Formel 1 in Australien:Angst vor der Sternschnuppe

Rückkehrer Michael Schumacher hat Mercedes viel Aufmerksamkeit gebracht - ohne sportlichen Erfolg in dieser Saison droht dem Team aber ein folgenschwerer Image-Crash.

Elmar Brümmer

"Monster" steht neuerdings auf den Helmen der Mercedes-Fahrer in der Formel 1. Monster-Benz etwa? Das wäre ein bisschen übertrieben, obwohl die Dienstwagen von Michael Schumacher und Nico Rosberg manchmal noch Biester sind. Das Wort steht für einen Energy-Drink. Ob dessen Image so wirklich zu dem Premium-Anspruch passt, den die Automarke mit dem Stern pflegen möchte, ist fraglich.

Auf jeden Fall aber zeigt die neu verabredete Partnerschaft, welche Metamorphose das Formel-1-Engagement von Mercedes nach der Abkehr von der Partnerschaft mit dem Rennstall McLaren und der Übernahme des Teams BrawnGP erlebt: Die Rennsportfiliale bekommt von der Konzernzentrale einen Unterhaltenskostenzuschuss von 62 Millionen Euro. Was sie sonst ausgeben will, muss sie selbst aufbringen. Deshalb sind offenbar auch Werbe-Geldgeber willkommen, die auf eher martialische Namen setzen.

Neue Fernbeziehung

Der Wechsel von McLaren zu MercedesGP ist mehr als nur der Wechsel von der einen silbernen Lackierung zur anderen. Die Stuttgarter haben eine andere Rolle - und suchen eine neue Identität. In Melbourne, wo am Samstagmorgen deutscher Zeit (8 Uhr) die Qualifikation zum Großen Preis von Australien stattfindet, hat Mercedes vor 13 Jahren schon einmal einen Silberpfeil präsentiert - und mit dem Sieg von Mika Häkkinen gleich einen Erfolg eingefahren. Die Zweckehe mit dem eitlen McLaren-Lenker Ron Dennis hielt bis 2009, Mercedes besaß 40 Prozent am Team. Zahlmeister sein und trotzdem in der Minderheit - das war schließlich zu wenig für das Selbstbewusstsein der Nobelmarke.

Die verkorkste Saison 2009 wäre der ideale Anlass zum Ausstieg gewesen, doch Konzernchef Dieter Zetsche steuerte - als ein Schumacher-Comeback noch undenkbar war - gegen den Trend des Hersteller-Exodus. "Als Marke, die nach dem Besten strebt, ist die Formel 1 eine ideale Plattform", sagt er. Mit Kapital aus Abu Dhabi übernahm Untertürkheim die Mehrheit am Weltmeisterteam von Ross Brawn, Mercedes Grand Prix wurde als deutsche Nationalmannschaft mit Sitz in Brackley in England geboren.

Damit gibt es einmal mehr eine nicht immer ganz einfache Fernbeziehung. Mercedes hat formal das Sagen, aber Norbert Haug , der Sportchef der Firma, widersteht der Versuchung, dick aufzutragen. Der Werbewert von Schwarz-Rot-Silber ist gigantisch, doch an der Piste wird der Stern eher dezent präsentiert, auf der Teamkleidung in schlichtem Schwarz auf Weiss. In der Farbpsychologie heißt das: Erst Fakten schaffen!

Der Anspruch ist auch statistisch groß, die Hauptdarsteller Ross Brawn, Michael Schumacher und Mercedes- Motor waren zusammen an neun der letzten zwölf vergebenen WM-Titel beteiligt.

Aufbruch und Umbruch

Die Titelansage gibt es, nur zeitlich mag sich niemand festlegen. Das kommt ganz darauf an, wie lange der Aufbruch, der vor allem ein Umbruch ist, dauert. Der Seitenwechsel von Mercedes war eine Last-Minute-Aktion. Bis man sich gefunden hat, wird Understatement gepflegt.

Die zweite Wiedergeburt der Silberpfeile lief bislang nicht ganz komplikationslos. Die Autos von Schumacher und Rosberg bewegen sich nur im Mittelfeld der automobilen Champions League. Der große Sprung soll, ja muss Anfang Mai beim Europastart in Barcelona gelingen. Der vom Boulevard geprägte Begriff "Silber-Schleicher" darf sich nicht festsetzen, sonst ist die Wirkung der rasenden Imagekampagne schnell dahin. Mercedes hat sich emanzipiert, von jetzt an wird positioniert. Das ist nicht bloß einfaches Umetikettieren, sondern erfordert eine neue Etikette. Denn der alte Partner McLaren setzt immer noch Motoren mit Stern ein und hat das glänzende Silber als Haus- und Fahrzeugfarbe behalten.

Motoren mit Stern

Zeigen, wer der Herr im Haus ist, das wäre die Radikalkur. Norbert Haug interpretiert seine neue Aufgabe mehr als Aufsichtsrat: "Ich bin nicht der, der einen neuen Diffusor erfinden muss", sagt er. Die Gewalten sind geteilt: Um die Technik und die Geschäftsführung kümmern sich die Briten Ross Brawn und Nick Fry. Bei McLaren werkelte eine Tausendschaft, die aktuelle Belegschaft liegt nur knapp über 400 Mitarbeiter. "Für die Leistung", betont Haug, "ist die Kopfzahl nicht entscheidend."

Ausbalanciert werden muss neben dem Mercedes W01 auch das mentale Gleichgewicht der Menschen. Im Fall des so unterschiedlichen Fahrerduos Rosberg und Schumacher wird derzeit noch ein peinlich genauer Gleichstellungsauftrag verfolgt. Generell sorgt die Verpflichtung des Rekordweltmeisters auch noch für das Wettrennen zweier großer Markenzeichen - Mercedes und Schumacher. Wer am Ende wen überstrahlt, steht in den Sternen.

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