Formel 1 in China:Vettel oder Hamilton - wer ist der Favorit?

Lesezeit: 3 min

Hamilton oder Vettel? In der Formel 1 gibt es zwar eine neue Rivalität, aber keiner will Favorit sein. (Foto: AFP)
  • Sebastian Vettel und sein Rennstall Ferrari sind trotz des Sieges beim Saisonauftakt der Formel 1 in Melbourne vorsichtig mit ihren Erfolgsprognosen.
  • Nun, vor dem Großen Preis von China hat sich Ferrari noch nicht als Favorit, sondern erst als Herausforderer Nummer eins von Mercedes-Pilot Lewis Hamilton positioniert.
  • Der Shanghai International Circuit könnte eine Antwort auf die Frage geben, ob die Formel 1 durch das neue Reglement eine Wachablösung erlebt.

Von Elmar Brümmer, Shanghai/München

Was Sebastian Vettel im Erfolgsfall sagt, das erinnert an die Hinhalte-Taktik des heutigen Formel-1-Frührentners Nico Rosberg. "Ich denke nur von Rennen zu Rennen", sagt der Heppenheimer Vettel, manchmal auch: "Wir müssen die Füße auf dem Boden halten." Sätze sind das wie Standardsituationen im Fußball: einstudiert, unspontan, und doch kann man ausrutschen.

Vettel und sein Rennstall Ferrari sind trotz des Sieges in Melbourne aus gutem Grund vorsichtig mit ihren Erfolgsprognosen. Die deutsch-italienische Kooperation wird seit etlichen Jahren an der Erfolgsgeschichte von Michael Schumacher und Ferrari gemessen, die Unzufriedenheit nach den vielen Niederlagen gegen Mercedes wuchs daher zuletzt.

Nun, vor dem Großen Preis von China hat sich Ferrari noch nicht als Favorit, sondern erst als Herausforderer Nummer eins positioniert. Und trotzdem ist der Wunsch nach einem Duell auf Augenhöhe zu spüren. Nicht nur die zehn Millionen Italiener, die den Auftakterfolg vor zwei Wochen noch einmal in der Wiederholung sahen, drücken die Daumen. Fast die gesamte Motorsportwelt hofft, dass nach drei Mercedes-Titeln die Langeweile auf der Rennstrecke endlich wieder ein Ende hat.

Doch in der sich verändernden Formel 1 gibt es zwar eine neue Rivalität, aber keiner will Favorit sein. Mercedes-Pilot Lewis Hamilton, Zweiter in Melbourne, hat lieber die Verfolgerrolle. Vettel, der für Ferrari nach zwei Jahren endlich wieder einen Sieg einfuhr, bezeichnet ihn dennoch als Sieganwärter: "Mein Sieg hat nicht viel zu bedeuten. Es gibt keine Garantie, dass es so weitergeht. Mercedes ist immer noch der Favorit."

Auf der längsten Geraden wird sich zeigen, welcher Motor stärker ist

Dem zweiten WM-Lauf kommt jedenfalls entscheidende Bedeutung zu. Denn der Shanghai International Circuit hat eine komplett andere Charakteristik als der Albert Park in Melbourne, deshalb wird es auf der permanenten Piste zu einer ersten tragfähigen Antwort auf die Frage kommen, ob die Formel 1 durch das neue Reglement eine Wachablösung erlebt.

Die mit 1,3 Kilometern längste Gerade der Welt wird auch zeigen, ob das Sechszylinder-Aggregat aus Maranello tatsächlich mit dem Mercedes-Antriebsstrang gleichgezogen hat. Das wird gerne kolportiert, ohne dass es über einzelne, schwer vergleichbare Tempo-Messungen hinaus Belege gibt. Zumindest hat Ferrari nach der Öffnung der eingefrorenen Entwicklungsrichtlinien den größten sichtbaren Sprung gemacht. Renault kommt etwas langsamer in die Gänge, Honda bisher gar nicht.

Das könnte ein spannendes Ausscheidungsfahren werden, untermalt von den üblichen Wetterkapriolen im Jangtse-Delta. Die letzten drei Rennen in China gingen an Mercedes, doch Power ist nicht alles. In den Kurven kann in diesem Jahr der entscheidende Zeitgewinn gelingen. "Wir wissen, dass wir ein starkes Paket haben, aber wir wissen auch, dass es viel zu tun gibt, um mit ihnen mitzuhalten", sagt Vettel. Immerhin kommt sein Ehrgeiz wieder stärker durch: "Wir müssen bestätigen, wie gut das Auto ist. Den Trend wollen wir aufrechterhalten." Es sei aber nicht so, dass er jetzt ständig in Maranello anrufe, und frage, wie es dem Auto gerade gehe.

Vettel bleibt gelassen, was man seinem spitzbübischen Gesichtsausdruck anmerkt. Er will nicht wieder so unter Druck geraten wie in der zweiten Hälfte 2016, als er zunächst die Laune und dann fast noch die Lust verlor. Über einen arbeitsamen aber ansonsten ruhigen Winter hinweg ist es der Scuderia gelungen, sich von zu hohen Erwartungen zu befreien.

Es konnte und kann ja nur besser werden. Gebetsmühlenhaft wiederholt der deutsche Pilot daher: "Nach einem Rennen kann man leicht sagen, dass dieses Jahr besser ist, aber es war eben nur ein Rennen." Die Richtung scheint für den Mannschaftskapitän in Rot zu stimmen: "Viele Dinge haben sich geändert, das Team hat sich entwickelt. Wir haben mehr Selbstvertrauen in die einzelnen Prozesse. Die Arbeit ist zielgerichteter und wir sind zuversichtlicher." Das habe sich bei seiner Simulatorarbeit vor dem Rennen in Asien in Italien bestätigt: "Ich habe in Maranello in viele glückliche Gesichter geschaut. Die Jungs sind noch motivierter. Das brauchen wir."

In der Teamleistung sieht aber auch Mercedes-Sportchef Toto Wolff die Chance, das seit drei Jahren erstmals verlorene Terrain als Führender wieder zurückzugewinnen. Seine Einschätzung ist eine verkappte Warnung an die Konkurrenz: "Es gibt noch viele Bereiche, in denen wir uns steigern müssen. Darauf haben wir uns in der zurückliegenden Woche konzentriert."

Nicht auf die Konkurrenz will der Österreicher seine Truppe in Brackley schauen, sondern stur die eigenen Hausaufgaben abarbeiten: "Es geht nicht darum, sich die Konkurrenz als Inspiration anzusehen." Das aktuelle Auto soll etwas zu schwer sein, das könnte Hamiltons Reifenprobleme mitverursacht haben: "Man muss den Finger in die Wunde legen, seine Schwächen erkennen und reagieren", sagt Wolff: "Jeder bei uns hat seine persönliche Entwicklungskurve."

© SZ vom 07.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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