Formel 1:Jäger mit vollem Köcher

Mit teuren Tests und langfristiger Planung versucht Ferrari, seinen Rückstand wettzumachen.

Von René Hofmann

Pokern mit diesem Mann muss frustrierend sein. Mit einem Lächeln betritt Michael Schumacher die Bühne. Das Kinn auf die rechte Hand gestützt, den Zeigefinger hinters Ohr geschoben, wartet er mit ruhigem Blick auf die erste Frage. Wie er dem Wochenende entgegenblickt?

Ferrari

Bei der Aufholjagd: Michael Schumacher.

(Foto: Foto: Reuters)

"Ziemlich zuversichtlich", sagt Schumacher. "Bahrain hat gezeigt: Wir sind zurück. Wir können uns mit diesen Kerlen anlegen." Einer dieser Kerle sitzt in dem Moment schräg hinter Schumacher: Giancarlo Fisichella. Beim Saisonauftakt in Australien hat der Italiener einen Sieg für Renault eingefahren, das Gleiche glückte seinem spanischen Teamkollegen Fernando Alonso anschließend in Malaysia und Bahrain.

Schumacher hingegen glückte wenig. Platz sieben in Sepang bescherte ihm seine einzigen zwei WM-Punkte. Er sagt: "In gewisser Weise beginnt meine Saison hier."

Am Sonntag steht der Große Preis von San Marino an. In Imola. Die Ferrari-Fabrik steht bloß 80 Kilometer entfernt in Maranello. Zuletzt sind die Heim- stets Festspiele gewesen. Fünfmal hat Michael Schumacher in den vergangenen sechs Jahren in der Emilia Romagna gewonnen.

Dieses Mal jedoch wird es schwer. Den blassblauen Renaults kam zuletzt keiner nahe. Zeichen für einen Machtwechsel gibt es einige. 24 Punkte Rückstand hat Schumacher in der WM-Wertung auf Fernando Alonso. So viel hat noch nie ein Pilot auf dem Weg zum Titel wettgemacht. Selbst Lego hat schon blaue Rennfahrer als Schlüsselanhänger ins Sortiment genommen.

7500 Kilometer in elf Tagen

Um das Blatt zu wenden, schickte die Scuderia vor drei Wochen in Bahrain ihr neues Auto ins Rennen. Sie scheiterte kläglich. Schumacher fiel mit einem Hydraulikproblem aus. Barrichello bremste erst ein Getriebedefekt, dann bauten seine Reifen so erbärmlich ab, dass er am Ende als Neunter ohne WM-Punkt blieb.

An diesem Sonntag muss es endlich besser laufen, sonst wächst sich die Krise zum Desaster aus - ausgerechnet auf der Rennstrecke, die gleich zwei enge Verwandte im Namen führt: Autodromo Enzo e Dino Ferrari. Vor zwei Jahren glückte Michael Schumacher an gleicher Stelle nach drei mäßigen Auftritten der Befreiungsschlag, obwohl er die Nacht zuvor bei seiner sterbenden Mutter verbracht hatte. Im Vergleich dazu wirkt die Situation jetzt läppisch.

Für die Rückkehr an die Spitze hat Ferrari einiges getan. In den vergangenen drei Wochen hat das Team an elf Tagen auf vier Strecken vier Fahrer mehr als 7500 Testkilometer absolvieren lassen. Alleine Schumacher brachte 2200 hinter sich. Auch in dieser Woche war eine Abordnung zum Üben in Monza unterwegs, was als verpönt gilt.

Die anderen Teams meinen: Tests in der Woche vor einem Rennen treiben die Kosten unnötig in die Höhe. Ferrari sagt: Jeder kann sein Geld ausgeben, wie er will. Das Engagement zeigt, wie entschlossen die Mannschaft die Aufholjagd angeht und wie langfristig sie angelegt ist. In Monza wurden Reifen für die schnellen Strecken getestet, die erst später in der Saison anstehen.

Die Pneus hatten sich zuletzt als Schwachpunkt am roten Flitzer entpuppt. Mit der Strategie, Bridgestone immer enger an sich zu binden, hat sich Ferrari isoliert. Alle anderen großen Teams sind zu Michelin übergelaufen. Die französische Firma bekommt so zigmal mehr Daten, und über die Reifen lassen sich am schnellsten Sekunden gewinnen.

In Malaysia und Bahrain lag Bridgestone völlig daneben. Offiziell steht Ferrari weiter eisern zum Lieferanten, doch erste Risse in der Beziehung lassen sich ausmachen. Die Bulletins des Rennstalls begannen zuletzt auffällig oft mit der Wendung, es warte noch viel Arbeit - unter anderem auf die Partner.

Der Ersatzwagen ist fertig

Auch an deren öffentlichen Auftritten lässt sich einiges ablesen. Im vergangenen Jahr durften sich der Dämpfer- und der Schmierstofflieferant ob ihres Beitrages zum Erfolg rühmen; an diesem Mittwoch wurden die Mikroskope vorgeführt, mit denen sich Risse im Motor aufspüren lassen.

Der Nimbus der Makellosigkeit hat zuletzt doch arg gelitten, weshalb es schon als Erfolg gilt, dass der F2005 die letzten 4.164.107 Meter im Test problemlos durchhielt. Ein erstes Facelifting hat er auch schon verpasst bekommen. Der Ersatzwagen ist fertig. Zum ersten Mal gehen Michael Schumacher und Rubens Barrichello als Jäger mit vollem Köcher auf die Pirsch.

Die Rolle der Gejagten haben Fernando Alonso und Giancarlo Fisichella übernommen. Ihr Auto hat einen starken Motor und eine ausgeklügelte Aerodynamik. Renault hat die neuen Regeln am geschicktesten umgesetzt. In Bahrain blieb Alonso als einziger auf der schmalen Ideallinie durch den Wüstensand ohne Dreher. In so einer Form kann er sich lediglich selbst schlagen. "Wir streben natürlich auch hier wieder einen Sieg an", sagt Fisichella auf dem Podium, wobei er entschlossen an Schumachers Hinterkopf vorbeischaut.

Am Abend zuvor haben die beiden in San Marino ein Fußballmatch bestritten. Der Gegner war eine Gruppe zusammengecasteter Schönlinge. Wie Deutschland einst den Superstar suchte, hat Italien per TV-Voting eine Superelf kreiert. Diego Maradona junior hat es auch in die Auswahl geschafft. Das Fernsehen übertrug live. Michael Schumacher, Giancarlo Fisichella, Fernando Alonso - allen glückten Treffer. Sie spielten miteinander. Eine ordentliche Rivalität gibt die Konstellation nicht her.

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