Formel 1:Die verrückte Jahreszeit

Die Formel-1-WM ist in vollem Gange - doch längst verhandeln die Rennställe über ihr Personal für 2010. Vor allem Ferrari könnte einen Domino-Effekt auslösen.

René Hofmann

Der nächste deutsche Kandidat für einen Platz in der Formel 1 heißt Nico Hülkenberg. Der 22-Jährige aus Emmerich hat jüngst vier Rennen der Nachwuchsklasse GP2 gewonnen und einen bekannten Manager: Willi Weber. Der 67-Jährige hat einst Michael Schumacher groß herausgebracht. Weber weiß, wie die Branche tickt, und so hat er vor dem Großen Preis von Belgien an diesem Wochenende in Spa-Francorchamps seinen Klienten nicht zufällig ins Gespräch gebracht. "Wenn Ferrari uns fragt, würden wir nicht nein sagen", sagte Willi Weber, der schon immer gerne so getan hat, als würde er mit dem Piloten ins Cockpit klettern, der Zeitschrift Sportbild.

Formel 1

Jenson Button scheint davonzulaufen - doch der Brite hat sein Cockpit für die kommende Saison sicher.

(Foto: Foto: dpa)

Ferrari hat ein Problem. Luca Badoer, der den verletzten Felipe Massa vertreten darf, fuhr beim Europa-Grand-Prix in Valencia erst gnadenlos hinterher, dann fuhr er auf dem Weg aus der Box auch noch zur Seite, als ein noch Langsamerer kam, und schließlich passierte er sogar noch verbotenerweise eine durchgezogene Linie. Stellt sich der 38-Jährige in Belgien erneut ähnlich ungeschickt an, wird ihn Ferrari sehr wahrscheinlich ablösen. Der 36 Jahre alte Giancarlo Fisichella gilt als Ersatz-Kandidat, Hülkenberg wäre es gerne.

Was beide eint: Sie besitzen Arbeitsverträge, die sich mit etlichen Euros wohl lösen ließen. Fisichella ist beim Hinterbänkler-Team Force India beschäftigt, Hülkenberg neben seiner GP2-Verpflichtung als Testfahrer an den britischen Formel-1-Rennstall Williams gebunden. Sein dortiger Chef sieht allerdings auch, dass eine Beförderung ansteht. "Ich denke, Nico ist reif für die Formel 1", sagt Frank Williams, was übersetzt so viel heißt wie: Für eine Ablöse würde ich ihn ziehen lassen.

Der Sommer ist traditionell die Jahreszeit, in der in der Rennserie viel zwischen den Zeilen gelesen wird. Silly season heißt die Zeit in England, wo die meisten Rennställe residieren: die verrückte Jahreszeit. Wenn die Tage am längsten sind, wird verabredet, wer im folgenden Jahr in den Autos sitzt. Anfang September, beim Großen Preis von Italien in Monza, gibt dann meist Ferrari seine Wahl bekannt - und das zieht eine Kettenreaktion nach sich.

So könnte es auch in diesem Jahr kommen. "Wir alle wissen, dass Fernando Alonsos Wechsel zu Ferrari einen Dominoeffekt haben wird. Dadurch wird sich der Markt öffnen", sagte McLaren-Chef Martin Whitmarsh vor kurzem der BBC. Auch wenn aus Maranello prompt ein Dementi kam: Dass es den Spanier, der in den Jahren 2005 und 2006 den Titel einfuhr, nach Italien zieht, gilt als sicher. Die Preisfrage lautet nur: Kommt er 2010 schon? Oder doch erst 2011? Begleitet dürfte er von der Bank Santander werden, die derzeit noch als Sponsor bei McLaren auftritt.

Der Ferrari-Sitz ist am begehrtesten. Im traditionsreichsten Team unterzukommen, gilt nach wie vor als besonderes Privileg. Offiziell hat Ferrari fürs kommende Jahr aber gar keinen Bedarf: Sowohl Kimi Räikkönen, 29, wie auch Felipe Massa, 28, besitzen noch gültige Arbeitsverträge. Ob der Brasilianer nach seinem Unfall in Ungarn aber wieder so stark zurückkehrt, wie er zuvor war, ist ungewiss. Und Räikkönen wurde zuletzt so leidenschaftlich beim Rallye-Üben gesehen, dass Gerüchte keimen, er würde gerne die Disziplin wechseln.

Sicher frei ist hingegen ein Platz in einem anderen Top-Team: Der Finne Heikki Kovalainen konnte bei McLaren-Mercedes zuletzt nicht das Tempo mitgehen, das Lewis Hamilton vorgab. Seine Ablöse steht an, und es ist ein kaum gehütetes Geheimnis, dass 40-Prozent-Teilhaber Mercedes endlich gerne einen Deutschen im Silberpfeil sehen würde. Mit Michael Schumacher hat das einst nicht geklappt. Und mit Sebastian Vettel wird es nun vorerst auch nichts werden. Der 22-Jährige ist frühestens 2012 zu haben. So lange gilt sein neuer Kontrakt, auf den er sich mit seinem aktuellen Arbeitgeber Red Bull einigte. An seiner Seite wird 2010 erneut Mark Webber zu sehen sein. Anders als Vettel erhielt der 32 Jahre alte Australier aber bloß einen Einjahres-Vertrag.

An der Laufzeit und am Honorar lässt sich erkennen, wie hoch ein Fahrer gehandelt wird. Gut im Kurs steht aktuell Nico Rosberg. Sieben Punkteplatzierungen in Serie für Williams haben dem 24-Jährigen einige Optionen in die Hände gespielt. Er kann bei Williams bleiben oder zu McLaren-Mercedes gehen. Beide Wege weisen aber Unwägbarkeiten auf. Bei Williams ist ungewiss, ob das Privatteam mithalten kann. Bei McLaren-Mercedes hat Lewis Hamilton sich als Weltmeister eine nicht zu unterschätzende Hausmacht aufgebaut. "Die Entscheidung ist schwierig", sagt Rosberg.

Zerschlagen hat sich für ihn wie für einige mehr eine andere Option, die etwas gewagter gewesen wäre, langfristig aber auch Erfolg hätte versprechen können: BMW. Der Rückzug des Münchner Konzerns zum Saisonende vernichtet zwei attraktive Arbeitsplätze und sorgt zudem für ein erhöhtes Angebot auf dem Fahrermarkt: Auch Nick Heidfeld, 32, und Robert Kubica, 24, müssen nun schauen, wo sie bleiben dürfen.

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