Formel 1:"Das war eine magische Runde"

Formel 1: Lewis Hamilton beim Qualifying in Singapur.

Lewis Hamilton beim Qualifying in Singapur.

(Foto: AFP)
  • Lewis Hamilton startet beim Formel-1-Rennen in Singapur von der Pole Position.
  • Der Brite ist hinterher sehr beeindruckt von seiner eigenen Leistung.
  • WM-Konkurrent Sebastian Vettel ist deutlich langsamer und startet von Platz drei.

Von Elmar Brümmer, Singapur

Die Hand von Lewis Hamilton wollte gar nicht mehr da weg, sie blieb das ganze Interview über wie festgeklebt auf der linken Brustseite seiner feuerfesten Rennunterwäsche liegen. Manchmal ist im Denk- und Lenksport Formel 1 das Herz wichtiger als das Gehirn. Der Titelverteidiger der Formel 1 hat ein Löwenherz. Anders ist kaum erklärlich, was sich Samstagnacht abgespielt hat in der Qualifikation zum Großen Preis von Singapur: Im ersten Abschnitt des Ausscheidungsfahrens wäre der Brite fast rausgeflogen, im zweiten hatte er sich herangekämpft. In den letzten zwölf Minuten, in denen es um alles ging, legte er im ersten Versuch eine Rundenzeit hin, die mehr als eine halbe Sekunde schneller war als die seines WM-Widersachers Sebastian Vettel.

Niemand, der auf den Zeitenmonitor am Marina Bay Street Circuit blickte, konnte das begreifen. "Woher um alles auf der Welt hat er diese Runde nur geholt", schrie daraufhin ein fassungsloser BBC-Reporter hinaus in die schwüle Nacht. Hamiltons Renningenieur brauchte ein wenig Zeit, um das gerade Geschehene einzuordnen: "Das war eine monumentale Runde, ziemlich monumental."

Zum siebten Mal in diesem Jahr steht Hamilton damit auf der Pole-Position, nirgendwo ist sie wichtiger als beim Äquator-Grand-Prix. Der Qualifikationsschnellste ist hier bislang in 70 Prozent der Fälle auch der Sieger gewesen. Vor allem aber sind die 23 langsamen Kurven die schwerste Strecke für Mercedes im ganzen Jahr. Ferrari ist der klare Favorit, Red Bull Racing ein chancenreicher Außenseiter. So ist der zweite Startplatz für Max Verstappen wie ein Sieg, das beste Qualifying im Formel-1-Leben des Niederländers. Denn auch er steht noch vor Sebastian Vettel, der als Dritter der große Verlierer im Vorgeplänkel zum Flutlichtrennen ist.

Im zweiten Abschnitt hat sich seine Scuderia mit der Reifenwahl verzockt, in der entscheidenden Phase wurde er in den Verkehr geschickt - im Schnelldurchlauf von 1:36,28 Minuten fasst sich einmal mehr die ganze Misere des Hessen und seines italienischen Teams zusammen. Zu oft in letzter Zeit hat Hamilton auf rotem Terrain Beute gemacht, allein drei der letzten vier Pole-Positionen geholt.

Hamilton war atemlos, als er aus dem Cockpit stieg, und auf der Start- und Zielgeraden seine Gefühle schildern sollte, mehr als ein "Wow, wow..." entfuhr ihm zunächst nicht. "Das war eine magische Runde, in der alles zusammengekommen ist. Mein Herz rast immer noch, ich zittere. Da gab es einfach keine einzigen Meter, auf dem ich noch etwas hätte besser machen können. Man versucht ja immer, alles, was man in den drei Trainingseinheiten gelernt hat, in diese eine entscheidende Runde zu packen. Aber in 99 Prozent der Fälle gelingt einem das nicht. Aber diesmal haben alle Teile in dem Puzzle gepasst." Es sei die beste Einzelrunde seiner Karriere gewesen, jedenfalls im Vergleich zu denen, an die er sich erinnern könne. Das will bei einem notorischen Geschichts-Verweigerer wie ihm schon etwas heißen.

Eine vergleichbare Samstagsbestzeit wie jene von Hamilton gibt es nur ein Mal

Eine bessere Qualifikationsrunde hat wohl die ganze moderne Formel 1 nicht gesehen. Da gibt es nur noch eine vergleichbare Samstagsbestzeit, die einem sofort einfällt. Vor 30 Jahren im Leitplankenkanal von Monte Carlo fuhr Ayrton Senna seinen Titelrivalen Alain Prost in Grund und Boden, deklassierte ihn um 1,4 Sekunden, um später zu gestehen, dass er sich kaum zu atmen getraut habe: "Ich bin nur nach Instinkt gefahren. Aber es war wie in einer anderen Dimension, weit über dem hinaus, was man sich erklären kann." Fast überflüssig zu erwähnen, dass der Brasilianer das Idol von Lewis Hamilton ist.

Sebastian Vettel bleibt einmal mehr der Trotz und die Hoffnung, im Rennen wieder das bessere Auto zu haben, vielleicht auch die bessere Taktik. Gute Laune kann man nicht erwarten, wenn man wie der Heppenheimer 30 Punkte in der WM-Wertung zurückliegt, aber er ist ehrlich, und einmal mehr auch sauer auf seinen Rennstall: "Ideal ist das nicht. Aber Glückwunsch an Lewis, auch wenn ich denke, dass seine Rundenzeit nicht unschlagbar gewesen ist. Aber er als Einzelner und Mercedes als Team haben einen besseren Job gemacht." Er kann nur hoffen, dass das "Rennen eine andere Geschichte" wird.

Hamiltons Vorgesetzter Toto Wolff gehörte zu jenen kopfschüttelnden glücklichen Menschen in durchgeschwitzten weißen Hemden. "Es war wohl Sternenstaub. Ich kann auch nicht erklären, was da passiert ist. Lewis ist einfach ein außergewöhnlicher Mensch und ein außergewöhnlicher Fahrer." Auf dieser Runde beinahe ein Außerirdischer.

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