Formel 1:Vettel zögert die WM-Entscheidung noch mal hinaus

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Auf dem Siegerpodium: Sebastian Vettel und sein Konkurrent Lewis Hamilton (Foto: AP)
  • Lewis Hamilton gewinnt das Rennen in Austin vor Sebastian Vettel.
  • Damit feiert Mercedes auch den vierten Konstrukteurstitel nacheinander.
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Von Philipp Schneider, Austin/München

Er befinde sich nun in einem Stadium der Formel-1-Saison, hatte Lewis Hamilton vor dem Start des viertletzten Rennens angekündigt, "in dem ich zu Sebastian zum ersten Mal Schach sagen kann." Das hat er nun getan, matt gesetzt hat er ihn nicht. Noch nicht. Aber es wird nach dem Grand Prix in Texas immer unwahrscheinlicher, dass Vettel noch eine Wende gelingen könnte im Duell um die Weltmeisterschaft. Der Ferrari-Pilot wurde Zweiter, Hamilton gelang der fünfte Sieg in den vergangenen sechs Rennen.

Und Mercedes feierte zum vierten Mal in Serie den Gewinn der Konstrukteurs-WM.

Vor dem Start rief zum ersten Mal der zumindest bei Boxfans beliebte Krächzer Michael Buffer jeden Fahrer einzeln auf die Strecke. Buffer sollte gemeinsam mit dem ebenfalls in der Boxengasse allgegenwärtigen Sprinter Usain Bolt so etwas wie der große Brüller werden in Austin, Texas. Buffer riskierte keine Experimente und rief "Let's get ready to rumble" in sein Mikrofon. Das war natürlich Unsinn bei einem Formel-1-Rennen, passte aber thematisch zumindest zu dem hektischen Wochenende in der Box von Ferrari.

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Das schöne englische Wort "Rumble" bedeutet ja nicht nur "Schlägerei", sondern "Grollen", "Poltern" oder "Rumpeln". Das letzte Rennen, bei dem die Scuderia ohne Rumpeln ins Ziel gerollt war, das war Anfang September in Monza. Danach gab es einen Crash zwischen Vettel und Räikkönen in Singapur, Motorenprobleme in Malaysia - und eine defekte Zündkerze in Suzuka. Und wer dachte, die Qualitätskontrolle der Scuderia würde in Texas zumindest mal das Niveau einer Textilmanufaktur in Kappadokien erreichen, der sah sich getäuscht.

"Wie ein Gummibärchen"

Am ersten Trainingstag fehlten Vettel eine gute halbe Sekunde auf Lewis Hamilton, anschließend wurde so viel an seinem Rennwagen zurückgebaut, dass die Rennkommissare das Auto am Samstagmorgen neu abnehmen mussten. "Es war etwas verwirrend", sagte Vettel, "ich habe gemerkt, dass irgendetwas nicht stimmt." Sein Ferrari sei "wie ein Gummibärchen" gewesen. Der Gummibär, 1922 vom Bonner Unternehmer Hans Riegel erfunden und auf Gelatine basierend, war eine recht drastische Analogie für ein eher hart ausgelegtes Formel-1-Auto. Im Qualifying schob sich Vettel mit seinem neuen, alten Auto bei seiner letzten Chance zumindest zwischen die zwei Mercedes und legte die zweitbeste Zeit vor.

Das war wichtig. Die erste Kurve auf dem Circuit of the Americas ist breit wie ein fünfspuriger Highway; wer als zweiter ins Rennen geht, der fährt dort auf der Innenseite. Im Vorjahr hatte Hamilton nach dem Start seinen Teamkollegen Nico Rosberg dort nach außen gedrängt und überholt. Und nun kam Vettel schneller weg als Hamilton; der Brite zog nach links, versuchte Vettel abzudrängen, ließ ihm aber genug Platz - dann bog der Ferrari als erster um die Kurve. Vettel lag nun vor den Mercedes von Hamilton und Valtteri Bottas, dahinter machte Daniel Ricciardo Druck in seinem Red Bull - und erst auf Position fünf kreiste Vettels Teamkollege Kimi Räikkönen. Würde dieser Kampf um die Weltmeisterschaft tatsächlich noch einmal spannend werden? "Mein Speed fühlt sich ziemlich gut an", funkte Hamilton auch auf die Kopfhörer der Ferrari-Ingenieure, was in deren Köpfen für die erste Ernüchterung gesorgt haben dürfte.

Diese wandelte sich schnell in Resignation: Fünfeinhalb Runden später klappte Hamilton im DRS-Fenster seinen Heckflügel um und zog mit deutlichem Geschwindigkeitsüberschuss an Vettel vorbei. Vettel hatte zuvor die Hoffnung geäußert, sein Team könne möglicherweise besser mit den Reifen haushalten als die Konkurrenz. Doch Hamilton fuhr auf und davon. Nach elf Runden hatte er schon 3,2 Sekunden Vorsprung auf den Ferrari. Und dann war es Vettel, der im Funk über Blasenbildung an den Vorderreifen klagte.

Die beste Vorstellung in der Frühphase des Rennens zeigte wieder einmal Max Verstappen, der wegen einiger getauschter Teile an seinem Red Bull von Position 16 losgerollt war, nach 14 Umdrehungen aber schon Fünfter war.

In Runde 16 fuhr Vettel als erster Fahrer der Spitzengruppe an die Box, Bottas, Räikkönen und Verstappen zogen an ihm vorbei. Der Plan war klar: Vettel sollte nach diesem "Undercut" sofort schneller rollen als Hamilton. In der 18. Runde gelang Vettel tatsächlich die bislang schnellste Zeit und zwang Mercedes zum Konter. Hamilton besuchte vier Runden nach Vettel die Versorgungsstation. Als er wieder auf die Strecke bog, rauschte ihm Vettel fast ins Heck - so sehr war Hamiltons kleiner Vorsprung aufgebraucht.

Vettel kann das Tempo des Briten nicht mitgehen

Das Tempo des Briten konnte Vettel nicht mitgehen, das war das eine. Nach der Hälfte des Rennens musste er sich aber auch noch nach hinten orientieren. Sowohl Bottas als auch Räikkönen im zweiten Ferrari fuhren schneller als er - und Vettel wusste: Den zweiten Platz sollte er schon halten, um seine ohnehin marginalen Chancen nicht weiter zu marginalisieren. "Wir sollten über einen Plan B nachdenken", funkte er zum Kommandostand. In der Not fuhr er wieder an die Box und kehrte als Vierter wieder zurück auf die Strecke. Vorübergehend 14 Sekunden hinter Räikkönen - aber immerhin als einziger an der Spitze mit frischen Reifen. Er überholte Bottas. Und Räikkönen ließ ihn natürlich passieren.

Verstappen gelang sogar noch das Kunststück, Räikkönen zu überholen und auf Platz drei vorzufahren. Weil er dabei aber vorübergehend die Strecke verlassen hatte, das entschieden zumindest die Rennkommissare, wurde er um fünf Sekunden strafversetzt und musste Räikkönen das Podium überlassen. In einer Woche, beim Rennen in Mexiko, genügt Hamilton ein fünfter Platz, um zum vierten Mal Weltmeister zu werden.

© SZ vom 23.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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