Formel Eins:Zwei Fehler zu viel

Michael Schumacher patzt erneut: Sein Ferrari-Teamkollege Felipe Massa gewinnt in der Türkei vor Fernando Alonso, der seinen Vorsprung auf zwölf Punkte ausbaut.

René Hofmann

Es kommt selten vor, dass sich der Sieger eines Formel-1- Rennens als Erstes entschuldigt, wenn er über die Ziellinie kommt. In Istanbul war es so. Kurz hinter der karierten Flagge meldete sich Felipe Massa am Ferrari-Funk: "Tut mir Leid für Michael." Sein Teamkollege Michael Schumacher versuchte da gerade noch verbissen, an Fernando Alonso vorbei auf Rang zwei zu kommen. Vergeblich.

Der Renault-Pilot blieb vor der Ferrari-Größe und stahl ihr so wieder einmal die Show. "Ich bin glücklich, die halbe Nase vorn behalten zu haben", freute Alonso sich. "Dieser zweite Platz schmeckt süßer als jeder Sieg", frohlockte sein Technikchef Pat Symonds. Michael Schumacher hatte dagegen Mühe, sich am Ende des Nachmittags noch zwei positive Äußerungen abzuringen.

Er entschied sich für die größtmöglichen Unverfänglichkeiten: "Ein schöner Zweikampf." Und: "Glückwunsch an Felipe." Zwei Fahrfehler von Schumacher und das Safety Car bescherten dem 25-jährigen Brasilianer in seinem 66. Grand Prix den ersten Sieg.

Turbulenter Start

Die Chance auf den besten Startplatz hatte Michael Schumacher schon am Samstag vergeben, weil er sich im ersten Versuch, eine schnelle Runde auf frischen Reifen zu drehen, einen Patzer erlaubte. Beim zweiten Versuch ließ er es daraufhin eine Nuance sicherer angehen, was Massa in die günstigste Ausgangsposition schlüpfen ließ. Von dort aus wurde er Zeuge eines ungewöhnlich turbulenten Starts.

Fernando Alonso schob sich von Startplatz drei aus neben Michael Schumacher. In der ersten Kurve wollte der Titelverteidiger jedoch keine Kollision riskieren. Als Schumacher entschlossen anbrauste, zog Alonso klug zurück und ließ seinen WM-Rivalen vorbei. Giancarlo Fisichella musste ausweichen, was seinen Renault quer stehen und ein hübsches Durcheinander verursachen ließ.

Nick Heidfeld (BMW) verlor seinen Frontflügel, Kimi Räikkönen (McLaren) wurde in einen Auffahrunfall verwickelt. Ralf Schumachers Dienst-Toyota bekam ebenfalls einen Schlag ab; Rang sieben - mehr war deshalb am Ende für ihn nicht möglich. Für Vitantonio Liuzzi kam die Enttäuschung wenig später.

In der 15. Runde drehte der Italiener sich in Kurve eins und würgte seinen Toro Rosso ab. Um den Streckenposten die Gelegenheit zu geben, das Auto von der Bahn zu schleppen, sammelte das Safety Car das Feld ein. Führender zu dieser Zeit: Felipe Massa. Michael Schumacher lag sechs Sekunden vor Fernando Alonso auf Rang zwei. Als das Safety Car auf die Strecke bog, bestellten die meisten Teams ihre Fahrer zum Stopp ein.

Vorfahrt für Massa

Weil die beiden Ferraris dicht hintereinander vor die Box rollten, musste Schumacher warten, bis Massa abgefertigt war, was Alonso nutzte, um sich an ihm vorbei auf den zweiten Platz zu schieben. Blitzschnell wendete sich das Kräfteverhältnis so wieder.

Genervt grummelte Schumacher nach dem Rennen am RTL-Mikrofon auf die Frage "Hätte man in der Safety-Car-Phase nicht so reagieren können, dass Sie nicht hätten warten müssen?": "Das hätte man sicher tun können. Aber Felipe hatte so die Chance, das Rennen verdient zu gewinnen." Gefallen haben dürfte ihm die Entscheidung trotzdem ganz und gar nicht.

Je mehr sich das WM-Duell zuspitzt, desto wichtiger wird jeder Punkt. Michael Schumacher versuchte viel. In Runde 30 geriet er in der lang gezogenen Linkskurve Nummer acht neben die Strecke. Die Aktion kostete ihn 4,7 Sekunden und die Chance, bei der nächsten Tankrunde wieder vorbeizuziehen. Alonso bekam nach der Aktion prompt ins Cockpit gefunkt: "Michael hat wohl Reifenprobleme."

Die hatte er tatsächlich. Der schwer betankte Ferrari war kaum zu bändigen, weil die Gummiwalzen an den Hinterrädern Blasen warfen. Ferrari-Technikchef Ross Brawn nahm den wichtigsten Angestellten der Firma in Schutz: "Michael hat wirklich alles gegeben."

Beim Rennen zuvor in Ungarn hatte er das auch schon. Dort war Schumacher mit dem zartbitteren Ehrgeiz aufgefallen, auch weit überlegene Rivalen nicht vorbei zu lassen. In Istanbul war es in der Fahrerbesprechung deshalb zu einigen Wortwechseln gekommen, angezettelt von Pedro de la Rosa. Der Montoya-Ersatz von McLaren wollte wissen, ob eine Schikane eine verbindliche Vorschrift sei, wo die Fahrbahn verläuft.

Hintergrund: In Budapest hatte Schumacher vor ihm einige Male eine Kurve geschnitten. Jarno Trulli forderte angeblich eine Mauer, in die Schumacher beim nächsten Mal fahren könne. Der Angeklagte sagte darauf bloß: "Die anderen hatten eine Diskussion. Ich bin ruhig geblieben."

Gelassenheit - das zählt ansonsten nicht unbedingt zu Schumachers Stärken. Auch in Istanbul hätte er den Erfolg gerne mit der Brechstange zu sich gezwungen. Als Massa und Alonso zu ihren zweiten Boxenstopps abbogen, hatte Michael Schumacher noch Benzin für einige Runden. Er drehte deutlich auf. Doch der Abstand war zu groß. Fünfzehn Runden vor dem Ende erledigte er seinen finalen Stopp und kehrte 0,988 Sekunden hinter Alonso auf die Strecke zurück.

Direktes Duell der Konkurrenten

Keine Taktik, kein Geplänkel - es kam zum direkten Duell zwischen den beiden. Runde für Runde rückte der siebenmalige Weltmeister näher an seinen Nachfolger heran. Einmal kamen die beiden sich so nahe, dass sich beinahe ihre Räder berührten. Vorbei aber kam Schumacher nicht. Anders als er blieb Alonso fehlerlos und vorne, was ihm vier Rennen vor Saisonschluss in der WM-Wertung nun zwölf Punkte Vorsprung beschert.

"Wir hatten Glück mit dem Safety Car und dass Michael einen Fehler gemacht hat", gab Alonso zu. "Ein Fahrer hat das Wochenende vergeigt, der andere hat es gerettet - fürs Team ist das gut", sagte Schumacher. Zu seiner Zukunft äußerte sich ein anderer.

Bernie Ecclestone startete eine Interview-Offensive. Premiere, RTL, Welt am Sonntag - allen, die es hören wollte, sagte der Vermarkter: "Die Formel 1 wird auch nach Schumacher leben!" Wer will, kann darin ein Indiz sehen, dass der 37-Jährige seine Karriere beendet. Beim Italien-Grand-Prix in zwei Wochen will Schumacher seine Entscheidung verkünden.

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