Formel 1 in Silverstone:Red Bull verschenkt den Sieg in der Box

Turbulentes Rennen in Silverstone: Erst vergibt Sebastian Vettel alle Siegchancen, weil ein Boxenstopp völlig misslingt. Dann schenkt ihm sein Red-Bull-Rennstall den zweiten Platz, indem es einen eindeutigen Funkspruch an den Teamkollegen Mark Webber sendet.

René Hofmann

Doppelte Premiere in Silverstone: Zum ersten Mal in der Formel-1-Saison 2011 gewinnt Ferrari-Fahrer Fernando Alonso. Und zum ersten Mal überhaupt wendet sich das Weltmeister-Team Red Bull von der Devise ab, seine zwei Fahrer - Titelverteidiger Sebastian Vettel und Mark Webber - frei fahren zu lassen.

Red Bull Formula One driver Vettel of Germany, drives ahead of team-mate Webber of Australia during the British F1 Grand Prix at Silverstone, central England

Sebastian Vettel lag lange auf Siegkurs - bis ein Boxenstopp missglückte.

(Foto: REUTERS)

Als Webber sich in der letzten Runde anschickte, Vettel zu attackieren, bekam er von Teamchef Christian Horner eindeutig zu hören: "Behalte den Abstand bei!" Der Funkspruch half, die Reihenfolge zu zementieren. Diese lautete am Ende: 1. Alonso, 2.Vettel, 3.Webber, 4. Lewis Hamilton im McLaren-Mercedes, 5. Felipe Massa im zweiten Ferrari vor Nico Rosberg im Mercedes. Nick Heidfeld (Renault) wurde Achter vor Michael Schumacher (Mercedes). Adrian Sutil (Force India/Elfter) und Timo Glock (Marussia-Virgin/16.) kamen an, gewannen aber keine Punkte.

In der Gesamtwertung führte die Reihenfolge zu einer Verschiebung, allerdings zu keiner gravierenden: Statt Jenson Button, der ausfiel, weil bei einem Reifenwechsel das rechte Vorderrad seines McLaren nicht festgezogen wurde, führt zum Großen Preis von Deutschland in zwei Wochen am Nürburgring Webber das Feld der Vettel-Verfolger an. Mit 124Punkten kommt er jedoch auf 80 Zähler weniger als sein Teamkollege. Alonso ist mit 112Punkten jetzt immerhin Dritter, aber noch weiter zurück. "Ein fantastischer Tag", fand er trotzdem.

Zustande kam das Resultat auch durch die Änderungen im Technikreglement, die den angeströmten Diffusor und die Drosselklappen-Steuerung betreffen und um die es vor dem Start viel Streit gegeben hatte. "Natürlich hatten wir einen Nachteil hier an diesem Wochenende", ärgerte sich Red-Bull-Teamchef Christian Horner nach dem Rennen, während Sieger Alonso frohlockte: "Von jetzt an spielen wir auf Augenhöhe."

Zehn Stationen sind für den Rennzirkus bis Ende November noch vorgesehen. Wie entschlossen Red Bull ist, Vettel die Titelverteidigung früher zu bescheren, war in Silverstone zu sehen. Kommandostand-Kommandeur Horner erklärte den Nichtangriffs-Befehl an Webber vor dem letzten Umlauf so: "Aus Teamsicht möchtest du in dem Moment nicht deine beiden Autos im Zaun sehen. Wir wollten nicht erleben, was wir schon einmal erlebt haben." Im vergangenen Jahr waren Vettel und Webber in Istanbul kollidiert - wegen dieser Karambolage hat das Team heute einen Sieg weniger in seiner Bilanz stehen.

Dass es am Ende zwischen Vettel und Webber überhaupt so eng wurde, hatte mit einem Technikproblem zu tun, das bei Red Bull allmählich zur Tradition wird: das Bremsenergie-Rückgewinnungssystem Kers streikte. Vettels Batteriepack schwächelte, deshalb kam Webber ihm noch einmal nahe. Trotz seines komfortablen Vorsprungs in der Gesamtwertung warnt Vettel: "Wir müssen wirklich pushen, damit es das nächste Mal wieder andersherum läuft."

Doch auch der Seriensieger dieser Saison selbst blieb in Mittelengland nicht fehlerlos. Den besten Startplatz musste Vettel zum zweiten Mal in diesem Jahr Webber überlassen, nachdem er sich auf der finalen Qualifikationsrunde am Samstag eine Unachtsamkeit geleistet hatte: "Ich habe mich kurz vor der Ziellinie verschaltet. Wäre das nicht passiert, hätte es wohl gereicht", wusste Vettel.

Schumachers Fehler

Es wäre im neunten Rennen die achte Pole Position für ihn gewesen. Doch auch von Startplatz zwei aus glückte Vettel, der seit seit kurzem 24 Jahre alt ist, eine meisterliche Losfahrt: Er ließ Webber stehen, als sitze der Australier nicht in einem baugleichen Fahrzeug, sondern am Steuer eines Omnibus.

Zunächst konnte Vettel sich an der Spitze dann auch vorzüglich absetzen, womit es zunächst so aussah, als sollte sich die aus den meisten der acht vorangegangenen Saisonrennen gewohnte Dominanz fortsetzen. Dass es nicht so kam, hatte auch mit einem Wagenheber zu tun. Als Vettel zum zweiten Mal zum Reifenwechsel zur Box kam, brach die Maschine, die seinen Rennwagen vom Boden heben sollte. Bis Ersatz beschafft war, dauerte es ein paar Sekunden. Diese nutzte Alonso, um in Führung zu schlüpfen. Den Platz an der Spitze verteidigte er anschließend gewohnt clever.

Für Michael Schumacher war es erneut ein ernüchterndes Wochenende. Am Samstag in der Qualifikation verpasste er die Runde der besten Zehn um knapp eine Zehntelsekunde. Als Dreizehnter an der Ampel startete er mitten ins Getümmel hinein, wo es erneut nicht lange dauerte, bis er mit einem Rivalen aneinandergeriet.

In Istanbul und in Valencia war Schumacher mit dem russischen Renault-Lenker Witali Petrow kollidiert, in Silverstone traf er Kamui Kobayashi im Sauber: Auf feuchter Piste rutschte Schumacher beim Bremsen zu weit und die Nase seines Mercedes' zerbarst im Heck des Gegners. Zu der Strafe, das Teil wechseln zu müssen, kam noch ein Denkzettel der Rennleitung: Sie sah Schumacher als alleinigen Schuldigen des Unfalls.

Zur Strafe musste er zur Box kommen und zehn Sekunden stehenbleiben - wie ein ungezogener Schüler, der von seinem Lehrer ins Sünder-Eck gestellt wird. "Mein Fehler", musste Schumacher - mal wieder - zugeben: "Es wäre definitiv mehr drin gewesen."

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