Formel 1:Kuss für die Leitplanken

Das neue Qualifikationsformat der Formel 1 macht den Grand Prix in Monaco noch gefährlicher.

René Hofmann

In Monaco hat die Formel 1 einen anderen Rhythmus.

Nico Rosberg

Nico Rosberg in seinem Williams: mitten durch die Stadt.

(Foto: Foto: dpa)

Das Training beginnt einen Tag früher, am Donnerstag.

Am Freitag stehen die Boliden still. An diesem Samstag aber erwartet die Zuschauer "ein Thriller, wie wir ihn noch nie gesehen haben", prophezeit Norbert Haug, der als Mercedes-Sportchef schon viele Rennen gesehen hat.

Das neue Qualifikationsformat zwingt ab 14 Uhr alle 22 Fahrer gleichzeitig zu dem Versuch, eine möglichst schnelle Runde zu drehen. "Das wird besonders", sagt Nick Heidfeld. "Das wird schwierig", sagt Ralf Schumacher. "Das wird ein großer Kampf", sagt Jarno Trulli. "Das wird die Hölle", sagt Jacques Villeneuve.

Die Schleife am Kirchlein Saint Dévote und am Casino vorbei, durch den Tunnel, entlang des Schwimmbads und rund um das Café Rascasse misst 3340 Meter. Fahren alle Piloten gleichzeitig, hat jeder theoretisch 151 Meter Asphalt für sich. Weil die Teams aber unterschiedliche Strategien anwenden, wird manch einer langsam unterwegs sein und manch einer zur gleichen Zeit sehr schnell. Die Strecke ist eng.

"Eine der größten Herausforderungen des Jahres"

Zwischen all den Leitplanken gibt es wenig Raum, jemanden vorbei zu lassen. "Die Verkehrssituation wird kompliziert", sagt Michael Schumacher. "Da wird es viele Diskussionen geben", sagt Fernando Alonso. "Höchstens fünf Prozent werden sich nicht aufregen", sagt Rubens Barrichello. "Das wird eine Lotterie", sagt Ross Brawn.

Normalerweise hat Brawn, der Chefstratege am Ferrari-Kommandostand, einen Computer vor sich, der anhand der Zwischenzeiten aller Autos den günstigsten Zeitpunkt ausrechnet, um die Fahrer auf eine schnelle Runde zu schicken. In Monaco aber werden alle Teams ihre Taktik umstellen, die Zahl der Unbekannten steigt, kein Computer kommt mehr mit dem Rechnen nach. "Das wird chaotisch", sagt Jarno Trulli. "Eine der größten Herausforderungen des Jahres", sagt Rubens Barrichello.

"Manchmal wirst du andere Fahrer gegen dich aufbringen müssen", sagt Mark Webber. Weil der Funk zwischen den hohen Häusern unzuverlässig funktioniert, können die Boxenmannschaften ihre Piloten nicht immer warnen, wenn von hinten ein Schnellerer kommt. "Ich hoffe, dass keiner Spielchen spielt. Wenn es einen Unfall gibt, dann wird der verheerend sein", sagt Jacques Villeneuve.

20.000 qm Maschendrahtzaun sollen die Autos fern halten

"Wenn jemand aus den Boxen fährt und bloß so übers Leben nachdenkt, wird es gefährlich", sagt Rubens Barrichello. Der Brasilianer fordert deshalb: "Wir sollten hier ein anderes Qualifikationssystem haben." Die Sicherheit - in Monaco ist das immer ein Thema. Seit 1929 wird die Wettfahrt ausgetragen. Seitdem gab es einen Toten. 1967 fing der Wagen von Lorenzo Bandini Feuer, der Italiener starb drei Tage später im Krankenhaus.

"Monaco ist ein verrückter Ort - so eng, so winkelig", sagt Jenson Button. "Andere Strecken sind so weitläufig wie der Flughafen Heathrow. Hier hält man das Lenkrad ein bisschen fester", sagt Mark Webber. "In Monaco ist man so nah an der Strecke, dass man spürt, wie schnell ein Formel-1-Auto wirklich ist", sagt Toyota-Technikchef Pascal Vasselon. 20000 Quadratmeter Maschendrahtzaun sollen die Autos von den Zuschauern fern halten.

33 Kilometer Leitplanken sind aufgestellt. An sechs Stellen kommen die Wagen ihnen sehr nahe. "Manchmal kann man die Mauern küssen", sagt Michael Schumacher: "Das ist sehr aufregend, aber man muss dabei sehr vorsichtig sein." Gelegentlich schlagen die auch zurück. "Manchmal kann man die Leitplanken küssen", sagt Jacques Villeneuve, "aber wenn man das nächste Mal zwei Millimeter weiter geht, kann das schon zu weit sein." "Ich bin in Monaco schon in Trance geraten", sagt David Coulthard, "man ist sich nicht mehr sicher, ob man um die Leitplanken herum fährt oder durch sie hindurch."

"Man müsste die Stadt umbauen"

Ralf Schumacher sagt: "In meiner Brust schlagen zwei Herzen. Ich mag den Kurs, aber eigentlich sollte man hier keine Rennen mehr fahren." "Mit Abstand die gefährlichste Strecke", sagt sein Bruder Michael. "Nicht mehr zeitgemäß - wie in den vergangenen zehn Jahren auch schon", sagt Nick Heidfeld. "Natürlich könnte man die Sicherheit verbessern", sagt BMW-Sportchef Mario Theissen, "aber dann müsste man die Stadt umbauen." Pläne dafür sind nicht bekannt.

Williams-Testfahrer Alexander Wurz, der lange schon im Fürstentum wohnt, versichert aber: "Die mit Abstand gefährlichsten Stellen von Monaco sind nicht auf der Strecke, sondern daneben." Was er damit genau meint? Wurz: "Als verheirateter Mann will ich da nicht mehr in die Details gehen."

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