Formel 1:"Keine Saison für Dummschwätzer!"

Lesezeit: 2 min

Majestätsbeleidigungen, Überholmanöver, spannendes Qualifying: Es könnte die interessanteste WM-Saison seit Jahren werden. Sechs oder sieben Fahrer haben Chancen auf den Titel. Nur einer mal wieder nicht: Ralf Schumacher.

Was war das für ein Rennen gestern in Kuala Lumpur! Klar, es gewann zum zweiten Mal ein Renault-Pilot und demonstrierte die Dominanz des französischen Rennstalls. Aber abseits des Erfolgs von Giancarlo Fisichella gab es Dinge, die man seit Jahren nicht mehr in der Formel 1 gesehen hat.

Wieder keine Chance auf den Titel: Ralf Schumacher. (Foto: Foto: AP)

Zum Beispiel die größte Majestätsbeleidigung, seit es Motorsport gibt: Da fährt ein Felipe Massa mit Messer zwischen den Zähnen vor dem gottgleichen Michael Schumacher weg. Und verteidigt seinen Platz, als ginge es um sein Leben. Und was passiert? Schumacher kommt tatsächlich nicht vorbei am neuen Teamkollegen. Und beschwert sich hinterher nicht einmal! Was ist denn da los?

Ähnlich erging es auch Weltmeister Fernando Alonso: Rotzfrech fuhr da Adjutant Fisichella vorneweg, ohne auch nur einmal in den Rückspiegel zu sehen. Stallorder zu Gunsten des Spaniers? Vergiss es! Die Hierarchien wurden durcheinander gewürfelt in Kuala Lumpur. Auch Juan Pablo Montoya lag bereits im Qualifying vor Kimi Räikkönen und hätte diesen Platz wohl auch ohne den Ausfall des Finnen freiwillig nicht mehr hergegeben.

In den Topteams wurde nicht überholt, dafür überall sonst. Da kämpfte sich Felipe Massa von Platz 21 auf den fünften Rang, Kollege Michael Schumacher rückte acht Plätze nach vorne, Bruder Ralf gar 14. Was in den vergangenen Jahren oft nur in der Boxengasse ausgetragen wurde, findet nun auf der Strecke statt. Selten zuvor wurde auf der Piste so hart gefightet, überholt und Kampflinie gefahren wie in den ersten beiden Rennen.

Schuld daran ist auch der neue Qualifying-Modus: Natürlich wurde durch die neuen Regeln vieles komplizierter. Von welchem Platz startet Schumacher denn nun? Zuschauer und auch Verantwortliche waren verwirrt wegen der vielen Motorenwechsel. Sportlich war Schumacher Vierter, wegen des Austauschens des Aggregats auf den 14. Platz verbannt worden. Weil andere ebenfalls tauschten, war Schumi plötzlich Elfter, wurde dann aber wurde um drei Plätze zurückgestuft. Alles klar?

Auf jeden Fall ermöglichte das muntere Startaufstellungsraten letztendlich einen spannenden Grand Prix. Und das wollen die Zuschauer sehen: Spannung, Dramatik, Action. Da darf es ruhig ein wenig verwirrend sein.

Es könnte tatsächlich die spannendste und interessanteste Formel 1-Saison seit Jahren werden. Vier Teams scheinen im Moment auf Augenhöhe zu liegen: Honda, Ferrari, McLaren-Mercedes und Renault, wobei die Franzosen noch einen minimalen Vorsprung zu haben scheinen.

Und da die Teamorder scheinbar außer Kraft gesetzt wurde, haben sechs oder sieben Fahrer ernsthafte Chancen auf den WM-Titel. Vorne liegt im Moment Alonso (18 Punkte), doch dahinter lauern in Schlagdistanz Schumacher (11), Button (11), Fisichella (10), Montoya (9) und Räikkönen (6). Sie alle machen sich Hoffnungen, und das zurecht.

Dazu kommen zahlreiche Überraschungen: Da legt Nico Rosberg in seinem ersten Rennen gleich die schnellste Runde hin, Altmeister Villeneuve fährt im neuen BMW-Team die ersten Punkte ein. Auch Christian Klien vom Team Red Bull konnte überzeugen.

"Das wird keine Saison für Dummschwätzer", schrieb die brasilianische Zeitung Lance bereits nach dem ersten Grand Prix. Wobei man da unweigerlich an Ralf Schumacher und das Team Toyota denken muss. Er meinte vor der Saison, dass sein Bruder Michael überhaupt keine Chance auf den Titel habe, er selbst wollte zumindest um Siege mitfahren.

Doch davon sind Budgetprimus Toyota - der Etat beträgt immerhin 400 Millionen Dollar pro Jahr - und die Fahrer weit entfernt. Michael dagegen kann sehr wohl vorne mithalten. Erfolg ist nicht immer käuflich oder planbar, schon gar nicht in dieser WM-Saison. Sie ist einfach unberechenbar - und nichts für Dummschwätzer.

© sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: