Formel 1:Bittersüße Komplimente für Ferrari

Formel 1: Da ist er wieder: 14 Monate lang bekam die Welt den aus dem Cockpit gereckten Vettel-Finger nicht zu sehen. In Sepang gewann der Heppenheimer wieder.

Da ist er wieder: 14 Monate lang bekam die Welt den aus dem Cockpit gereckten Vettel-Finger nicht zu sehen. In Sepang gewann der Heppenheimer wieder.

(Foto: Jürgen Tap/API)
  • Mehr Leistung, eine bessere Aerodynamik, ein neues Gemeinschaftsgefühl: Bei Ferrari hat sich dank Sebastian Vettel viel verändert.
  • Der Umbau der Formel-1-Abteilung hat Ferrari angeblich 100 Millionen Euro gekostet.
  • Ehe die Dominanz von Mercedes durchbrochen ist, dürfte es aber noch ein Weilchen dauern.
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Von Elmar Brümmer, Sepang

An der Haltungsnote für den Siegersprung muss er noch ein bisschen arbeiten, aber Sebastian Vettel war ja auch etwas aus der Übung gekommen. Und wenn sich dann in Lust entlädt, was sich in 14 Monaten Frust aufgestaut hat, dann ist eine leichte Schieflage zu tolerieren. Denn alles andere scheint tatsächlich in der Balance zu sein nach dem Großen Preis von Malaysia, Vettels erstem Formel-1-Sieg im zweiten Rennen mit Ferrari.

"Kein guter Tag für uns, aber toll für die Formel 1", sagt Christian Horner, Vettels ehemaliger Chef bei Red Bull Racing, "das war mal wieder typisch Sebastian".

Ein bittersüßes Kompliment, denn Ferrari hat sich über den Sieg hinaus im Kräfteverhältnis in der Formel 1 als Nummer zwei hinter Mercedes etabliert. Red Bull spielt gerade keine Rolle mehr.

Vor dem Triumph von Sepang stand die Wende in Maranello. Nicht einmal ein halbes Jahr arbeiten die meisten Führungsfiguren bei Ferrari zusammen. Teamchef Maurizio Arrivabene wurde im Herbst vom Zigarettenkonzern Philip Morris geholt, er ist ein leidenschaftlicher Motivator, und er steht wie kein anderer für das italienische Element im Rennstall. Das kommt gut an - und es unterscheidet das aktuelle Team von der erfolgreichen, aber eher kühlen Reformtruppe um den Franzosen Jean Todt und den Briten Ross Brawn, die Michael Schumacher einst um sich hatte.

Vor dem Wechsel holte Vettel ausgiebig Rat ein

Der neue Motorenchef Mattia Binotto musste erst abwarten, bis sein glückloser Vorgänger Luca Marmorini im Sommer geschasst wurde. Renningenieur Riccardo Adami kam Ende des Jahres vom Talentschuppen Toro Rosso, wo er schon 2008 mit dem damaligen Formel-1-Neuling Vettel gearbeitet hatte. Chefdesigner Simone Resta ist ein Eigengewächs, aber auch er kam erst durch die Radikalkur Ende 2014 in verantwortliche Position.

Sebastian Vettel hat sich den Wechsel nach Italien gut überlegt. Den Ausschlag gab letztlich das erhoffte Familiengefühl, das er in einem Rennstall braucht. Ein Gefühl, das 2014, im ersten Jahr der Erfolglosigkeit von Vettel bei Red Bull, von merklicher Gefühlskälte abgelöst worden war. Vettel hat sich ausführlich bei Sabine Kehm, der Managerin von Michael Schumacher, nach den Ferrari-Befindlichkeiten erkundigt. Die Huldigungen vom Rennsonntag ("bella macchina") zeugen davon, dass der 27-Jährige viel verstanden hat.

Vettels Anteil am neuen Erfolgspuzzle ist, neben seinen fahrerischen Fähigkeiten, auch der Faktor Emotion. Er ist so häufig wie möglich in der Rennfabrik in Maranello, trainiert in dem Fitness-Studio, das sich in Enzo Ferraris Geburtshaus befindet, isst Pasta bei Mama Rosella, die schon Schumacher eine Art Ersatzmutter war. Der Hesse lebt Ferrari - und er lebt wie ein rasender Teamkapitän vor, dass er alles zu geben bereit ist. Das markiert den Unterschied zu seinem launischen, egozentrischen Vorgänger Fernando Alonso.

Vettels Sieg zeigt: Die Richtung stimmt

So groß wie die Erleichterung bei Käpt'n Arrivabene und Steuermann Vettel war, so groß muss sie auch beim Firmen-Präsidenten Sergio Marchionne gewesen sein. Der Manager, Branchen-Spitzname "Bull- dozer", hat für die angeblich 100 Millionen Euro, die der Umbau der Formel-1-Abteilung bereits gekostet haben soll, einen Dreijahres-Plan bis zum Titelgewinn formuliert. Seinen Angestellten aber ist klar: Das Ende der Saison 2017 ist auch das Ende des Geduldsfadens. Besser wäre, es klappt früher. Deshalb war der erste Sieg nicht nur Erleichterung; er brachte Erlösung. Weil er zeigt, dass die Richtung stimmt.

Marchionne formuliert nicht so blumig wie sein Vorgänger Luca Cordero di Montezemolo, aber seine Botschaften nach dem Sieg waren nicht minder staatstragend. Er fühle Dankbarkeit im Herzen, ließ der 62-Jährige übermitteln, für die komplette Schicht. Denn: "Was heute sichtbar wurde, das ist das Resultat unglaublich harter Arbeit der vergangenen Monate. Es wurde im Stillen und mit großer Bescheidenheit gearbeitet, was dafür spricht, dass es ein großes Team ist."

Arrivabene kennt den Unterschied zwischen Marchionne und Montezemolo ziemlich gut. Er sagt über den neuen presidente: "Auch wenn er uns keine SMS schickt - er ist näher dran, als die Leute denken. Denn er will lieber die Probleme lösen, die wir haben. Und er ist niemand, der über die Medien Druck ausübt. Deshalb glaubt das Team auch an ihn."

Ferrari will den Rückstand schrumpfen

"Es ist ein komplett anderes Spiel geworden", sagt Sebastian Vettel, "da ist noch viel, was wir erreichen wollen. Deshalb ist ein guter Start so wichtig. Jetzt müssen wir sicherstellen, dass wir weiter solche Ergebnisse abliefern. Und das geht nur mit konsequenter Weiterentwicklung."

Wer weiß schon, ob sich Mercedes je wieder dem Diktat der Fahrergleichberechtigung unterwirft und Lewis Hamilton und Nico Rosberg wie in Malaysia auf der gleichen Strategie fahren lässt? "Natürlich wäre ich gern in jedem Rennen in dieser Position", sagt Vettel über die Chance auf weitere Duelle Rot gegen Silber, "aber wir müssen realistisch bleiben. Mercedes hat zum Anfang der Saison eine große Überlegenheit an den Tag gelegt, und die löst sich nicht einfach so in Luft auf. Das ist schon noch ein Sprung, den wir machen müssen."

Mit voller Spritladung ist der Ferrari auf den Geraden auf Silberpfeil-Niveau, und das Auto geht dazu noch schonend mit den Reifen um. Der Rückstand auf Mercedes konnte über den Winter etwa halbiert werden. Das ist je zur Hälfte dem generalüberholten Motor und der effizienteren Aerodynamik zuzuschreiben. Siegfahrer Vettel ergänzt: "Dazu kommt der Glaube an das Gemeinsame, der bei uns im Vordergrund steht. Das ist das Allerwichtigste."

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