Formel 1:Wie mit Schmetterlingsflügeln

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Sein zweiter Sieg in dieser Saison - noch dazu mit der schnellsten Runde: McLaren-Pilot Lando Norris feiert in Zandvoort. (Foto: Mark Thompson/Getty)

Beim Heimrennen von Max Verstappen setzt sich Lando Norris mit großem Abstand vor dem Weltmeister durch. Während McLaren sich weiter als Titelkonkurrent positioniert, gehen die Probleme für Red Bull weiter.

Von Anna Dreher

Runde um Runde brachte Lando Norris mehr Abstand zwischen sich und Max Verstappen. So mühelos ist dem Briten diese Sonntagsfahrt gelungen, dass er sich zwischendurch wie in einer Simulation vorgekommen sein musste – oder sich zumindest gefragt haben dürfte, ob das hier gerade passierte. Aber ja, es passierte wirklich. Dem 24-Jährigen unterlief kein Fehler, sein McLaren versagte ihm nicht den Dienst, kein Konkurrent verunfallte und verursachte eine Unterbrechung. Er konnte einfach fahren. Fünf Runden vor Ende des Großen Preises der Niederlande lag er 19 Sekunden vorn, als er nach 72 Runden über die Ziellinie rollte, waren daraus 22,9 Sekunden geworden. So ein Vorsprung war zuletzt Verstappen beim Saisonauftakt der Formel 1 in Bahrain gelungen.

„Das fühlt sich unglaublich an. Ich möchte fast sagen, es war ein perfektes Rennen nach Runde eins“, sagte Norris noch vor der Siegerehrung nach seinem zweiten Karriere-Triumph. „Das Auto hat sich unglaublich angefühlt, ich konnte pushen.“ Weil ihm auch noch die schnellste Runde gelungen war, wofür es einen Bonuspunkt gibt, hat Norris im 15. Saisonrennen den Abstand zum Gesamtführenden und Titelverteidiger Verstappen auf 70 Punkte verkürzt. Dritter in der Weltmeisterschaft ist 33 Punkte dahinter Charles Leclerc. Der Ferrari-Pilot kam eine Woche vor dem Heimrennen der Scuderia in Monza auf Platz drei. Nico Hülkenberg, der einzige Deutsche, verpasste als Elfter um einen Rang die Punkte.

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Dass Norris eine minimale Einschränkung beim Fazit machen musste, lag am Start. Erst kam er gut weg, aber dann zog Verstappen in seinem 200. Grand Prix auf den 164 Metern bis zur ersten Kurve davon, als säße er in einem Spielzeugauto, das aufgezogen und dann losgelassen wurde. Und McLaren verlor nicht nur diese eine wertvolle Position auf dem abwechslungsreichen Kurs, der kaum Möglichkeiten zum Überholen bietet. Auch Oscar Piastri wurde überholt, Mercedes-Pilot George Russell drückte sich an ihm vorbei. Am Ende wurde Piastri Vierter. Damit lautete die Reihenfolge im ersten Viertel des Fahrerfeldes: Verstappen, Norris, Russell, Piastri und Charles Leclerc im Ferrari.

Das Rennen von Zandvoort passt zur schwierigen Situation des Weltmeisterteams

Nach dem Rennende erzählte Norris, er habe schon nach fünf, sechs Runden geahnt, dass er trotz verlorener Pole Position noch Chancen haben würde. „Ich dachte, dass Max pushen würde und einen Vorsprung herausfährt“, sagte er. Doch das geschah nicht. Red Bull konnte das Tempo von McLaren nicht mitgehen. Dabei ist Zandvoort bisher Verstappen-Terrain gewesen. Seit 2021 ist der Grand-Prix wieder Teil des Kalenders, seitdem hat der Niederländer jedes seiner Heimrennen von der Pole Position begonnen und gewonnen.

Beinahe hätte sich Verstappen auch dieses Jahr die erste Parkbucht am Badeort Zandvoort gesichert, hätte nicht Norris auf seiner letzten Qualifikationsrunde 0,356 Sekunden weniger für die 4,259 Kilometer gebraucht und damit eine deutliche Ansage gemacht. Drittschnellster war Oscar Piastri, was die starke Form der McLaren verdeutlichte. Immerhin die erste Reihe, das nahm Verstappen zufrieden hin, denn am Freitag noch lautete nach den Trainingsläufen sein Fazit: „Wir sind einfach zu langsam.“ Er wusste ja auch, wie es bisher gelaufen ist in dieser Saison. Dreimal stand Norris dieses Jahr ganz vorn, bei keinem dieser Grand Prix konnte er diesen Vorteil für sich nutzen. Bei seinem ersten Karrieresieg Anfang Mai in Miami nach 108 Versuchen war er als Fünfter gestartet.

17 Runden dauerte es, bis Norris so nah an Verstappen herankam, dass er einen Angriff starten konnte. Erst kam er nicht an den Red Bull heran, aber die folgende Funkbotschaft von Verstappen deutete an, was als Nächstes kommen würde: „Meine Reifen sind einfach taub, ich habe keinen Grip.“ Als die beiden konkurrierenden Kumpel sich in der 18. Runde wieder näherkamen, hatte Verstappen keine Chance. Auf der Start-Ziel-Geraden reichte Norris ein leichtes Manöver, um den Weltmeister hinter sich zu lassen – und den Abstand auszubauen. „Ich kann nicht schneller fahren, das Auto reagiert nicht auf meinen Input“, beklagte Verstappen.

Weltmeister Max Verstappen hat gerade Probleme mit seinem Red Bull. (Foto: Mark Thompson/Getty)

Aus der Spitzengruppe begann Leclerc in der 25. Runde den Wechsel auf die harte Reifenmischung, was ihn vor Russell brachte. Gutes Timing von Ferrari, darauf mussten die anderen reagieren und trudelten nach und nach ein – bis auf Piastri, der ab der 28. Runde das Feld anführte und offensichtlich auf die Strategie setzte: So lange wie möglich draußen bleiben. Mit einem Vorsprung von 2,6 Sekunden auf seinen Teamkollegen Norris bog dann auch er zur Box ab, zu wenig, um sich wieder ganz vorn einzureihen. Damit war also wieder Norris an der Spitze, hinter ihm Verstappen und Leclerc, der über die verbleibende Distanz eisern die Annäherungsversuche von Piastri abzuwehren vermochte.

Die Momentaufnahme auf der Strecke zwischen den Dünen passte zur schwierigen Situation des Weltmeisterteams. Im Juli hatte Weltmeister Verstappen kein Rennen gewinnen können, der letzte Triumph datiert von Ende Juni in Spanien. Und auch drei Wochen Sommerferien änderten nichts an der Launenhaftigkeit seines Dienstwagens. Während sein derzeit ärgster Verfolger gerade eine harmonische Beziehung zu seinem McLaren pflegt, wo die Balance stimmt, mit der Red Bull so zu kämpfen hat. „Das Auto fühlt sich fantastisch an, alles funktioniert sehr gut“, hatte Norris schon nach der Qualifikation konstatiert. Er ist der Fahrer der Stunde, selbst Mercedes-Teamchef Toto Wolff lobte am Sky-Mikrofon vor Sonntag, der Brite fahre „wie ein Schmetterling“ und sei „bärenstark“.

Konstant baute Norris nach dem Überholmanöver seinen Vorsprung aus. Sechs Sekunden, neun, elf, die Ziffern auf der Zeitanzeige wurden mehr und mehr. Als noch 15 Runden zu fahren waren, hatte er mehr als 15 Sekunden zwischen sich und Verstappen gebracht. Eine enorme Lücke. Norris konnte sich bei seiner Dominanzdemonstration auf sich selbst fokussieren, nichts wirbelte den Verlauf noch durcheinander. Der papayafarbene McLaren cruiste unbesorgt und ungestört an der Spitze. Jetzt nur nicht nervös werden, keinen Fehler machen, wenn schon alles so gut läuft! Aber Lando Norris blieb cool – und bleibt damit der gefährlichste Verfolger des Weltmeisters.

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