Formel 1:Glamourprodukt mit Geldsorgen

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Schwere Zeiten: Nico Hülkenberg grübelt, für wen er künftig fahren wird - und ob er dafür überhaupt etwas auf sein Konto bekommt.

(Foto: Mark Thompson/Getty)

Selten war das Problem der Formel 1 mit dem Geld so sichtbar wie in Abu Dhabi. Mehrere Teams können offenbar ihre Fahrer nicht mehr bezahlen. Immerhin steht der Lotus-Rennstall nun kurz vor der Einigung mit einen neuen Teilhaber - und so steigen die Chancen, dass Nico Hülkenberg ein Cockpit findet.

Von Michael Neudecker, Abu Dhabi

Bernie Ecclestone taucht nicht einfach auf, wenn Kameras in der Nähe sind, er schaut nicht einfach vorbei. Er marschiert ein.

Bernie Ecclestone aus Ipswich ist 83 Jahre alt, er ist vor einiger Zeit Urgroßvater geworden und übereinstimmenden Angaben mehrerer Medien zufolge 1,59 Meter groß, er trägt meist eine schwarze Stoffhose mit Bundfalten und ein weißes Hemd. In Abu Dhabi betrat er zwanzig Minuten vor dem Rennstart am Sonntag die Startaufstellung, vor ihm und neben ihm hektische Fotografen und Kameramänner, hinter ihm eine große Gruppe arabischer Würdenträger, gekleidet in Militäruniform oder dem landestypischen Thawb, einem knöchellangen weißen Gewand, dazu ein Tuch als Kopfbedeckung. Es war beeindruckend.

Man kann nun darüber diskutieren, ob es Ecclestones Schuld ist, wenn ihm Würdenträger hinterherlaufen, als seien sie seine Entourage, das Bild aber steht trotzdem für sich: Bernie Ecclestone hat die Formel 1 noch immer im Griff.

Bernie Ecclestone hat die Formel 1 erschaffen, er hat sie zu dem gemacht, was sie heute ist. Ein Glamour-Produkt, das durchaus guten Motorsport bietet und auf der ganzen Welt verfolgt wird. Und so viel Geld kostet, dass mehrere Teams ihre Fahrer nicht mehr bezahlen können.

Dass es ums Geld geht im heutigen Sportbetrieb, ist nichts Neues, auch in der Formel 1 war Geld schon immer eines der Hauptthemen. Selten aber war das Problem mit dem Geld so sichtbar wie am vergangenen Wochenende in Abu Dhabi.

Am Freitagabend stand Kimi Räikkönen im Fahrerlager und beschwerte sich öffentlich darüber, dass er "noch keinen Euro" bekommen habe, die Rede ist von insgesamt 17,15 Millionen Euro, die ihm sein Team Lotus schulden soll; er sei nur nach Abu Dhabi gekommen, um sich mit dem Team zu einigen, sagte Räikkönen. Kurz darauf stand Sebastian Vettel im Fahrerlager und beschwerte sich öffentlich darüber, dass Nico Hülkenberg wegen fehlender Sponsoren Probleme hat, ein Cockpit für die kommende Saison zu bekommen.

Vettel sagte: "Es ist eine Schande. Er ist einer der schnellsten Fahrer hier und hat noch kein Cockpit, und man muss auch sagen, dass er bis jetzt keinen Cent bekommen hat. Das ist unglaublich." Es seien "schwere Zeiten für die Formel 1 und ihre Fahrer", sagte Vettel noch; er wünschte Hülkenberg alles Gute, "und dass er auch mal was aufs Konto bekommt".

Monisha Kaltenborn, Hülkenbergs Teamchefin bei Sauber, weicht aus, wenn man sie danach fragt; sie wolle "nicht alles kommentieren, was im Fahrerlager gesagt wird". Einen Vorwurf hat Hülkenberg dem Team bislang nicht gemacht, jedenfalls nicht öffentlich - er weiß wohl, dass der Fehler nicht bei Sauber liegt, sondern im System. Das System funktioniert so, dass die Reichen reicher werden und die Armen ärmer, Bernie Ecclestone will es so.

Wichtigere Einstellungskriterien als Talent

Er hat individuelle Verträge mit den Teams abgeschlossen, nach denen die Einkommensverteilung nicht nur ungleich, sondern auch ein bisschen willkürlich erfolgt. Und jetzt gibt es im Grunde zwei Meisterschaften: die der vier Großen, Red Bull, Ferrari, Mercedes und McLaren, und die des Rests. Seit die Formel 1 in ihrer jetzigen Zusammensetzung fährt, seit 2010, wurden bis einschließlich Abu Dhabi am vergangenen Wochenende 75 Rennen ausgetragen. Nur drei Mal gewann ein Team außerhalb der vier Großen, zweimal war es Lotus mit Kimi Räikkönen, einmal Williams mit Pastor Maldonado.

Am Sonntag gewann mal wieder Sebastian Vettel, es war sein siebter Sieg nacheinander und sein elfter in dieser Saison, in der er bereits als Weltmeister feststeht. Am späten Sonntagabend ging es im Fahrerlager aber dann nicht nur um diesen Sieg, natürlich nicht. Im Fahrerlager war ja auch Mansoor Ijaz, er ist Amerikaner mit pakistanischen Wurzeln und Chef des Investorenkonsortiums Quantum; seit Juni ist bekannt, dass Quantum mit dem finanziell angeschlagenen Lotus-Team verhandelt.

Am Montagmorgen zitierte das seriöse britische Fachmagazin autosport Ijaz: Der Deal stehe kurz vor dem Abschluss, Quantum werde womöglich noch in dieser Woche 35 Prozent des Teams übernehmen, mit Option auf mehr. Die Schulden würden bezahlt, die Mitarbeiter auch, und Kimi Räikkönen sowieso.

Und, übrigens: Er habe der Teamleitung "sehr deutlich klargemacht", dass er wünsche, dass Nico Hülkenberg den zu Ferrari wechselnden Räikkönen ersetze. Der Vertrag sei bereits fertig, "ich denke, es wird nicht mehr lange dauern, bis alles fixiert ist". Er halte den 26 Jahre alten Deutschen für einen Fahrer mit einer sehr vielversprechenden Zukunft.

Für Nico Hülkenberg ist das eine ausgesprochen gute Nachricht, aber noch will er dazu nichts sagen, nicht, bevor die Verträge tatsächlich unterschrieben sind. Er hat ja schon einmal erlebt, wie schnell man in der Formel 1 seinen Job los sein kann: 2010 musste er Williams trotz guter Resultate verlassen, weil das Team lieber Pastor Maldonado verpflichtete. Maldonado hat einen zahlungskräftigen persönlichen Sponsor, Hülkenberg nicht, und zahlungskräftige Sponsoren sind für die meisten Teams gezwungenermaßen ein wichtigeres Einstellungskriterium als Talent. 2011 war Hülkenberg Testfahrer.

2012 fuhr er bei Force India, ehe er zu Sauber wechselte. Sollte die Sache mit Lotus nun doch nicht klappen, ist für ihn wohl auch Force India wieder eine Option für die kommende Saison, die beiden Parteien sollen ebenfalls in Verhandlungen sein. Ob das aber eine gute Option ist für Hülkenberg, ist zu bezweifeln. Force India, so erzählt man sich in der Branche, schuldet Nico Hülkenberg noch Geld.

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