Süddeutsche Zeitung

Formel 1:Zauberflöte ohne Streicher

Formel-1-Rennen fraglich: Vietnam verschärft Einreisebedingungen, was bedeuten würde, dass Ferrari nicht teilnehmen dürfte. Und auch der Auftakt der Rennserie in Australien ist nicht gesichert.

Von philipp schneider, Hanoi/Melbourne

Startet die Formel 1 in der kommenden Woche wirklich in Melbourne in die neue Saison? Gewissheit gibt es noch nicht. Was vor allem damit zusammenhängt, dass die Entscheidung weder allein vom Automobilweltverband (Fia) noch von Liberty Media, dem Eigentümer der Motorsportrennserie, getroffen werden wird - sondern auch von Veranstaltern und Politikern in Australien. Und angesichts der täglich neuen Infiziertenzahlen zum Coronavirus Covid 19 gibt es auch täglich neue Entscheidungen.

Am Montag erst hatten die Veranstalter in Australien bekanntgegeben, sie wollten am Saisonauftakt in Melbourne am 15. März festhalten. In Vietnam, wo das dritte Rennen der Saison stattfinden soll, wurden einen Tag später die Einreisebestimmungen für italienische Staatsbürger weiter verschärft. "Reisende aus Italien" dürfen nun nicht mehr ohne Visum das Land betreten, sie müssen eine "medizinische Erklärungen abgeben und eine 14-tägige Quarantäne einhalten", bevor sie einreisen, heißt es von offizieller Seite. Diese Regelung, die auch für Touristen aus China, Südkorea und Iran gilt, die anderen Hot-Spots des Coronavirus, treffen nicht nur die Mitarbeiter der Scuderia Ferrari, zu denen auch Sebastian Vettel zählt. Auch Alpha Tauri, ehemals Toro Rosso, hat seinen Sitz in Italien. Die Teams Alfa Romeo und Haas sind ebenfalls betroffen, sie beziehen ihre Motoren von Ferrari und beschäftigen daher viele Italiener. Und die Reifen werden geliefert von der Firma Pirelli aus Italien, die ihre Pneus allerdings vor allem in der Türkei und Rumänien fertigen lässt. Ein Formel-1-Rennen ohne Italiener zu veranstalten, das dürfte unstrittig sein, ist also in etwa so sinnvoll, wie eine Aufführung von Mozarts Zauberflöte ohne Streicher. In der MotoGP, der Königsklasse der Motorradrennfahrer, wurden wegen verschärfter Einreisebestimmungen bereits die Rennen in Katar und Thailand abgesagt. Bei der Veranstaltung für Zweiräder stammen freilich sogar sechs von elf Teams aus Italien.

Die Frage ist allerdings auch, ob ein Italiener, der schon seit Wochen nicht mehr in Italien war, sondern nach Aufenthalten in Melbourne und Bahrain weiter nach Vietnam fliegt, noch als "Reisender aus Italien" gilt?

"Bevor wir aufbrechen, brauchen wir Garantien", hat Vettels Teamchef Mattia Binotto zum Ende der offiziellen Testfahrten in Barcelona gefordert. "Wir dürfen nicht erst bei der Ankunft entdecken, wie die Situation sein kann oder sein wird. Wir müssen unsere Angestellten schützen. Wir tragen Verantwortung sowohl für jeden einzelnen als auch für alle zusammen." Die Organisatoren des Rennens in Bahrain haben am Dienstag ebenfalls gehandelt und sämtliche Mitglieder der Formel-1-Reisegruppe um detaillierte Angaben gebeten. Sie möchten wissen, wer in einem Zeitraum von 14 Tagen vor Ankunft im Inselstaat in Ländern mit vielen Coronavirus-Fällen gewesen ist. Nur in Melbourne soll am 15. März ohne Auflagen gefahren werden. Das ist zumindest der aktuelle Stand. Unter dem Eindruck des Coronavirus hatte die Fia den für den 19. April geplanten Großen Preis von China schon zuvor abgesagt. Der Grand Prix in Shanghai war eigentlich als vierter der 22 Saisonläufe geplant gewesen und soll nun zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt werden. Vietnams Hauptstadt Hanoi, wo das Rennen stattfinden soll, liegt nur rund 150 Kilometer von der Grenze zu China entfernt. Für Vietnam ist der Grand Prix aber auch ein wichtiges Marketing-Event, an dem das Land so lange wie möglich festhalten will. "Wie wird die Situation sein, wenn vier Teams nicht fahren können?", fragte Binotto. Es war eine eher rhetorische Frage. Und Chase Carey, der Vorsitzende der Formula One Group, meinte: "Wir bereiten uns weiter so vor, dass wir die geplanten Rennen durchführen können. Aber wir sind uns bewusst, dass weitere Hürden auf uns zukommen könnten."

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SZ vom 04.03.2020
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