Formel 1:Ein Hauch von Herbst

Ferraris Abwärtstrend: Erstmals in diesem Jahrtausend startet das Formel-1-Team in Monza als Außenseiter. Von René Hofmann

Sonne. 28 Grad. Schon morgens um zehn. Ein schöner Sommertag zieht auf über der Lombardei. Auf den Tribünen rutschen die Fans in den Schatten. Doch selbst auf den kühlen Plätzen bleiben Lücken. Waren in den vergangenen Jahren nicht mehr da? Am Mittwochabend hat Michael Schumacher mit einigen Kollegen in Monza Fußball gespielt. Das Fernsehen übertrug live. Der Run auf die Karten hielt sich jedoch in Grenzen. Vor einigen Monaten sah es so aus, als könne die Motorrad-WM der Formel1 bei den Einschaltquoten in Italien den Rang ablaufen. Die Gazzetta dello Sport meldet: Die Veranstalter des Grand Prix kalkulieren mit einem Zuschauerrückgang von 15 Prozent. Trotz des schönen Wetters - irgendwie umgibt ein Herbsthauch den 76. Großen Preis von Italien.

Grün, weiß, rot - das sind die Farben des Landes, und in der jüngeren Vergangenheit haben die roten Autos in der Heimat stets geglänzt. 2003 presste sich Michael Schumacher am Start waghalsig an Juan Pablo Montoya vorbei, stürmte zum Sieg und wendete damit den Titelkampf zu seinen Gunsten; zwei Wochen zuvor war er in Budapest noch überrundet worden. 2004 fiel Schumacher nach einem Dreher auf Rang 15 zurück. Trotzdem wurde er am Ende noch Zweiter hinter Rubens Barrichello, der bei seiner Fahrt durchs Feld der Welt die gigantische Überlegenheit der Scuderia Ferrari vorführte. Die hat im aktuellen Millennium viermal in Monza gewonnen. Dieses Mal jedoch kommt sie mit bescheidenen Zielen. Teamchef Jean Todt erwartet "einen weiteren schwierigen Grand Prix". Michael Schumacher schreibt sich "eine Außenseiterrolle" zu.

Letzte Chance für Schumacher

Bei den Tests auf der Strecke fuhren die Ferraris zuletzt hinterher. Auch das Training am Freitag lief schlecht. Am Nachmittag schleuderte Schumacher von der Strecke, zuvor hatte er sich mehr als eine Sekunde Rückstand auf die Besten eingehandelt. Bleibt das so, wird er am Sonntag überrundet. Ob sich die Verhältnisse über Nacht ändern können? "Ohne Regen nicht", sagt Schumacher. Die Wettervorhersage: Samstag - diesig. Sonntag - sonnig. Kommt Fernando Alonso vor Schumacher ins Ziel, verliert der die letzte Chance, seinen Titel zu verteidigen. In der Konstrukteurswertung sieht Teamchef Todt lediglich noch einen "Hoffnungsschimmer". Hinter Renault und McLaren wird Ferrari dort als Dritter geführt. "Unser Ziel muss es sein, das zu halten", sagt Todt. Konsolidieren ist derzeit ein wichtiges Wort für ihn.

Nach vielen makellosen Jahren unterliefen dem Rennstall 2005 viele Fehler: Sein Vorjahreswagen war zu Saisonbeginn nicht schnell genug, der F2005 bei den ersten Ausfahrten zu fragil. Die Entscheidung, sich als einziges Top-Team auf Reifen von Bridgestone zu verlassen, war falsch. In Imola, nach den Rennen in Nordamerika, in Budapest - dreimal dachte das Team, die Probleme gelöst und den Anschluss gefunden zu haben. Dreimal endete die nächste Wettfahrt enttäuschend, so dass sich die Vermutung aufdrängt, das schwache Jahr sei mehr als ein Ausrutscher: ein Trend. Dass es Spekulationen über Michael Schumachers Zukunft geben würde, war abzusehen. Bemerkenswert ist die Unruhe, die das Gerücht auslöste, er liebäugele mit McLaren-Mercedes.

"Ich bin sehr glücklich, ein Ferrari-Fahrer zu sein. Ich habe schon oft gesagt, dass ich im kommenden Jahr entscheide, ob ich meinen Vertrag verlängere", teilte Schumacher umgehend mit. Das Team beeilte sich zu versichern, der Absatz seiner Sportwagen laufe trotz der Krise auf der Rennstrecke vorzüglich, Philip Morris bleibe trotz des Tabakwerbeverbots in Europa als Geldgeber treu und im Schatten von Chefdesigner Rory Byrne, Technikchef Ross Brawn und Teamchef Jean Todt seien genügend schlaue Köpfe gereift, die deren Werk weiterführen könnten. Byrne scheidet Ende 2006 aus, dann enden auch die Verträge von Todt, 59, und Brawn, 50. Bis zum Frühjahr müssen sich die beiden überlegen, wie es weitergeht. Die Entscheidung wird auch den Entschluss des dann 37-jährigen Schumachers beeinflussen.

Die Fans bleiben Ferrari immer treu

Felipe Massas Kontrakt gilt lediglich für ein Jahr. Über 2006 hinaus ist in Maranello noch ziemlich wenig geregelt. Kimi Räikkönen soll die Zusicherung haben, sich dann einen roten Overall überstreifen zu dürfen. Motorrad-Weltmeister Valentino Rossi lieferte auf einigen Testrunden passable Zeiten ab und soll deshalb noch einige Male zum Üben kommen dürfen. Klare Weichenstellungen sehen anders aus. Vieles bleibt im Vagen, wirkt im Schwange. Wollen es die Routiniers noch einmal wissen, oder geht ihre Epoche zu Ende? Kommt ein goldener Herbst, ein früher Winter? Aus ihren Äußerungen lässt sich wenig schließen. "Ferrari wird wieder siegen, das sind wir unseren Fans schuldig. Wir garantieren Einsatz und Motivation", sagt Todt. Schumacher sagt: "Ferrari hatte 21 Jahre lang keinen Erfolg. Trotzdem standen die Fans hinter uns und haben die Highlights gefeiert. Ich hoffe, dass wir daran wieder anknüpfen können. Hier wahrscheinlich nicht, aber es gibt ja auch noch die Zukunft."

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