Formel 1 in Monza:Ein unüberlegter Rempler schmerzt Vettel

Formula One F1 - Italian Grand Prix

Wo Rauch ist in der Formel, da steigt einer stark auf die Bremse. Hier sieht es nach dem Start so aus, als würde Sebastian Vettel (rechts) in Führung fahren. Doch dann folgt eine Rechtskurve - und dann eine Kollision.

(Foto: Stefano Rellandini/Reuters)
  • Mercedes-Pilot Lewis Hamilton gewinnt den Großen Preis von Monza vor Kimi Räikkönen im Ferrari.
  • Sebastian Vettel wird nach einer Aufholjagd Vierter - eine Berührung seines Autos mit dem von Lewis Hamilton auf der ersten Runde kostet ihn ein besseres Ergebnis.
  • Vettels Rückstand in der WM-Wertung der Formel 1 beträgt nun 30 Punkte.

Von Philipp Schneider, Monza

In der Formel 1 kann es passieren, dass in dem Moment, wenn alle Träume enden, die Welt um einen herum zu kreisen beginnt. Aus Sicht von Sebastian Vettel muss es so ausgesehen haben in jenem Moment, als sich am Sonntag sein Ferrari auf der Strecke in Monza drehte. Einmal rum. Um 180 Grad. Die Ampeln beim Gran Premio di Italia waren erst vor wenigen Sekunden auf grün gesprungen, da fuhr Vettel, von Position zwei gestartet, mit seinem Ferrari in die falsche Fahrtrichtung. Von dort sah er den Unfallort im Rückspiegel, die zweite Schikane "Roggia".

Vettel sah das Kiesbett, die Streckenbegrenzung, und er sah auch noch das silberne Auto von Hamilton, das unbekümmert weiterfuhr, völlig unbeschadet. Vettel sah den Mercedes des WM-Führenden davonfliegen, der an ihm vorbeigefahren war in der Roggia-Schikane mit einem "old-school-Manöver aus dem Kartsport", das er auch noch exakt so angekündigt hatte. Und dessen Überholmanöver Vettel nur mit einem unüberlegten Rempler zu kontern gewusst hatte. Dann hatte sich Vettel gedreht. Er war selber schuld. "Das war dumm. Wo wollte er da hin?", schimpfte Vettel über Funk. Die Rennkommissare werteten das Manöver als Rennunfall.

Vettel musste an die Box, sein Frontflügel hatte Schaden davongetragen, baumelte herab. Nach dem Werkstattbesuch sortierte er sich ganz hinten wieder ein, sein Auto war an der Seite noch immer beschädigt, er setzte an zur Aufholjagd und wurde noch Vierter. Aber Vettels Traum, den ersten Ferrari-Sieg seit acht Jahren in Monza zu feiern, den musste er mal wieder verschieben. Es war Lewis Hamilton, der in Monza aus dem Mercedes kletterte und im Feindesland zu tanzen begann.

Diese Rennwoche wird Vettel nicht so schnell vergessen

Die rote Wand, die alte Tribüne an der Zielgerade in Monza, auf der am Samstag noch alles hüpfte und jubelte, sie sah aus, als hätte sie jemand schockgefroren. Auch der Traum der Tifosi war vorbei. Weil Hamilton acht Runden vor Schluss mit einem grandiosen Überholmanöver auch noch an Kimi Räikkönen vorbeigerollt war. Weil Hamilton mal wieder schneller war als die eigentlich schnelleren Ferraris, die aus der ersten Startreihe losgerollt waren. Und weil Hamilton seinen Vorsprung in der WM-Wertung auf 30 Punkte vergrößerte.

"Es gab hier sehr viel Negatives, aber es gab heute auch viele britische Flaggen", sagte Hamilton. "Sie wissen, wer sie sind."

Diese Rennwoche in Italien war eine, die Vettel nicht so schnell vergessen wird. Es ging schon nicht gut los für ihn. Am Mittwochabend steuerte Vettel seinen Ferrari beim Fanfest der Formel 1 durch Mailand. Die Zuschauer, die an der abgesteckten Strecke standen und filmten, versprachen sich ein bisschen Rummel, Motorengeheule und quietschende Reifen. Sie bekamen auch einen Unfall zusehen.

In der Nähe des kleinen Mailänder Sees Darsena steuerte Vettel seinen Ferrari in eine Bande. In einer langsamen Kurve. Einer sehr langsamen. Einer so langsamen, dass er fast stand. In dieser unglaublich langsamen Kurve also verbremste sich Vettel und ramponierte seinen Frontflügel. Im Internet machten schnell Videos von der Szene die Runde, und manch ein Kommentator erinnerte an Vettels Ausrutscher in der Sachskurve auf dem Hockenheimring, der aus der Perspektive von Lewis Hamilton ausgesehen haben musste wie ein Geschenkpaket mit rotem Schleifchen. Innen drin: 25 Punkte für einen Rennsieg, an den er nicht mehr geglaubt hatte.

Seinem kleinen Ausritt am See ließ Vettel dann allerdings einige rundum schnelle Trainingseinheiten folgen auf der Hochgeschwindigkeitsstrecke in Monza. Der Glaube vieler Ferraristi an den ersten Heimsieg eines Ferrari beim Grand Premio di Italia seit Fernando Alonsos Sieg vor acht Jahren schlug spätestens am Samstagnachmittag in empfundene Gewissheit um - nachdem sich zum ersten Mal seit 2000 zwei rote Rennwagen für die erste Startreihe qualifiziert hatten. Vor 18 Jahren parkte Michael Schumacher seinen Ferrari in Monza vor dem von Rubens Barrichello.

Bottas hält Räikkönen ein bisschen auf

Und nun stand da Kimi Räikkönen vor Vettel. Tatsächlich. Der Weltmeister von 2007, der ja möglicherweise schon weiß, dass sein Vertrag bei Ferrari Ende der Saison auslaufen wird, weil es Kräfte in der Scuderia gab und gibt, die an seiner Stelle lieber den 20-jährigen Charles Leclerc sehen wollen. Jener Räikkönen hatte sich den herrlichen Scherz erlaubt, sich ausgerechnet in Monza vor seinen Teamkollegen, den Titelkandidaten zu schieben. Mit der schnellsten jemals gefahrenen Runde der Formel-1-Geschichte. Durchschnittsgeschwindigkeit: 263 km/h. Vettel hatte sich mit einem kleinen Fehler in der Schlussrunde selbst um die Pole gebracht. Er parkte zwar noch vor Lewis Hamilton. Aber er war sauer. "Wir reden später", funkte er unmittelbar nach der Zeitennahme.

Wie das Rennen ausgegangen wäre, hätte Vettel beim Start vor Räikkönen gestanden? "Ich bin es gewohnt, in der Spitze gegen drei Autos zu kämpfen", sagte Vettel später. "Das ist okay." Außer den zwei Mercedes dachte er da an den zweiten Ferrari.

Nach dem Start geht es in Monza auf einer langen Gerade in Richtung der ersten Schikane, dort versuchte Vettel zum ersten Mal, Räikkönen zu überholen. Er schloss aber nur auf, bis er auf gleicher Höhe fuhr. So fuhren sie weiter in die schnelle Rechtskurve "Biassono", dort kämpfte Vettel noch immer mit seinem Teamkollegen. Die Biassono mündet in die zweite Schikane "Roggia". Dort berührte Vettel Hamilton, der ihm "keinen Raum gegeben" habe, wie Vettel sagte, und verabschiedete sich an das Ende des Feldes. Das Safety Car bog auf die Strecke. Nach dem Wiederstart bremste Hamilton Räikkönen in der ersten Schikane aus, zog vorbei. Räikkönen konterte. In der Roggia-Schikane, in der Hamilton Vettel überholt hatte. "Kimi, Kimi, Kimi!" riefen die Fans. Und von hinten sauste Vettel heran. Nach sieben Runden lag Vettel auf Rang 15. Nach 13 auf elf. Nach 24 auf sieben. Nach 30 Runden, vor seinem zweiten Stopp, der ihn wieder auf Rang zehn zurückversetzte, war er schon Vierter.

Spannend blieb es an der Spitze. In der 20. Runde fuhr Räikkönen an die Box, Hamilton blieb draußen und übernahm die Führung. Aber der Vorsprung, den er danach aufbaute, war nicht groß genug. Mit 18 Sekunden Vorsprung fuhr Hamilton neun Runden nach Räikkönen an die Box, als er wieder auf die Strecke bog, war der Finne vorbei. Aber er lag nun hinter Hamiltons Teamkollegen Bottas, der noch nicht an seiner Versorgungsstation gehalten hatte. Und der Räikkönen nun mal wieder ein bisschen aufhielt. Genau so lange, bis Hamilton aufgeschlossen hatte. Bottas legte die Basis dafür, dass Hamilton Ferraris Heimsieg verderben konnte. "Dank an Valtteri", sagte Hamilton. "Wir geben niemals auf."

Gemeinsam hatten sie zwei sich bekämpfende Ferraris bekämpft.

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