Sebastian Vettel im Ferrari. Im Übrigen habe er den Organisatoren in der vergangenen Woche bereits mitgeteilt, dass er nicht zu der Rundfahrt um das berühmte Monument von Admiral Horatio Nelson erscheinen werde. Und er habe sogar sein Handy die meiste Zeit ausgeschaltet gehabt (wohl nur nicht in jenem Moment, als er das Schnorchelmannfilmchen drehen musste). "Ich habe versucht, mich so gut wie möglich vorzubereiten." Teilweise auf Mykonos halt.

Nun ist diese Debatte um Hamiltons Fehlen bei einer PR-Veranstaltung einerseits fürchterlich ärgerlich. Von den Chefs von Liberty Media, die seit diesem Jahr die Formel 1 betreiben, war zwar öffentlich keine Kritik an Hamilton zu vernehmen. Aber gefallen haben wird es dem Unterhaltungsexperten Chase Carey sicher nicht, dass sich der schillerndste Star der Serie ausgerechnet nicht den Fans in seinem Heimatland präsentieren mochte. Andererseits bot die Debatte dem britischen Boulevard reichlich Nährstoff für Spekulationen. Als Hamilton eine Geschichte der Daily Mail kommentieren sollte, wonach sein Fehlen bei der Autoparade eine Trotzreaktion darauf sei, dass Teamchef Wolff bei der Party anlässlich von Vettels 30. Geburtstag in der Schweiz aufgetaucht sei, sagte Hamilton: "Das ist die dümmste Frage, die ich je gehört habe." In der Tat wirkt es eher so, als setze Mercedes alles daran, Hamilton bei guter Laune zu halten.

In den vergangenen zwei Rennen hatten ihn ja die Techniker und das Material durchaus im Stich gelassen. In Baku hatte sich seine Cockpitumrandung gelöst, woraufhin Hamilton für die notwendige Reparatur länger an der Box parken musste als Rivale Vettel zur Strafe wegen seines Wutremplers. Und in Österreich vor einer Woche musste an Hamiltons Dienstwagen das Getriebe getauscht werden, was ihm eine Strafversetzung um fünf Plätze einbrachte. Die marode Technik kostete Hamilton wohl zwei Siege. Und so ist Vettels Vorsprung in der WM-Wertung inzwischen auf 20 Punkte angewachsen. Und - möglicherweise ist das aus Hamiltons Sicht noch sehr viel ärgerlicher - nun rückt ihm Teamkollege Valtteri Bottas auf Platz drei auf die Pelle, bis auf 15 Zähler.

Teamkollege Valtteri Bottas auf Platz drei rückt ihm auf die Pelle - bis auf 15 Zähler

Schon im vergangenen Jahr, das glaubt nicht nur Hamilton, hat der Brite die Weltmeisterschaft an seinen damaligen Teamkollegen Rosberg verloren, weil der eben nicht so viel Pech gehabt hatte mit defekten Teilen. In Spielberg gewann Rosbergs Nachfolger Bottas bereits sein zweites Rennen, woraufhin der beispielsweise als Stadionsprecher gänzlich ungeeignete Finne erstmals zarte, wenngleich gut vernehmbare Ansprüche stellte. "Ich will das nicht rausbrüllen", flüsterte Bottas in Spielberg, als er gefragt wurde, ob nun eventuell der Titelgewinn sein Ziel sei. "Aber wenn du bei Mercedes bist, was sonst sollte dein Ziel sein?", fragte Bottas. Natürlich sei die Weltmeisterschaft das Ziel! "Seit dem Tag, an dem ich hier unterschrieben habe!"

Hamilton vernahm die Ansage. Und war womöglich schlagartig urlaubsreif.

Da konnte er noch nicht ahnen, dass am Sonntag darauf Bottas um fünf Plätze nach hinten strafversetzt werden würde. Auch das Getriebe an dessen Fahrzeug war defekt und musste getauscht werden. Gut für Hamilton? Am Samstag jedenfalls, beim Warmrollen fürs Qualifying, war er schon wieder schneller als alle Kollegen.

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