Sieben Kurven der Formel 1:Vettel setzt sich ein Ultimatum

Der Ferrari-Pilot sieht sich vor entscheidenden Wochen, sein Teamkollege Charles Leclerc betreibt Politik und Lewis Hamilton erinnert an Ayrton Senna. Die Höhepunkte des Formel-1-Wochenendes.

Von Elmar Brümmer

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Mattia Binotto

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Quelle: AFP

Hausfrieden, Seelenfrieden, gern auch Teamräson. Man kann es nennen, wie man will. Bei Ferrari ist in Shanghai nicht nur technisch, strategisch und sportlich vieles nicht rund gelaufen, die Stallorder hat auch jedweden Frieden gestört, und wie es um die Räson bestellt ist, werden die nächsten Wochen zeigen. Mattia Binotto, der neue Chef der Scuderia, hat über den Winter einen Antriebsstrang bauen lassen, der 40 mehr PS haben soll als der vom bisherigen Primus Mercedes. Aber die ersten drei Rennen, bei denen Rot jeweils Favorit war, endeten mit Doppelerfolgen der Silberpfeile. Binotto sah man nicht öffentlich toben, aber er soll das ganz gut beherrschen - intern. Der in der Schweiz geborene Ingenieur gibt sich gelassen, aber das kann er kaum sein. Druck auf das Team, das bedeutet automatisch Druck auf ihn. Er befehligt schließlich das rasende National-Heiligtum. Die Szene in der elften Runde, in der Leclerc Vettel vorbeiziehen lasse musste und die ihm das alles eingebrockt hat, verteidigte er natürlich. "An dem Punkt des Rennens mussten wir versuchen, Sebastian eine bessere Chance zu geben. Es war eine Entscheidung für das Team, nicht für einen Fahrer. Aber ich verstehe und akzeptiere, dass Charles sauer ist."

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Lewis Hamilton

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Quelle: AFP

RTL-Souffleur Nico Rosberg hatte Valtteri Bottas vor dem Start tief in die Augen geguckt, und war sich sicher, dass er da das richtige Feuer lodern sah, das man für einen Sieg von der Pole-Position aus braucht. Doch dann ging es dem Finnen so wie Rosberg früher selbst - Lewis Hamilton gewann zum sechsten Mal in Shanghai, und sackte nach den Erfolgen in den Rennen 900 und 999 der Formel 1 auch die prestigeträchtige 1000 ein. Rosberg zollte dem Comeback-Kid des Motorsports Tribut: "Das war soooo typisch Lewis. Freitags, wenn es nicht richtig läuft, ist er im Niemandsland. Da geht es ja auch um nichts. Und dann ist er plötzlich da." Dem widerspricht Mercedes-Teamchef Toto Wolff. Sein Paradefahrer sei oft der Letzte, der das Briefing mit den Ingenieuren verlasse, so sehr kämpfe der Brite darum, die Reifen zu verstehen. Ansonsten attestiert ihm der Österreicher "ein von Gott gegebenes Gespür". Als Hamilton sich auf seine 75. Ehrung als Grand-Prix-Sieger vorbereitete, stand er vor einem Plakat seines Idols Ayrton Senna und dem Zitat "Ich bin geschaffen, um zu gewinnen". Es war, als blicke er in einen Spiegel.

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Alexander Albon

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Quelle: AFP

Ein Thailänder in der Formel 1, na klar, das kann nur ein Bezahlfahrer sein. Nicht alle Wahrheiten in diesem Sport sind so einfach wie die Klischees. Der 23-Jährige ist in London geboren, besitzt auch die britische Staatsbürgerschaft, aber vor allem auch so viel Talent, dass ihn Red Bull in seinem Nachwuchsteam Toro Rosso fahren lässt. In Shanghai schienen sich die Skeptiker samstags bestätigt, als der Junior-Pilot einen kapitalen Crash hatte, bei dem die Sicherheitszelle seitlich so stark demoliert wurde, dass das Auto komplett neu aufgebaut werden musste. "Ich war den Mechanikern ein gutes Rennen schuldig", sagte Albon mit einem Grinsen, nachdem er mit dem zehnten Platz seinen ersten WM-Punkt holen konnte. Er musste aus der Boxengasse starten, kam mit nur einem Stopp durch, obwohl zwei geplant waren, und wurde vom Publikum zum Mann des Tages gewählt.

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Charles Leclerc

F1 Grand Prix of China

Quelle: Getty Images

Wie sehr wird sich der Monegasse ärgern, dass er die Qualifikation versemmelt hat? Dann wäre es vielleicht gar nicht so weit gekommen, dass er wie schon im ersten Rennen Sebastian Vettel Platz machen muss. Daran, sagt er, will er arbeiten. Ansonsten stimmt alles bei ihm: der Instinkt am Start, nach innen zu gehen und sich auf Rang drei zu schieben. Die Überlegung zu verwerfen, gegen die Stallorder zu verstoßen. Das Kalkül, Politik über den Boxenfunk zu machen, als Vettel den Silberpfeilen auch nicht näherkommt als er: "Und was jetzt? Ich verliere echt viel Zeit hinter ihm, nur dass ihr das wisst ..." Der Ingenieur mahnt - wohlwissend, dass die ganze Welt zuhören kann - zur Konzentration: "Wir besprechen das später." Später, das ist nach Platz fünf. "Für die Teamorder muss es einen guten Grund geben", sagt der düpierte Leclerc bewusst doppeldeutig. Der 21-Jährige wird es auf Dauer nicht akzeptieren, als strategischer Puffer für Vettel eingesetzt zu werden.

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Sebastian Vettel

F1 Grand Prix of China

Quelle: Getty Images

Um den Gemütszustand beim Heppenheimer und seiner Scuderia zu erkunden, hätte ein Stummfilm gereicht. Traurige Augen, ein hängender Schnauzer, und eine Analyse, die sich verdächtig so anhört wie all die einzelnen Bilanzen der Ferrari-Enttäuschungen nach dem im Vorjahr verlorenen Titel: "Viel mehr als Rang drei konnten wir nicht anrichten. Und das war schon hart. Wir haben versucht dranzubleiben, aber es ging einfach nicht. Wir hatten den Speed nicht, Mercedes war zu schnell." Er beteuert, dass mit seinem Auto alles stimme, man nur die optimale Abstimmung noch nicht gefunden habe. Vettel spricht von entscheidenden Wochen, in denen die Richtung der ersten Saisonhälfte bestimmt werde. Das ist ein Ultimatum an die Techniker und sich selbst, auch in der Hoffnung, dass die Motorenpower in zwei Wochen in Baku auf den längsten Geraden der Saison endlich zum ersten Saisonsieg führt: "Wir können sehr glücklich mit unserem Motor sein." Und die Fragen nach der Stallorder nervten ihn, was wenig überrascht: "Jedenfalls habe ich mich schneller gefühlt im Auto."

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Max Verstappen

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Quelle: AFP

Was für ein Unterschied doch ein Tag macht - selbst im Duell zweier Rennfahrer, die nie Freunde waren und nie welche werden. Max Verstappen war nach der Qualifikation außer sich, weil ihn Vettel kurz vor Schluss überholt hatte und so die Chance auf eine weitere schnelle Runde und einen besseren Startplatz als Rang fünf nahm. Kein Regelverstoß, aber einer gegen die guten Sitten. Die Schimpftirade Verstappens über Boxenfunk wurde durch Dauerpiepen unterbrochen. Im Rennen dann konnte der Niederländer durch eine geschickte Strategie den Ferrari-Piloten angreifen, volle Attacke auf Rang drei. Vettel sah ihn kommen, und konterte eiskalt: "Da ich ihn kenne, wusste ich, dass er versuchen würde, innen vorbeizugehen. Ich wollte versuchen, zurückzuschlagen. Es hat funktioniert." Dabei ging es über den Randstreifen und aufs Gras. Die Rennkommissare sahen keinen Grund für Ermittlungen. Und Verstappen gab sich im Gegensatz zum Qualifying friedlich: "Kein Problem. Ich hätte es genauso gemacht." Im Vorjahr waren die beiden in China noch kollidiert. Diesmal fuhr Vettel aufs Treppchen, Verstappen hatte keine Reifenpower für weitere Attacken, kam aber immerhin noch an Leclerc vorbei auf Rang vier. "Das war Schadensbegrenzung", sagt Verstappen.

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Formel 1000

Formel 1: Grand Prix von China

Quelle: dpa

Europäische Traditionalisten konnten sich nicht damit abfinden, dass ausgerechnet das 1000. Rennen an einem so gesichtslosen Austragungsort wie dem Autodrom im Sumpfland vor Shanghai ausgetragen wurde. Allerdings ist die chinesische Metropole ähnlich hin- und hergerissen zwischen Tradition und Moderne wie die Formel 1, das Leben dort ist rasend schnell und maßlos. Sind das nicht perfekte Attribute, die Gastgeber und Gäste zusammenbringen? Nur ein paar historische Rennwagen haben es ins Rahmenprogramm geschafft, eine größere Parade verhinderten die strengen Zollvorschriften der Volksrepublik. Die lebenden Ikonen des Sports machten sich erst gar nicht die Mühe, die 9000 Kilometer nach Shanghai zu überwinden, immerhin wurde Sieger Hamilton vom vierfachen Weltmeister Alain Prost abgewunken, aber der ist ja als Renault-Mann sowieso immer vor Ort. Die Historiker hoffen auf eine andere Festveranstaltung - im kommenden Jahr in Silverstone, wenn die Formel 1 ihren 70. Geburtstag groß begehen will. Immerhin: Chase Carey, der Bernie Ecclestone der Neuzeit, bekam eine Gedenkmünze überreicht - 1000 Gramm schwer, für jedes Rennen bisher eins.

© SZ.de/tbr
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