Formel 1:Das Wunder von Montréal

Auf wenigen Rennstrecken liegen Wagemut und Übermut, Glück und Unglück ähnlich nahe beisammen wie auf der Piste in Montréal. Das zeigte sich auch beim jüngsten Rennen - bei dem BMW-Fahrer Kubica einen Horrorunfall glimpflich überstand.

René Hofmann

Es gibt einige Rennstrecken im Formel-1-Kalender, die Dramen garantieren. Der Circuit Gilles Villeneuve auf der Île Notre-Dame in Montréal ist ein solcher. Die Geraden sind lang und gesäumt von dicken Mauern nahe an der Piste.

Formel 1; Kubica

Ärzte und Sanitäter sehen nach dem verunglückten Robert Kubica

(Foto: Foto: AP)

Mutige Piloten flirten mit der Gefahr und lassen ihre Reifen an einigen Stellen den Beton berühren. Geht es gut, sind sie die Helden. Geht es schief, sehen sie doof auf. Auf wenigen anderen Pisten liegen Wagemut und Übermut, Glück und Unglück ähnlich nahe beisammen.

Auch der Große Preis von Kanada zeigte das. McLaren-Pilot Lewis Hamilton gewann vom besten Startplatz aus souverän. Für den 22-Jährigen war es der erste Formel-1-Erfolg. Am Tag zuvor hatte er zum ersten Mal die Pole-Position erobert. Er war zuvor noch nie auf dem Kurs gefahren.

Nach sechs von 17 Rennen führt er die Fahrerwertung mit 48 Punkten an. "Für mich war es ein weitgehend einfaches Rennen", sagte Hamilton: "Ich habe mich schon seit einiger Zeit bereit für einen Sieg gefühlt."

Fernsehkameras schwenkten weg

Zweiter wurde Nick Heidfeld. Für den 30-Jährigen und sein BMW-Sauber-Team war es das beste Ergebnis in diesem Jahr. Die Freude darüber stellte sich allerdings nur langsam ein, denn das Rennen war von einem schweren Unfall des zweiten BMW-Piloten überschattet worden.

In Runde 28 fuhr der Pole Robert Kubica in einer Passage, in der die Wagen bis zu 300 km/h schnell werden, auf das rechte Hinterrad des Toyotas von Jarno Trulli auf.

Kubicas Wagen hob ab wie ein Jet und schlug im stumpfen Winkel gegen eine Betonwand. Von dort prallte der Wagen zurück, überschlug sich, rutschte auf die andere Seite der Piste, wo er gegen eine Leitplanke krachte. Erst nach einigen hundert Metern blieb das Wrack liegen.

Kubica bewegte sich nicht. Der Funk war unterbrochen. Die TV-Kameras schwenkten schnell von der Unfallstelle weg. Die Szenerie ließ das Schlimmste befürchten.

Seit dem Tod von Ayrton Senna beim Großen Preis von San Marino am 1. Mai 1994 wurde in der Formel 1 kein Fahrer mehr getötet. Auch Senna war im stumpfen Winkel gegen eine Mauer geprallt. Die Ungewissheit dauerte eine halbe Stunde.

"Wir haben doppelt gewonnen"

Dann teilten das Team, Kubicas Manager und das medizinische Zentrum der Rennstrecke übereinstimmend mit: Der 22-Jährige sei bei Bewusstsein und sein Zustand sei stabil. Kubica wurde für weitere Untersuchungen in ein Krankenhaus in Montréal transportiert. Nach Auskunft des verantwortlichen Arztes blieb Kubica von inneren Verletzungen verschont und konnte Arme, Kopf und Beine bewegen.

"Wir haben heute doppelt gewonnen", kommentierte spürbar erleichtert BMW-Teamchef Mario Theissen, "nicht nur durch das Ergebnis von Nick, sondern auch, weil Robert einen Unfall dieser Schwere relativ glimpflich überstanden hat."

Wie glimpflich, stellte sich erst nach gründlicher Untersuchung heraus: Kubica blieb praktisch unverletzt und soll diesen Montag die Klinik verlassen können.

Bis zu Kubicas Unfall war es ein vergleichsweise ereignisloses Rennen. Am Start war lediglich die silberne Eintracht zwischen den auf den besten Startplätzen postierten Lewis Hamilton und Fernando Alonso ein wenig durcheinander geraten.

Hamilton bog als Erster in die erste Kurve, dicht gefolgt von Heidfeld, der sich in den Windschatten gezwängt hatte. Für Alonso blieb auf der Ideallinie kein Platz. Der Spanier fuhr einen Bogen über die mit Gras bepflanzte Auslaufzone, bevor er als Dritter spektakulär auf die Strecke zurückrutschte.

Unglückliche Figur

Nach dem Großen Preis von Spanien, wo er mit dem Versuch gescheitert war, sich in der ersten Biegung an Ferrari-Fahrer Felipe Massa vorbeizupressen, gab der Titelverteidiger schon zum zweiten Mal in dieser Saison am Start eine unglückliche Figur ab.

Es war nicht der Nachmittag des 25-Jährigen. Immer wieder hatte er Mühe, seinen Wagen zu bändigen. Am Ende wurde Alonso Siebter und musste sich sogar von Takuma Sato im unterlegenen Super Aguri überholen lassen. Doch das war lediglich eine der Kuriositäten, welche sich nach Kubicas Unfall entspannen.

Viermal rückte das Safety Car aus. Seit diesem Jahr gelten dabei neue Regeln. Erst wenn die Führenden eingefangen sind, dürfen die Rennwagen zum Tanken und Reifenwechseln in die Box. Offenbar waren davon einige überfordert.

Alonso und Rosberg im Williams wurden bei einem Verstoß gegen die Regel erwischt und zu einem Zehn-Sekunden-Strafhalt verurteilt. Rosberg brachte das um die Chance, einen besseren Platz als den zehnten zu erreichen.

Noch schlimmer traf es Massa und Renaultfahrer Giancarlo Fisichella. Beide wurden nach der dritten Safety-Car-Phase disqualifiziert. Für Ferrari war das der Tiefpunkt eines schlechten Wochenendes.

Bereits in der Qualifikation hatten Massa und Kimi Räikkönen enttäuscht. Startplatz vier und fünf - so schlecht ging die Scuderia in diesem Jahr noch nie ins Rennen. Räikkönen wurde Fünfter hinter Renault-Fahrer Heikki Kovalainen und dem Williams-Piloten Alexander Wurz, welche die Turbulenzen auf die Plätze vier und drei spülten.

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