Formel 1:Vettel - Chaos-Meister von Monaco

So siegt derzeit nur Sebastian Vettel. In Monte Carlo glänzt der Deutsche in einem spektakulären Rennen mit vielen Unfällen, zwei Safety-Car-Phasen und einer Rennunterbrechung kurz vor Schluss - und profitiert am Ende vom Pech eines Kollegen.

Michael Neudecker, Monte Carlo

Runde 71, sieben Runden noch, und Fernando Alonso schloss die Augen. Sein Wagen fuhr nicht, kein Wagen fuhr jetzt. In Runde 71 wurde beim Großen Preis von Monaco 2011 die rote Flagge geschwenkt, das bedeutete: Rennabbruch mit anschließendem Neustart.

Red Bull Formula One driver Vettel of Germany leads the race during the Monaco F1 Grand Prix

Enges Rennen: Sebastian Vettel vor Fernando Alonso und Jenson Button.

(Foto: REUTERS)

Monaco hat schon viele Rennen gesehen, außergewöhnliche, spannende, spektakuläre, und Monaco 2011 war das alles auch. Monaco 2011 war denkwürdig, und das nicht nur, weil Sebastian Vettel seinen fünften Sieg im sechsten Rennen feierte. Und als erster Deutscher seit zehn Jahren in Monaco gewann.

78 Runden dauert dieses Rennen, zwei Stunden, das ist eine lange Zeit für viele Geschichten, und leider ist die Geschichte, die dieses Rennen besonders prägte, die eines Unfalls, wie so oft in Monaco. In Runde 69 stießen der Russe Witali Petrow und der Spanier Jaime Alguersuari in einem dichten Feld während eines Überrundungsvorgangs zusammen.

Alguersuari stieg aus, Petrow aber klagte über Schmerzen in den Beinen - der Krankenwagen musste auf die Strecke geholt werden, weshalb das Rennen unterbrochen wurde; später gab Petrows Team Entwarnung, er habe wohl nur Prellungen erlitten. Mehr als 20 Minuten stand alles still - und für Vettel hätte es kaum besser kommen können. Monaco 2011 war ein Krimi. Ein Reifenkrimi.

Vieles hatte sich ja vorher um die Frage gedreht, mit wie vielen Boxenstopps die Teams ihre Piloten die Fahrt bestreiten lassen würden. In Monaco wurden diesmal erstmals die so genannten Supersoft-Reifen verwendet, die zwar bessere Rundenzeiten ermöglichen, aber nicht lange halten - und die Strategie ist auf diesem engen Stadtkurs noch wichtiger als auf anderen Strecken. Die hohen Häuser, die engen Gassen, die vielen Kurven: Es ist fast unmöglich, hier mit einem dieser gewaltigen Boliden an einem anderen gewaltigen Boliden vorbeizufahren.

Sebastian Vettel hatte nach dem Qualifying die beste Ausgangslage: Er startete von der Pole Position, neben ihm McLaren-Pilot Jenson Button auf Rang zwei, dahinter Vettels Red-Bull-Kollege Mark Webber und Ferrari-Fahrer Fernando Alonso; Michael Schumacher startete von Position fünf. Und dann, als die roten Lichter ausgingen, fuhr Vettel davon, Button hinterher - und Alonso an Webber vorbei.

Schumacher dagegen schien kaum vorwärts zu kommen, ein Auto nach dem anderen überholte ihn, und als die Fahrer die ersten Meter hinter sich hatten, war Schumacher Zehnter. In Runde 35 blieb Schumachers Auto dann stehen, eine Defekt am Kühlungssystem seines Motors zwang ihn zur Aufgabe. Schumacher schien von Anfang an technische Schwierigkeiten zu haben: Schon nach 27 Runden war er - wie auch sein Kollege Nico Rosberg - überrundet worden.

Und Lewis Hamilton? Der beste Vettel-Verfolger der bisherigen Saison erlebte ein geradezu desaströses Monaco-Wochenende. Im Qualifying fuhr er nur auf Rang neun, und nun, im Rennen sorgte er immer wieder mit waghalsigen Aktionen für Kollisionen und Beinahe-Kollisionen. Er erhielt zwei Strafen und wurde Sechster. Mit dem Rennausgang hatte er nichts zu tun, ganz im Gegensatz zu seinem Teamkollegen, Jenson Button.

"Das war ein Hammer-Rennen"

Längere Zeit fuhr Button hinter Vettel her, nach 33 Runden war Button bereits zweimal an der Box und immer noch mit den Supersoft-Reifen unterwegs; es war klar, dass er zumindest einmal noch zum Reifenwechsel abbiegen musste. Vettel dagegen fuhr nur in Runde 17 an die Box, seine Supersoft-Reifen wurden gegen die härteren ausgetauscht, wenn auch mit Problemen, die Vettel Zeit kosteten.

In Runde 46 erging ein Funkspruch an Button aus der Box: Vettel werde wohl erst spät nochmal an die Box kommen. Sorry, aber wenn er, Button, gewinnen wolle, "dann musst du ihn überholen". Zwei Runden später fuhr Button an die Box, zum dritten Mal, und als er wieder auf die Strecke zurückkehrte, lag er hinter Vettel und Fernando Alsono auf Rang drei. Alonso war da bereits zweimal an der Box gewesen, er würde durchfahren, das war klar - aber Vettel?

Runde 57, Vettel war immer noch erst einmal an der Box , da funkte Button in die Box: Was macht Vettel? Antwort: "Wir sind uns nicht sicher."

Alonso, mit frischeren Reifen als Vettel unterwegs, attackierte Vettel immer wieder, und Button konnte bald nicht mehr mithalten. Vettels Reifen wurden schlechter und schlechter, Alonso kam näher und näher, und je länger des Rennen dauerte, desto mehr wurde deutlich: Vettel würde durchziehen - mit nur einem Stop. "Ich wurde eigentlich reingerufen", erzählt Vettel hinterher, er grinst, "aber ich hab' gesagt, nein, wir bleiben draußen und probieren's."

Und dann kam die rote Flagge. "Das war hilfreich", sagt Vettel: Er bekam neue Reifen, und als das Rennen wieder begann, hatte er keine Mühe, Alonso die letzten Runden hinter sich zu halten.

"Das war ein Hammer-Rennen", sagt Vettel und strahlt. Vielleicht kennt er diese kleine Statistik: In der Formel-1-Geschichte wurde bislang jeder Weltmeister, der von den ersten sechs Rennen fünf gewann.

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