Formel 1 in Spanien:Verstappen jüngster F1-Sieger: "Ja, das ist ein Märchen"

Spanish F1 Grand Prix

Jüngster Sieger in der Geschichte der Formel 1: der 18-jährige Max Verstappen.

(Foto: Getty Images)
  • Als jüngster Fahrer der Geschichte gewinnt der 18-jährige Max Verstappen in der Formel 1.
  • Erst kurz vor dem Rennen in Spanien kam er in Red Bulls A-Team.
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Von Elmar Brümmer, Barcelona

Jedes Mal, wenn Max Verstappen den Fahrerlagertempel von Red Bull Racing betritt, dann läuft er an einem Stapel mit Magazinen des Hauses vorbei. Eines der Bulletins liegt verkehrt herum da. Die Anzeige auf der Rückseite zeigt den Rennfahrer Daniil Kwjat, dazu den Werbeslogan "Don't crack under pressure" - zerbrich' nicht unter Druck.

In der Realität war der Druck zu groß für Kwjat - aber nicht für Verstappen. Die beiden haben auf Befehl von ganz oben aus der Dosen-Dynastie vor dem Europastart der Formel 1 in Barcelona die Arbeitsplätze tauschen müssen. Das erste Ergebnis der Rochade: Verstappen wird im Großen Preis von Spanien der jüngste Sieger der Formel-1-Geschichte, im Alter von 18 Jahren, sieben Monaten und 15 Tagen; Kwjat belegt den zehnten Platz im Rennen. Der Poker ist aufgegangen, der eigens eingeflogene Konzernchef Dietrich Mateschitz klatschte begeistert alle Teammitglieder ab.

Der Holländer Verstappen war vom ebenfalls konzerneigenen Talentschuppen Toro Rosso ins A-Team von Red Bull befördert worden, der Russe Kwjat zurückversetzt zum Nachwuchsrennstall. Dass diese Rochade etwas mit Kwjats beiden Auffahrunfällen ins Heck von Sebastian Vettel zu tun hat, war eine zu schöne Mär. Tatsächlich passte der Vorwand Red-Bull-Teamchef Christian Horner wunderbar ins Konzept: So konnte er noch vor dem Großen Preis von Spanien, dem fünften WM-Lauf, etwas für die Zukunft tun. Für die Verstappens, aber auch für die seines Rennstalls.

Die Rochade passt den Red-Bull-Machern wunderbar ins Konzept

Der 18-Jährige Verstappen, sagt Horner, habe gleich beim ersten Auftritt im RB 12 für ein Déjà-Vu gesorgt, obwohl Sitzposition, Handling und Funktionsweisen des Lenkrads komplett unterschiedlich sind: "Es ist beeindruckend, wie cool und ruhig er im Auto ist, mit einer sehr klaren Haltung. Das erinnert mich stark an Sebastian Vettel."

Der Heppenheimer hatte ebenfalls anderthalb Lehrjahre bei Toro Rosso absolviert, ehe er 2009 zu Red Bull kam - und im Jahr drauf war er schon Weltmeister. Vermessen, das auch vom jüngsten Grand-Prix-Piloten der Geschichte zu erwarten? Vermutlich ja - und nein. Denn Verstappen, respektive sein noch ehrgeizigerer Vater, hoffen auf einen ähnlichen Parforceritt.

So wie über die 66 Runden auf dem Circuit de Catalunya, von denen Verstappen 32 mit dem gleichen Satz Reifen durchstehen und sich bis zum Schluss den Attacken von Kimi Räikkönen erwehren musste. Danach zog Ex-Weltmeister Niki Lauda die Kappe: "Ein solches Talent wird es so schnell nicht mehr geben. Ich habe es noch nie erlebt, dass jemand mit so einem Drang nach vorn von einem Auto ins andere springt und dann alle in Schach hält."

Vater und Manager Jos Verstappen stammelte: "Ich habe keine Worte dafür. Es ist Wahnsinn, wie er gefahren ist." Der vorzeitig ausgeschiedene Spanier Fernando Alonso kehrte gar extra in den parc fermé zurück, um dem Sieger zu gratulieren - eine große Geste und die Ahnung, vielleicht tatsächlich einen künftigen Champion erlebt zu haben. Der kämpfte auf dem Podium mit den Tränen und wiederholte immer nur: "Ich kann es kaum glauben." Teamchef Horner bestätigte: "Ja, das ist ein Märchen."

Das ist also die Perspektive. Angeblich ist die schnelle Beförderung mit einem Vertrag bis 2019 verbunden. Papa Jos, selbst ein eher durchschnittlicher Formel-1-Fahrer gewesen, hat mit den Fähigkeiten seines Sohnes nicht bloß kokettiert, sondern auch in sie investiert und gepokert. Die Interessenten an den Diensten des großen Talents kamen aus Stuttgart und Maranello.

"Max ist eine der heißesten Aktien im Feld"

Dass die Zukunft so früh gesichert werden konnte, zeigt die Cleverness der Niederländer. Horner jubiliert ("Max ist eine der heißesten Aktien im Feld"), und Ferrari denkt mangels Alternative schon wieder darüber nach, den Vertrag von Kimi Räikkönen, 36, zu verlängern. Damit hätte der Jüngste die Geschicke des Ältesten der Königsklasse bestimmt. Noch Fragen zum Stellenwert Verstappens?

Christian Horner wertet die Möglichkeit des Tauschgeschäfts als Vorteil des Red-Bull-Konzepts: "Die Entscheidung war schwer, und mancher wird sie als hart oder unfair bezeichnen. Aber Red Bull ist in der einzigartigen Situation, vier Cockpits für vier Fahrer zu besitzen, die wir untereinander austauschen können." Er spricht von "Champion material" - wobei das Material in diesem Fall Menschen sind.

Angeblich habe man im vorliegenden Fall rein wissenschaftlich entschieden: "Wir haben von unseren Fahrern alle Daten und Erfahrungswerte, die man sich vorstellen kann, kennen ihre Stärken und Schwächen. Bei Daniil haben wir zuletzt einen Trend festgestellt." Da nutzte dem 22-Jährigen auch der dritte Platz beim vorletzten Rennen nichts. Dennoch behauptet Horner: "Für Max kam die Nachricht noch überraschender als für Daniil."

Im Top-Auto muss Verstappen zeigen, wie schnell er wirklich ist

Dieser wiederum erzählte auf dem Interview-Podium in Barcelona, neben seinem Nachfolger Verstappen platziert, seine Variante der Geschichte. Wie er in Moskau auf dem Sofa liegend Game of Thrones geguckt habe, als Red-Bull-Scout Helmut Marko, 73, anrief. Offenbar konnte der Österreicher die Versetzung, die einer Demontage gleichkommt, nicht richtig plausibel machen.

Kwjat sagt, dass er unter Schock stand, und erst einmal die Serienfolge zu Ende gesehen habe, wie in einem Formel-1-Cockpit: Im TV-Spektakel geht es ja auch um den plötzlichen Tod. Kwjat beschwert sich zwar, dass er keine plausible Erklärung bekommen habe, weiß aber: "Wenn die Chefs etwas wollen, dann machen sie das möglich - so einfach ist das."

Doch der größere Fokus liegt auf Verstappen, nach dem Triumph, mit dem er in der Jüngsten-Wertung Sebastian Vettel ablöst. Als erster Formel-1-Sieger aus den Niederlanden überhaupt wird der Druck in seinem 25. Rennen in zwei Wochen auf den Straßen von Monte Carlo noch wachsen. Vermutlich hat sein ohnehin schon stark ausgeprägtes Selbstbewusstsein nach Barcelona sogar noch einen weiteren Schub bekommen.

Der offensive junge Mann, Spitzname "Mad Max", hat gezeigt, dass er sich auch in ein System fügen und strategisch fahren kann und in einem besseren Auto auf Anhieb gezeigt, wie schnell er wirklich sein kann. Generell vertraut Verstappen junior auf sein Gemüt aus Karbon: "So lange ich Gas gebe, habe ich nichts zu befürchten."

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