Formel 1:Ein kleines bisschen mehr

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Auch dank des zweiten Platzes von Nick Heidfeld in Spa hat sich BMW gesteigert, aber das Ziel verfehlt, aus eigener Kraft Siege einfahren zu können.

René Hofmann

Die Trophäen, die bei der Formel 1 die besten drei erhalten, sind bei jedem Rennen anders. Beim ersten Valencia-Grand-Prix Ende August gab es futuristische Gebilde aus Metall und Glas, entworfen vom bekannten Architekten Santiago Calatrava. Kosten pro Stück: 25.000 Euro. In Spa-Francorchamps sah das an diesem Sonntag etwas anders aus. Das Rennen auf der belgischen Piste vermarktet Formel-1-Impresario Bernie Ecclestone selbst. Und der spart. Auch an den Pokalen war das zu erkennen. Der Fuß aus einer günstigen Edelholzattrappe, der Kelch aus billigem Blech, dazu ein Plastikschildchen mit der Platzierung - viele Menschen lassen sich damit nicht beeindrucken. Die Mannschaft von BMW-Sauber hat das Stück, das Nick Heidfeld mit ins Motorhome brachte, trotzdem gerne entgegengenommen. Noch lange nach dem Rennen prangte es voller Stolz aufgebaut am Eingang der mobilen Heimstatt.

Nick Heidfeld belegte beim Grand-Prix in Belgien Platz zwei. (Foto: Foto: Reuters)

Zweiter. "Das ist eine schöne Entschädigung für viele Handicaps", fand Sportchef Mario Theissen. Zustande gekommen war die gute Ernte dank eines Strategiestreichs. Als zwei Runden vor dem Ziel wie zwanzig Minuten zuvor angekündigt, ein Schauer über der Piste niederging, funkte Heidfeld den für ihn zuständigen Ingenieur am Kommandostand an und wünschte sich Regenreifen. "Riskant", fand das Chef Theissen, der mithörte, sich aber nicht einmischte. Viel konnte Heidfeld ja eh nicht mehr verlieren.

Wie Litfaßsäulen stehen gelassen

Kurz nach dem Start hatte er ein Getümmel umkurven müssen. Das hatte ihn ebenso wie seinen Teamkollegen Robert Kubica weit zurückgeworfen. "Als ich aus der Box kam, habe ich weit und breit kein Auto gesehen. Da dachte ich schon, Mann, das war die falsche Entscheidung", gab Heidfeld sein Erlebnis hinterher wieder. Doch der erste Eindruck täuschte. Mit den passenden Reifen war er so schnell, dass er den Konkurrenten schnell näher kam und die stehenließ wie Litfaßsäulen. Fünf in einer Runde - eine solche Überholbilanz ist selten. "Ein phantastisches Rennwochenende", frohlockte Heidfeld.

Ähnlich euphorisch hat er schon lange keine Rennstrecke mehr verlassen. Trotz drei zweiter Plätze war er zuletzt arg in Bedrängnis geraten. Teamkollege Kubica ließ ihn in der Qualifikation regelmäßig langsam aussehen. Heidfelds Problem: Er hat mit seinem runden Fahrstil Mühe, die Einheitsreifen auf Temperatur zu bringen. "So eine Situation hatte ich in meiner Karriere noch nie", gibt er unumwunden zu. Zuletzt hat er viel über Telemetriedaten gegrübelt und mit seinen Mechanikern oft an der Abstimmung getüftelt. "Das kostet Zeit. Der Aufwand, den ich in den Job stecke, ist in diesem Jahr viel größer als im vergangenen, als alles einfach gelaufen ist", sagt Heidfeld.

Noch hat BMW nicht verkündet, wer 2009 die weiß-blauen Wagen lenken darf. Kubica gilt als gesetzt, aber nicht mehr langfristig gebunden. Für 2010, so ist zu hören, möchte er gerne frei sein. Fernando Alonso gilt als Kandidat fürs zweite Cockpit. In Spa tauchte das Gerücht auf, der Spanier habe sich mit dem Münchner Konzern bereits auf einen Mehrjahreskontrakt geeinigt. Dann wäre Heidfeld wohl draußen. Sport- und damit Fahrer-Personalchef Theissen reagiert inzwischen leicht genervt, wenn er auf die Chauffeurfrage angesprochen wird. Dabei hat er die Geister selbst beschworen - mit der Ankündigung, im Sommer sollte klar sein, wen er 2009 beschäftigt. Der Termin ist inzwischen verschoben. Der neue heißt: bis Saisonende. Das ist am 2.November.

Das Ziel verfehlt

Zeit für die Zukunftsplanung bleibt. Die Ziele, die sich das Team für dieses Jahr gesteckt hat, hat es erreicht. In Kanada gab es den ersten Sieg. In Belgien kletterte der Punktestand in der Konstrukteurswertung dank Heidfelds Podest- und Kubicas sechstem Platz nach 13 Rennen auf 107. Im vergangenen Jahr hatte die Equipe in 17 WM-Läufen 101 Zähler gesammelt. Ferrari kommt derzeit auf 131 Punkte, McLaren-Mercedes hat 119. "Wenn wir uns in dieser Region halten, kann man von drei Top-Teams sprechen, das war unser Ziel", sagt Theissen.

Mit 58 Zählern ist Robert Kubica in der Fahrerwertung als Dritter noch in Schlagdistanz zu Ferrari-Pilot Felipe Massa (74 Punkte) und McLaren-Mann Lewis Hamilton (76). Dass der Pole um den Titel mitkämpfen kann, glaubt trotzdem kaum jemand. Nicht einmal er selbst. Seit Sommer, klagt Kubica, "sind wir im Renntempo nicht näher an die zwei Teams vor uns herangekommen". Auch Chef Theissen gibt zu, dass einige Entwicklungswege nicht dorthin führten, wo sie hätten hinführen sollen. Der größte Sprung sei seiner Mannschaft zwischen der ersten Ausfahrt des F1.08 im Winter und dem Saisonauftakt im März in Melbourne gelungen.

Das Ziel, aus eigener Kraft Siege einfahren zu können, wurde verfehlt und inzwischen auf das kommende Jahr verschoben. Dann steht als Vorgabe im Vorstands-plan: um den Titel fahren. Um das erreichen zu können, wurde der Schwerpunkt der Entwicklung längst auf den F1.09 geschoben. Für die finalen drei Rennen in Japan, China und Brasilien wird es keine Weiterentwicklungen mehr geben. Neue Teile kommen letztmals Ende September ans Auto. Dann steht in Singapur das erste Nachtrennen an. Zu dem besonderen Anlass wird es sicher wieder sehr schöne Pokale geben.

© SZ vom 10.09.2008/mb - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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