Formel 1: Grand Prix von Bahrain:Auf Du und Du mit dem König

Das Lehrstück des abgesagten Rennens von Bahrain zeigt: Ohne viele Fragen sucht der Sport lieber die Nähe zu Macht und Geld als zum Publikum. Formel-1-Boss Bernie Ecclestone mischt dabei in allen Bereichen kräftig mit.

René Hofmann

David Coulthard wechselte nach seiner Formel-1-Karriere das Fach. Der Schotte arbeitet jetzt als Journalist. Eines seiner ersten Werke war eine Kolumne für den Daily Telegraph über den Bahrain Grand Prix 2009. Vieles, was erinnernswert wäre, steht darin nicht. Ein Satz aber sagt viel über das Verhältnis der Rennserie zu dem Königreich, das am Montag wegen innenpolitischer Unruhen das Rennen absagen musste, das die Saison 2011 am 13. März hätte eröffnen sollen. Der Satz lautet: "Bahrain war ein lustiger Ausflug. Der Kronprinz zieht immer eine gute Show auf, und im Fahrerlager ging es relaxt zu." Lapidarer und treffender lässt sich das Miteinander der Herrscher über das Inselreich und der Protagonisten des schnellen Zirkus nicht zusammenfassen.

Ecclestone überlässt Bahrain-Entscheidung dem Kronprinzen

Haben ein enges Verhältnis: Kronprinz Salman bin Hamad Al Chalifa und Formel-1-Boss Bernie Ecclestone.

(Foto: dpa)

Die Formel 1 und Bahrain - das ist ein Lehrstück: darüber, wie der Sport immer gern die Nähe zu den Mächtigen sucht. Und wie bereitwillig er sich von seinem Publikum abwendet, wenn es anderswo mehr zu verdienen gibt. Das Demokratie-Defizit in Bahrain ist in der Formel 1 nie ein Thema gewesen. Es wurde umkurvt. Nun aber ist das Demokratie-Defizit auch für die Formel 1 ein Thema - denn es stört das Geschäft.

Zwar geben sich alle Beteiligten viel Mühe, die Absage des Rennens als rein innenpolitische Entscheidung darzustellen, und Vermarkter Bernie Ecclestone betont: "Wir haben uns nie in Religion oder Politik eingemischt." Aber das ist lediglich eine der üblichen Nebelkerzen, die der 80-Jährige so gerne wirft. In Wahrheit ist das Formel-1-Rennen im Inselreich im Persischen Golf geradezu ein Musterbeispiel dafür, wie gerne sich der Sport von der Politik einspannen lässt.

Der Große Preis von Bahrain war die zweite Station der großen Expansions-Tour, auf die Ecclestone die Serie schickte, um neue Märkte zu erschließen - und die erste Station im Nahen Osten. Dort begab sich die Rennserie auf für sie völlig neues Gebiet. Dass sich ihr die Gelegenheit dazu bot, lag auch daran, dass Bahrain nach Neuem strebte. Geführt wird das Land von Scheich Hamad ibn Isa Al Chalifa, der sich 2002 selbst vom Emir zum König beförderte. Eine treibende Kraft hinter dem Grand Prix ist der Erbfolger, Kronprinz Salman bin Hamad Al Chalifa. 2010 schrieb er der Formel1 ins Programmheft: "Ich gehöre zu einer neuen Generation, die glaubt, dass unsere Region Teil der Welt sein muss. Wir können uns nicht weiter isolieren. Der Nahe Osten braucht die Formel 1."

Die Rennserie sollte dem Land eine Bühne bieten, um sich für Touristen und Investoren zu präsentieren. Auf den ersten Blick mögen die 150 Millionen Dollar, die der dafür nötige Bahrain International Circuit kostete, die angeblich mehr als 20 Millionen Dollar Antrittsgage jährlich und die vielen Millionen, die dazu noch für PR bereitgestellt wurden, als hohe Ausgaben erscheinen. Gemessen an der Aufmerksamkeit aber, die der Zwergenstaat dafür bekam, und die ihm half, sich neben den reichen Nachbarn wie Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten zu etablieren, ging die Rechnung auf.

Ein Staats-Grand-Praix

Der Große Preis von Bahrain war von Anfang an ein Staats-Grand-Prix. Anders hätte er nie funktionieren können. Denn die Zuschauerzahlen waren in den ersten Jahren so lächerlich niedrig, dass bald keine Zusatztribünen mehr aufgestellt wurden und die obligatorische Präsentationsrunde der Fahrer vor dem Rennen entfiel. Stattdessen traten die Piloten nur kurz zum Winken vor die Haupttribüne an der Start- und Zielgeraden.

Um zu verstehen, wie das Geschäft lief, brauchte es nicht viel. Ein Blick ins Staats-Organigramm reichte. 2007 wurde dort Scheich Ahmed Bin Mohammed Al-Chalifa als Finanzminister geführt, in Personalunion tätig als Vorstand der Mumtalakat Holding Company. Der staatlichen Investitionsgesellschaft wiederum gehörte der Bahrain International Circuit und die Fluglinie Gulf Air zu wesentlichen Teilen. Die wiederum nutzte - welch Wunder - das Formel-1-Rennen gerne für einen großen Werbeauftritt.

Um sich ihren Platz in der Rennwelt dauerhaft zu sichern, erwarben die Scheichs aber noch mehr: einen satten Anteil am erfolgreichen McLaren-Team zum Beispiel. Und es war keineswegs so, dass dem Establishment des Sports die neuen Partner ungelegen kamen. Im Gegenteil. Berührungsängste wegen der eventuell fragwürdigen Legitimation der Herrscher? Keine. Man machte sich gemein, und man tat es bereitwillig.

Als Entwicklungshelfer wurde als erster Rennstrecken-Manager der Österreicher Hans Geist rekrutiert. Der sagte dem Kurier im Mai 2003 auf die Frage, woher die Zuschauer fürs Bahrain-Rennen denn kommen sollten: "Saudi-Arabien, Kuwait, Oman, Emirate, und der Bernie hat gesagt: ,Neuer Markt ist der Irak, das wird doch nicht so schwer sein.'"

Auch weitere Vertraute des Formel-1- Impresarios kamen in Bahrain zum Zug: der Aachener Rennstrecken-Architekt Hermann Tilke etwa und das PR-Büro khp, das schon länger für Ecclestone wirkt. So half die Formel 1 dem König und den Seinen, ihre Botschaft zu verbreiten - und mischte sich auf diese Weise eben doch in Fragen ein, die Religion und Politik betreffen. Als König und Kronprinz vor zwei Jahren ihr Rennen mit einer Ausstellung historischer Rennwagen etwas aufwerten wollten, schickte Ecclestone schnell mehr als 20alte Grand-Prix-Boliden. Aus seiner Privatsammlung.

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