Formel 1 in Mexiko:Den Besten der Besten im Visier

Juan Manuel Fangio

Könnte in Sachen WM-Titel bald von Lewis Hamilton eingeholt werden: Juan Manuel Fangio, hier im Juli 1957, nach seinem Sieg beim Großen Preis von Europa im französischen Rheims.

(Foto: AP)
  • Mit einem Sieg beim Großen Preis von Mexiko könnte Lewis Hamilton mit der Motorsport-Legende Juan-Manuel Fangio gleichziehen.
  • Bis heute wird er von Rennfahrern verehert, so auch von Hamilton: "Es ist verrückt, daran zu denken, das ich auf dem Weg bin, genauso viele Titel zu gewinnen."
  • Verfolgen Sie hier das Rennen im Live-Ticker.

Von Elmar Brümmer, Mexiko-Stadt

Formel-1-Champions bekommen gerne den Beinamen "bester Autofahrer der Welt". Wie der zusätzliche Ehrentitel zu bewerten ist, lässt sich prima anhand folgender Anweisung von Juan-Manuel Fangio ablesen: "Eines der besten Mittel gegen das Altwerden ist das Dösen am Steuer eines fahrenden Autos." Dieser Fangio ist eine Legende im Motorsport, zu Legenden gehören nun mal legendäre Sätze. Der eindrucksvollste stammt aus einer Replik auf - den ebenfalls legendären - Enzo Ferrari. Der italienische Teamchef, Respektname "Commendatore", hatte dem argentinischen Piloten ausrichten lassen, dass es eine Ehre sei, für seine Scuderia fahren zu dürfen. Zitat: "Fangio braucht keine Ehre. Fangio hat Ehre genug." Der Satz sagt schon viel über den Menschen.

Juan-Manuel Fangio ist der Mann, mit dem Lewis Hamilton heute auf eine Stufe, besser gesagt: einen Sockel gehoben werden kann, wenn er im Großen Preis von Mexiko sieben WM-Punkte holt oder wenn Sebastian Vettel das Rennen nicht gewinnt. Dann hätte der Brite im Silberpfeil in der ewigen Bestenliste der Formel 1 nur noch Michael Schumacher mit sieben WM-Siegen vor sich. Eine für den Briten noch unvorstellbare Bestmarke, aber das war bis vor einiger Zeit auch Fangios Titelquintett noch. Hamilton hätte im Erfolgsfall mit dem Hybrid-Silberpfeil eine ordentliche Serie hingelegt, vier Titel in fünf Jahren. Aber das reicht nicht an den Raubzug Fangios heran: Innerhalb von nur sechs Jahren hatte "El Chueco", der Krummbeinige, fünf Titel gewonnen - mit vier verschiedenen Automarken: 1951 mit Alfa Romeo, 1954/55 mit Mercedes, 1956 mit Ferrari, 1957 mit Ferrari.

Fangio war ein Spätberufener, der richtig durchstarten konnte. Sein erstes Rennen bestritt der Südamerikaner erst mit 25 in einem alten Taxi; als die Formel 1 beginnt, ist er schon 39. Seine Erfolgsquote - 24 Grand-Prix-Siege und 28 Pole-Positionen in nur 51 Rennen - ist unerreicht, und dürfte es trotz der Inflation im Rennkalender auch bleiben.

Wird Lewis Hamilton darauf angesprochen, künftig in einem Atemzug mit Fangio genannt zu werden, bekommt der ansonsten an der Historie des Motorsports nicht besonders interessierte Brite glänzende Augen: "Für uns moderne Rennfahrer ist Fangio wie ein Pate. Es ist verrückt, daran zu denken, das ich auf dem Weg bin, genauso viele Titel zu gewinnen."

Vor ein paar Jahren ist Hamilton selbst in der Steilkurve von Monza einmal eines der PS-Monster der Nachkriegszeit gefahren, auf hohen Rädern mit dünnen Reifen und mit einem vorne platzierten Motor. Das Problem der damals schon 300 km/h schnellen Rennwagen waren die prall gefüllten und leicht zerstörbaren Benzintanks, stets war ein Feld rasender Bomben unterwegs. Hamiltons Fazit: "Ich bin froh, in der heutigen Ära zu fahren. Bei einem Unfall musste der Fahrer hoffen, aus dem Auto geschleudert zu werden... Da war schon eine andere mentale Einstellung nötig." Das ist eine gewisse Verharmlosung: Fangio hat in seiner Karriere 30 Rennfahrerkollegen sterben sehen. Ihm blieb das erspart. Er selbst erlag 1995 im Alter von 84 Jahren einem Nierenleiden.

Wohl auch deshalb, weil er stets am Rande des Todes balancierte, war Fangio dem Leben am Limit sehr zugetan. Weshalb die aktuellen Wettbewerbshüter der Formel 1 an ihm wenig Freude hätten. Die Zeiten, in denen Rennfahrer ganz öffentlich Lebemänner sein durften, passen nicht mehr zu den moralischen Vorstellungen von Formel 1-Eigentümer Liberty Media. Die gebräuchliche Charakterisierung des Argentiniers als bekennender Junggeselle passt prima auch zum Fast-Weltmeister Lewis Hamilton, seit dieser die Beziehungs- und Leistungskrise mit Nicole Scherzinger hinter sich gebracht hat. Die Lebenslust auch. Fangio gab sogar seinen Rennwagen weibliche Kosenamen, ähnlich wie Sebastian Vettel heute.

"Ein Fahrer darf keine Angst haben, er muss seinem Können vertrauen"

Vom Fahrerischen her wird Fangio bis heute nicht bloß geachtet, sondern verehrt. Der erste Auftrag an den Teenager aus einem Bauerndorf in der Provinz Buenos Aires, nachdem er feierlich den Zündschlüssel für ein Auto überreicht bekommen hatte, lautete: Müll wegfahren! Aber aus kleinsten Anfängen entwickelte er Leidenschaft und Technik zugleich, die ihn erst zum KfZ-Mechaniker und von 1951 an zum Seriensieger werden ließ, mit der jungenhafter Begeisterung des ersten Momentums: "Man drehte am Lenkrad - und die Räder folgten. Mir entstand der Eindruck, dass das Fahrzeug leben würde. An diesem Nachmittag habe ich mich in Automobile verliebt."

Dementsprechend behandelte er sie auch. "Fangionismus" bedeutet: schnörkellos fahren, stoisch die Ideallinie halten, was sich allein durch die aufrechte Sitzhaltung im Cockpit ausdrückte. Grundsätzlich ging er risikobewusst in die Rennen, aber selten riskant. Politisch agierte er so clever, dass er immer bestes Material bekam. Sein Maxime schien einfach zu sein: "Ein Fahrer darf keine Angst haben, er muss seinem Können vertrauen." Dann folgte ein narzisstischer Nachsatz: "Ich habe immer gedacht, dass ich der Beste bin." Dabei genügte er stets dem eigenen Standard, sein technisches Wissen kam ihm dabei entgegen: "Ich konnte hören, wenn es einem Auto nicht gut geht. Das ist wie in der Musik, wenn ein Ton nicht stimmt." Er verfügte quasi über das absolute Gehör für Motoren.

Bleibt die Frage, wer denn der Beste der Besten ist. Doch seriöse sportliche Vergleiche zwischen damals und heute kann es nicht geben. Das stellte schon der junge Michael Schumacher fest, der Fangio einmal traf. "Der Mann hat in meinen Augen so viel mehr erreicht zu seiner Zeit, als ich das je könnte", sagte der spätere Rekordhalter schüchtern. Von Juan Manuel Fangio II, dem im Auto etwas glückloser agierenden Neffen, gibt es den Merksatz: "Fangio und Schumacher gehören zu der Gruppe der ganz Großen. Da steht jeder für sich, die vergleicht man nicht." Lewis Hamilton könnte schon heute zu ihnen aufschließen.

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