Sieben Kurven in der Formel 1:Vettel zeigt Kampfgeist

Der Ferrari-Pilot darf sich in Barcelona über Fortschritte freuen - trotz Platz Sieben und erneutem Funk-Ärger. Lewis Hamilton hat beim Reifenwechsel das richtige Gespür. Höhepunkte des Formel-1-Wochenendes.

Von Elmar Brümmer

Lewis Hamilton

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(Foto: Pool via REUTERS)

Das Ergebnis lässt sich in Schnapszahlen ausdrücken: Der Mann mit der Startnummer 44 feierte in Spanien den 88. Sieg seiner Karriere. Zur Einordnung für alle Fans von Michael Schumacher: drei Erfolge noch, und er zieht mit dem Rekordhalter gleich. Nach Podiumsbesuchen ist er jetzt schon vorbei, in Barcelona stand der Brite zum 156. Mal auf dem Podest. "Ich weiß nicht wirklich, was ich zu diesen Dingen sagen soll, es fühlt sich seltsam an." Es war ein einsames, aber auch besonderes Rennen vom Start bis zum Sieg: "Was für ein Tag. Ich war wie im Tunnel, es war toll, so im Flow zu sein. Ich habe nicht mal mitbekommen, dass es die letzte Runde war." Für ihn sei es ein fast spirituelles Erlebnis gewesen, nah dran an der Perfektion. Reifensorgen? Fehlanzeige. Dafür hatte er in bester Champion-Manier im entscheidenden Moment das richtige Gespür, als er beim letzten Reifenwechsel gegen den Rat des Teams nicht die weichen Pneus nahm. Die theoretisch schnelleren Gummis stellten sich später beim Kollegen Valtteri Bottas als zu langsam heraus. Eine erfolgreiche Befehlsverweigerung, die sogar Teamchef Toto Wolff als beeindruckend empfand: "Ich bin glücklich damit, dass wir offen über so etwas diskutieren und der eine dem anderen zuhört. Das ist anderswo nicht selbstverständlich." Mercedes ist nicht nur technisch, sondern auch mental der überlegene Rennstall.

Sebastian Vettel

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(Foto: AP)

Siebter Platz, sechs Punkte, das wäre für einen viermaligen Weltmeister nicht der Rede wert, auch nicht für Ferrari. Aber wer in einem Auto fährt, das knapp das fünftstärkste im Feld ist (im Duell mit Alpha Tauri...), der darf sich auch über kleine Fortschritte freuen. Und sogar darüber, eine Schallmauer durchbrochen zu haben: Sebastian Vettel bringt es nun auf 3001 Punkte in der Formel 1. Das ist keine Häme, ebenso wenig wie die Entscheidung der Fans, den Heppenheimer zum "Fahrer des Tages" zu wählen. Sie erkannten damit den Kampfgeist Vettels an, dem das neue Chassis zwar etwas besser liegt, aber trotzdem nicht so richtig gut. Trotzdem sollte Frieden herrschen bei der Scuderia, jedenfalls nach dem Rennen. Die Strategen am Kommandostand waren zuvor ziemlich durcheinander. Prognostizierten Regenschauer fürs Rennende und befahlen Vettel deshalb, das Tempo zu forcieren. Drei Runden später fragte Renningenieur Riccardo Adami nach, ob nicht doch eine Ein-Stopp-Strategie möglich wäre... Vettel platzte der Kragen: "Das wollte ich doch die ganze Zeit von Euch wissen!" Er entschied dann selbst, instinktiv richtig und fuhr mit der Alles-oder-Nichts-Taktik einfach durch, nachdem ihn der Rennverlauf bis auf Rang fünf nach vorn gespült hatte. Nur zwei schnellere Autos musste er noch passieren lassen, ansonsten hielt er tapfer dagegen, ungeachtet der neuerlichen Slapstick-Einlage am Funk. Teamchef Mattia Binotto fand nichts dabei: "Das sieht manchmal unglücklich aus, aber so sind wir zur besten Taktik gekommen..." So kann man es auch sehen. Der Italiener war sich der Loyalität Vettels wohl sicher, der zunächst zugab, "etwas angekratzt" zu sein.

Max Verstappen

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(Foto: Getty Images)

Am Start außenrum an Valtteri Bottas vorbei, damit schon nach 612 Metern wieder einen Überraschungserfolg für Red Bull Racing möglich gemacht, am Ende war der Silverstone-Sieger Zweiter. Und es war klar, dass er nach Lewis Hamilton der beste Fahrer der Königsklasse ist. "Er erinnert mich an Michael Schumacher", lobte Formel-1-Geschäftsführer Ross Brawn kürzlich den Niederländer, "das Limit des Autos ist nicht sein Limit." Als Verstappen sich in Großbritannien weigerte, behutsam zu fahren, lachten alle über den Funkspruch: "Ich sitze doch hier nicht wie eine Großmutter." Als er in Barcelona im Reifenpoker seinem Renningenieur bei der Taktikbelehrung ins Wort fiel ("Kümmert Euch lieber um uns als um das, was Mercedes macht"), fand das vor allem Red-Bull-Motorsportberater Helmut Marko nicht lustig. "Das ist halt das Temperament, das manchmal mit Max durchgeht. Nur dumm, wenn das alles on air ist", grantelte der Grazer, "die Strategie muss er schon uns überlassen." Verstappen aber hatte richtig vermutet, dass er gegen einen Hamilton in dieser Form und diesem Tempo mit keiner Boxenstopp-Strategie der Welt eine Chance gehabt hätte.

Sergio Perez

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(Foto: AP)

Selbstbestätigung ist wichtig für den Fortgang einer Formel-1-Karriere. Mit Platz fünf, der vor einer Fünf-Sekunden-Zeitstrafe wegen angeblicher Behinderung von Lewis Hamilton eigentlich ein Vierter war, meldete sich der Racing-Point-Pilot standesgemäß zurück. Aufgrund einer Corona-Infektion hatte er zwei Rennen verpasst. Der Mexikaner, der sich bei einem Besuch in der Heimat infiziert hatte, war mit Wut im Bauch ins Rennen gegangen. Gerüchte waren aufgetaucht, dass er sich die Geschichte mit dem Heimatbesuch bei der kranken Mutter vielleicht bloß ausgedacht hätte und in Wirklichkeit Gespräche mit Sponsoren führen wollte, um seinen Verbleib bei Racing Point finanziell zu sichern. "So viel Bullshit - und so respektlos", wehrte der 30-Jährige sich, "sich zu infizieren, dass kann jedem überall passieren." Perez hatte nur milde Symptome, am schlimmsten sei es gewesen, das Zimmer nicht verlassen zu können und dabei auch noch ein Rennen angucken zu müssen: "Das fand ich richtig langweilig..."

Toto Wolff

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(Foto: REUTERS)

Wenn alles nach Plan läuft, dann räumt Mercedes am Jahresende zum siebten Mal in Folge die Titel in beiden WM-Wertungen ab, das wäre die erfolgreichste Ära der Renngeschichte. Daimler möchte weitermachen, auch wenn das Formel-1-Grundsatzabkommen namens Concorde Agreement dazu finanziell noch nachgebessert werden muss. Was aber macht der Weltmeistermacher Toto Wolff, dessen Vertrag am Ende der Saison auch ausläuft? Der 48 Jahre alten Österreicher ist nicht bloß Top-Manager, er besitzt auch 30 Prozent der Anteile am Rennstall. In Spanien wich er den drängenden Fragen über den Stand der Verhandlungen mit Daimler-Chef Ola Källenius aus. Die Diskussionen seien auf einem guten Weg, es gäbe viele gute Gründe, in der Formel 1 zu bleiben - andererseits sei da aber auch der hohe Kräfteverschleiß. Gefallen ist seine Entscheidung noch nicht. Klar scheint, dass Wolff in irgendeiner Form weiter beteiligt bleiben wird. Die entscheidende Frage stellt er selbst: "Wir müssen nur herausfinden, in welcher Rolle." Der Ausgang des Personalgespräch ist auch für Lewis Hamilton wichtig, dessen Kontrakt ebenfalls ausläuft - und für den Wolff die wichtigste Bezugsperson ist: "Ich hoffe, er bleibt."

Kimi Räikkönen

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(Foto: AP)

Fünf Rennen noch, dann ist er die Nummer Eins - jedenfalls als Ausdauerweltmeister. Dann kommt Kimi Räikkönen, 40 Jahre alt, auf 324 Rennen - eins mehr als der bisherige Rekordhalter Rubens Barrichello. Der Finne hat dem Brasilianer eins voraus - er konnte während seiner Zeit bei Ferrari Champion werden, der letzte übrigens. Der Mann ist Pragmatiker, aber so langsam nervt es ihn, dass Alfa Romeo in seinem vielleicht letzten Rennjahr nicht in die Gänge kommt. "Wir stehen am falschen Ende der Startaufstellung", sagte er in Silverstone, als beide Alfas aus der letzten Reihe ins Rennen gehen mussten. Dem in der Schweiz gebauten Auto fehlt die Power, und Räikkönen offenbar die Lust. Ein Freund behauptet, dass das Karriereende des Vettel-Kumpels bevorstünde. Rennfahren, so wird der Schweiger immer zitiert, müsse ihm etwas bedeuten, sonst mache er lieber Schluss. Rang 14 in Barcelona war zwar einen Tick besser, aber alles andere als eine Wende. Dafür bekam er schon einen anderen Rekord gutgeschrieben: den für 83.846 zurückgelegten Kilometer in der Königsklasse.

Nico Hülkenberg

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(Foto: Getty Images)

Der Name ist perfekt für Wortspiele, und sie sind auch erlaubt, weil der Rennfahrer sie selbst macht. Seine Rückkehr für zwei Rennen ins Racing-Point-Cockpit feierte er als "Hülkenback". Nachdem Sergio Perez wieder fit war, flog der Emmericher nach Mallorca statt nach Barcelona und postete ein Bild aus der Pool-Position: "Hülkenbreak". Aber sein Marktwert ist noch heiß, das spürt der 32-Jährige. Deshalb hat er viele Gespräche mit Frederic Vasseur geführt, den er aus den Nachwuchsformeln kennt. Der Franzose ist inzwischen Teamchef bei Alfa Romeo - und hat zwei Plätze für 2021 zu vergeben. Le-Mans-Sieger Hülkenberg (im Bild vor dem zweiten Rennen in Silverstone) hat wieder Lust auf eine Fortsetzung der Karriere bekommen: "Ich würde gerne wieder in der Formel 1 fahren. Ich liebe es immer noch hier, es ist meine Leidenschaft." Ein anderer in der Königsklasse gescheiterter deutscher Fahrer hat seit dieser Woche einen neuen Job: Pascal Wehrlein, 25, ist neuer Werksfahrer im Formel-E-Team von Porsche.

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