Formel 1:Vettel: "Was machen wir hier eigentlich?"

Lesezeit: 3 min

Folgenreicher Kontakt: Daniil Kwjat rutscht ins Heck von Sebastian Vettel. Der Ferrari-Fahrer muss kurz darauf aufgeben. (Foto: AP)
  • Nico Rosberg gewinnt mit dem Großen Preis von Russland auch das vierte Rennen der Formel-1-Saison.
  • Mercedes-Kollege Lewis Hamilton wird Zweiter, Ferrari-Pilot Sebastian Vettel scheidet früh aus und ärgert sich.
  • Hier geht es zu den Ergebnissen.

Von René Hofmann, Sotschi/München

Der Unfall-Mitschnitt aus dem Cockpit war eindrucksvoll. Nicht nur wegen der Bilder. Unterhaltsam war vor allem die Tonspur. Nachdem sein Ferrari in die mit Wasser gefüllten Sicherheitsbarrieren geschlagen war, die an der Rennstrecke in Sotschi in den ersten Kurven stehen, spuckte Sebastian Vettel so ausgiebig Schimpfworte, dass der Regisseur kaum nachkam, den Jugendschutz-Knopf zu drücken. Sieben Piep-Töne in kurzer Folge waren zu hören - und dazwischen viel Groll. "Jemand ist mir ins Heck gefahren", schimpfte Sebastian Vettel, "erst in Kurve zwei, dann noch mal in Kurve drei, was machen wir hier eigentlich?"

Nun, Vettel machte an diesem Nachmittag, an dem Nico Rosberg im Mercedes seinen vierten Sieg in dieser Saison einfuhr, auf dem einstigen Olympia-Gelände direkt am Schwarzen Meer nicht mehr viel. Nach zwei Rammstößen des Russen Daniil Kwjat endete der Grand Prix für Vettel bereits in der ersten von 53 Runden. Red-Bull-Fahrer Kwjat, mit dem Vettel bereits vor zwei Wochen beim Rennen in China in der ersten Kurve aneinandergeraten war, fuhr dem Ferrari zweimal kurz nacheinander ins Heck. Beim zweiten Mal ohne jeden ersichtlichen Grund. Die Rennkommissare verurteilten den Russen deshalb zu einer Strafrunde durch die Boxengasse.

Befindet sich Vettels Plan in einer entscheidenden Phase?

Anders als in Shanghai, wo Vettel Kwjat scharf attackiert hatte ("Was hast du da am Start eigentlich gemacht?"), verzichtete der viermalige Champion dieses Mal auf heftige Kritik an dem 22-Jährigen. "Ich denke, die Bilder sind eindeutig", formulierte Vettel nach der Rückkehr ins Fahrerlager vergleichsweise mild, "offenbar hatten heute nicht alle vor, die erste Kurve zu bekommen." Wer je erlebt hat, mit wie viel Wucht Vettel seinem Frust freien Lauf lassen kann, der merkte: Offenbar war hier einer bemüht, den Diplomaten zu geben.

Motorsport
:Formel 1 will schnellere Autos

Tiefer, breiter, aggressiver: Eine altbekannte Aerodynamik soll die Wagen in der Rennserie beschleunigen. Aber wird die Formel 1 dadurch attraktiver?

Von Dominik Fürst

Vettel spürt offenbar, dass sich sein Plan, mit Ferrari den Titel zu erobern, in einer entscheidenden Phase befinden könnte. Und dass es aktuell wichtiger sein dürfte, Nervenstärke zu demonstrieren als Entschlossenheit.

Das komplette Wochenende war nicht gut gelaufen für den 28-Jährigen. Im Training am Freitag hatte ihm ein Elektronikproblem wichtige Zeit geraubt. In der Qualifikation war Vettel am Samstag im finalen Durchgang zwar die zweitbeste Zeit hinter Rosberg geglückt, wegen eines vorzeitigen Getriebewechsels musste er aber eine Strafversetzung um fünf Startplätze hinnehmen - auf Rang sieben. So weit zurückgeworfen war ein Triumph trotz eines Motor-Updates von vorne herein unrealistisch. Das von Firmenpräsident Sergio Marchionne zuletzt noch einmal neu formulierte Ziel, die Scuderia müsse prinzipiell immer siegfähig sein, bleibt aktuell nichts anderes als ein ambitionierter Anspruch.

Für mehr ist die Scuderia nicht nur nicht schnell genug. Die Aufholjagd auf Mercedes stockt vor allem, weil es an der Zuverlässigkeit mangelt. Bereits bei den Wintertestfahrten hatte sich das abgezeichnet. Beim Saisonauftakt in Melbourne setzte ein Schaden am Turbo von Kimi Räikkönen den Trend fort. In Bahrain verpasste Vettel wegen eines Defektes zunächst Trainingszeit, am Renntag stellte der Sechszylinder-Turbo-Hybrid-Motor in seinem Heck dann bereits auf dem Weg in die Startaufstellung seinen Betrieb ein.

Vier Rennen, viermal andere Sorgen: Starke Herausforderer sehen anders aus. 2015 glückte Vettel beim zweiten Grand Prix in Malaysia sein erster Triumph mit Ferrari. In diesem Jahr dagegen erleben er und die Seinen einen Stotter-Start - und es wird spannend sein zu sehen, wie dieser sich auf die Beziehung auswirkt. Im vergangenen Jahr lag Vettel nach vier Rennen mit 65 Punkten nur einen Zähler hinter dem damals in der Gesamtwertung zweitplatzierten Nico Rosberg und 23 vor seinem Teamkollegen Kimi Räikkönen. In der aktuellen Tabelle ist der Finne Räikkönen (43 Zähler), der in Sotschi Dritter wurde, Vettel um zehn Punkte voraus. Aktuell einsam an der Spitze: Rosberg mit hundert Punkten.

Der 30-Jährige feierte in Russland einen überlegenen Start-Ziel-Sieg. Seine Dominanz unterstrich Rosberg am Ende noch, indem er die schnellste Rennrunde drehte. Saisonübergreifend war es für ihn der siebte Sieg in Serie. Ähnliche Erfolgs- serien sind lediglich Michael Schumacher (2004/sieben Siege), Alberto Ascari (1952-53/sieben Siege) und Sebastian Vettel (2013/neun Siege) geglückt. Überbewerten wollte er sein aktuelles Formhoch aber nicht. "Ich schaue von Rennen zu Rennen", gab Rosberg an; das nächste wird am 15. Mai in Barcelona gestartet.

Was Rosberg in Russland half: dass sein Teamkollege Lewis Hamilton erneut kein problemfreies Wochenende erlebte. Der Titelverteidiger konnte wegen Motor- problemen nicht am letzten Abschnitt der Qualifikation teilnehmen und durfte deshalb lediglich als Zehnter starten. Trotz dieses Handicaps kam Hamilton Rosberg während des Rennens so nahe, dass er ihn sehen konnte. "Ich hätte ihn bekommen, da habe ich gar keinen Zweifel", äußerte Hamilton nach dem Rennen. So weit kam es dann aber doch nicht: Wegen eines Lecks im Wasserkreislauf musste Hamilton auf den Geraden Gas herausnehmen, um den Motor zu kühlen. So war nicht mehr möglich als Platz zwei.

© SZ vom 02.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: