Formel 1:Der Sieg des Honigdachses

Daniel Ricciardo fährt chirurgisch präzise zum Sieg, Lewis Hamilton macht den Fehlstart perfekt und Niki Lauda stellt im Fall Verstappen die Intelligenzfrage. Die Geschichten des Formel-1-Wochenendes.

Von Elmar Brümmer

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Daniel Ricciardo

F1 Grand Prix of China

Quelle: Getty Images

Ach ja, immer die Reifen. Darauf könnte man den - erst - sechsten Grand-Prix-Sieg von Daniel Ricciardo prima schieben. Wäre auch nicht ganz so falsch. Aber im Gegensatz zur Brachialtaktik seines Red-Bull-Kollegen Max Verstappen ging der Australier bei der Vielzahl seiner Überholmanöver von Startrang sechs bis ganz nach vorn eher chirurgisch vor, wie sein Teamchef Christian Horner lobend anmerkte. "Ich kann scheinbar keine normalen Rennen gewinnen", analysierte der Mann, den sie den "Honigdachs" nennen - nach einem kleinen Tier, das für seine Furchtlosigkeit bekannt ist. Auf dem Ricciardos Helm prangt die Warnung: "Ich werde mich nicht entschuldigen." Auch nicht für die Zeremonie, die unter Podiumsgästen als "Shoey" gefürchtet ist - ein Schluck Siegeschampagner aus dem getragenen Rennschuh. In Shanghai hat er dabei noch mehr gegrinst als sonst: "So ein Sieg ist 50 schlechte Rennen wert." Richtig angestoßen hat er später mit seinen Mechanikern. Sie waren die eigentlichen Helden, nicht nur beim siegbringenden Boxenstopp während der Safety-Car-Phase, sondern vor allem durch ihre Akkordleistung vom Samstag, als sie zwischen Training und Qualifying den ausgebrannten Turbolader wechselten.

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Max Verstappen

F1 Grand Prix of China

Quelle: Getty Images

Der Schlagabtausch mit Lewis Hamilton samt Schimpftirade des Weltmeisters und anschließender Aussprache war noch keine Woche her, da ergriff Max Verstappen die Chance, sich noch unbeliebter zu machen. Sebastian Vettel konnte den Niederländer, wie er selbst ein Ausnahmetalent, noch nie richtig leiden. Der Große Preis von China hat die Beziehungen nicht unbedingt verbessert. Mad Max, seinem Spitznamen gerecht werdend, drehte sich beim überoptimistischen Überholversuch in den Ferrari. "Ich muss dazu wohl nix sagen", stöhnte Vettel über Boxenfunk. Nach dem Rennen, als Verstappen mit zehn Sekunden Zeitstrafe auf den fünften Platz sackte, kamen die beiden ins Gespräch. Und der 20-Jährige zeigte eine ganz neue Seite - so etwas wie Reue: "Ich bin sauer auf mich selbst. Ehrlich gesagt, dass war ziemlich Sch.... Es war natürlich meine Schuld, ich hätte noch eine Runde warten müssen." Niki Lauda hat keine Geduld mehr: "Normalerweise wächst man mit seinen Fehlern. Er wird nur kleiner. Das scheint mir auch eine Intelligenzfrage zu sein."

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Lewis Hamilton

F1 Grand Prix of China

Quelle: Getty Images

Dritter Anlauf, wieder kein Sieg, weit weg von der Pole-Position. Vierter, wie undankbar. Mal wieder sieht es so aus, als hätte der Champion die Lust verloren. Das glaubt auch sein ehemaliger Adjutant Nico Rosberg, der aber auch warnt: "Er hat immer wieder solche Phasen - und kommt meistens stärker zurück." Irgendwie, lamentiert der Brite in China, wo ihm die Strecke für gewöhnlich ganz besonders gut liegt, habe er übers Wochenende seine Form verloren. Das Rennen bezeichnete er wahlweise als "Desaster" oder als "Fahrt ins Niemandsland". Der eh schon schlecht gelaunte Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff befindet, dass der PS-Held nicht in bester Form sei, "ganz wie sein Auto". Panik darf nach dem - an den eigenen Möglichkeiten gemessenen - Fehlstart in die Saison nicht aufkommen: "Er ist für mich der beste Fahrer von allen. Aber auch die besten haben mal Tage, an denen sie nicht hundertprozentig liefern. Ein Auto, das nicht so stark ist wie erwartet, Reifen, die nicht tun was man will, und dann läuft auch noch die Strategie gegen einen..." Der Ex-Rennfahrer Wolff ahnt, was Hamilton plagt. Immerhin: der Rückstand in der WM-Wertung auf Vettel liegt nur noch bei neun Punkten.

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Valtteri Bottas

F1 Grand Prix of China

Quelle: Getty Images

Kurz vor Renn-Halbzeit in Shanghai bekommt der Spitzenreiter im Silberpfeil seine Genugtuung für den hauchdünn verlorenen Grand Prix in der Woche zuvor in Bahrain. Da hatte es der Finne lediglich auf einen Überholversuch in der letzten Runde gegen den Sieger Sebastian Vettel gebracht, und den werten die meisten im Fahrerlager als halbherzig. Aber als Bottas zur Halbzeit in Shanghai in Führung liegt, dazu in seinem 100. Formel-1-Rennen, da ist er wer. Bis das Glück zu Red Bull wechselt, und er am Ende zwar auf dem Podium steht, aber sich wie Daniel Ricciardo die Augen reiben muss. Allerdings kaum aus Rührung, eher vor Zorn: "Das ist die pure Enttäuschung. Es fühlt sich einfach nicht wie ein gewonnener zweiter Platz an, sondern wie ein verlorener Sieg." Dass er 40 Runden auf den Medium-Reifen gedreht hatte, und gegen die frischen Red-Bull-Pneus chancenlos war - wer wird das denn nach dem Rennen noch wissen? "Zweimal hintereinander fast gewonnen zu haben, ist echt ein schlimmes Erlebnis", sagt er über seine Frust-Woche.

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Sebastian Vettel

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Quelle: AFP

Den 50. Sieg der Karriere greifbar nah, mit einem Überschuss an Selbstvertrauen von einer brillanten letzten Runde in der Qualifikation. Mit einem Hattrick in die Saison starten, das wäre das Optimum und würde dem großen Gegner Mercedes noch mehr zu denken geben als die Tatsache allein, dass Ferrari über den Winter die Lücke zu den Silberpfeilen geschlossen hat. Doch mit Victoria für seine Loria ist es beim ersten Boxenstopp vorbei, als die Mercedes-Strategen Ferrari foppen. Es ist die Revanche für die taktische Schlappe beim Auftaktrennen. Die Torpedo-Attacke von Max Verstappen gibt dem Heppenheimer den Rest. Er schleppt das Auto irgendwie ins Ziel, da ist viel verbogen und beschädigt: "Die Balance war weg, ich hatte Mühe, auf der Straße zu bleiben. Aber dass wir uns beim Boxenstopp vertan haben, ärgert mich eigentlich noch mehr..."

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Der Sprit

F1 Grand Prix of China

Quelle: Getty Images

Morgen tagt in Paris die Strategiegruppe der Formel 1. Die Saison hat sich bisher als Überraschungsformel erwiesen, aber der sich schon jetzt zuspitzende Dreikampf Ferrari/Mercedes/Red Bull ist keine dauerhafte Garantie für Spannung. Vor allem haben die Funktionäre es satt, sich die Klagen vieler Fahrer anzuhören, dass sie durch die Strategen häufig eingebremst werden, um entweder Reifen oder Benzin zu sparen. Letzteres soll in der kommenden Saison vorbei sein, denn es gibt einen Antrag, das Spritlimit abzuschaffen. Statt "lift & coast" also freie Fahrt. Sollte aus politischen Gründen weiterhin das Tankvolumen (bisher 105 Kilogramm) begrenzt werden, dann dürfte es zumindest großzügiger ausfallen. Effiziente Motoren werden trotzdem weiter belohnt, weil die Durchflussmenge ja begrenzt bleibt.

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Nico Hülkenberg

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Quelle: AFP

Das mit dem siebten Startplatz für den Renault-Werkspiloten aus Emmerich scheint ein Abonnement zu sein. Zum sechsten Mal in Folge startete er in Shanghai aus dieser Position. Das bedeutet aber auch, dass er das Optimum herausgeholt hat, denn Renault bleibt vierte Kraft hinter den Top Drei: "Nach vorn ist noch ordentlich Abstand, da ist Platz sieben das Beste, was wir machen konnten." Im Rennen wurde für den 30-Jährigen daraus ein sechster Rang, die Reifenstrategie und die Safety-Car-Phase zahlten sich aus. Aber auch ohne das Chaos sieht er sich und sein Team als "Best of the rest", wie er vor allem in der starken ersten Runde unter Beweis stellen konnte. Hülkenberg fordert von den französischen Technikern aber, noch aggressiver und schneller zu entwickeln - allen Risiken zum Trotz.

© Sz.de/schm/ghe
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