Formel 1:Verstappens Status: außerirdisch

F1 Grand Prix of China - Practice

"Bis ich richtig im Titelkampf bin, ist es besser, Highlights zu setzen, statt einfach bloß brav Punkte zu sammeln": Formel-1-Pilot Max Verstappen.

(Foto: Getty Images)
  • Max Verstappen beeindruckt in der Formel 1 mit spektakulären Überholmanövern, in Shanghai fährt er von Startplatz 16 auf Platz drei. Auch in Bahrain will er überzeugen.
  • "Wenn ich das gleiche Auto hätte wie Lewis Hamilton oder Sebastian Vettel, würde ich es mit ihnen aufnehmen", sagt der 19-jährige Niederländer.
  • Doch nicht nur als Fahrer, auch als Person auf der Bühne emanzipiert sich Verstappen.

Von Elmar Brümmer, Bahrain

Wie mangelndes Tempo durch beschleunigtes Selbstbewusstsein wettzumachen ist, hat Max Verstappen im zweiten Formel-1-Rennen der Saison eindrucksvoll bewiesen. In der ersten Runde in Shanghai kassierte er gleich neun Gegner, raste von Startplatz 16 auf Rang drei - das Rennen wurde zum personifizierten Überholmanöver.

Beim Großen Preis von Bahrain am Ostersonntag ist Verstappens Red-Bull-Renault von den Prognosen her deutlicher im Nachteil als in Shanghai. Doch der Niederländer lässt sich von Vorhersagen anderer prinzipiell nicht beeinflussen, er pflegt die eigene Erwartungshaltung: "Wenn ich das gleiche Auto hätte wie Lewis Hamilton oder Sebastian Vettel, würde ich es mit ihnen aufnehmen." Tut er heute schon, trotz begrenzter Möglichkeiten, und das tut dem ganzen Zirkus gut. Der 19-Jährige gilt als der Kronprinz, auch wenn er noch nicht im Hamilton-Mercedes oder im Vettel-Ferrari sitzt.

Helmut Marko, der Talentspäher des Getränkerennstalls, behauptet, dass für Verstappen das Überholen wie ein Abzählreim funktioniert: "Er zählt die Autos, an denen er vorbeizieht."

Mit einer Unschuldsmiene, die in Kontrast zu seiner Aggressivität im Rennwagen wirkt, wiegelt der Vielgelobte die aufflackernde Kritik an seinem Fahrstil ab: "Ich finde nicht, dass ich in Shanghai große Risiken eingegangen bin. Ich war ganz ruhig, habe die Lücken gefunden und eben etwas später gebremst als die anderen. Das Gefühl, dass es riskant war, hatte ich nach der ersten Runde jedenfalls nicht." Er glitt über die tückischen Bedingungen des China-Grand-Prix einfach hinweg.

"Ich heiße übrigens Max"

Dass Verstappen, dessen erster Grand-Prix-Sieg sich im Mai in Barcelona jährt, früh im Kreise der Großen angekommen ist, hatte sich beim Regenrennen im November in Sao Paulo gezeigt. Damals wurde klar, dass er Draufgängertum und Intuition so paaren kann, wie es einst Ayrton Senna und Michael Schumacher gelang. Als Erster hatte er erkannt, dass neben der eigentlichen Ideallinie ein schmaler Streifen Asphalt schon trocken genug war, um Überholmanöver wagen zu können. Kein anderer folgte seiner Spur, 13 Manöver dieser Art bescherten ihm den anerkennenden Status des "Außerirdischen".

In Brasilien stellte er sich endgültig als Titelkandidat der Zukunft vor. Zumal sein offensiver Fahrstil unter schwierigen Bedingungen zur Geltung kommt. "Es geht um den Instinkt. Du musst deinen Weg durchs Feld einfach fühlen", sagt Verstappen. Den "sechsten Sinn" nennt es sein Teamchef Christian Horner: "Max ist einer der großartigsten Fahrer der Geschichte. Und Größe zeigt sich immer im Nassen."

Max Verstappen hat sein Image poliert - indem er polarisiert. Erst vor der Saison wurde eine eigens wegen ihm geschaffene Benimmregel fürs Überholen wieder aufgehoben, weil auch die Funktionäre kapiert hatten, wie gut Manöver im Verstappen-Stil fürs Geschäft sind. Mit diesem Stil, anderen Piloten bei Tempo 300 im Zickzackkurs vors Auto zu fahren, hatte sich der Niederländer auch beim dreimaligen (Hamilton) und viermaligen Weltmeister (Vettel) Respekt verschafft. Doch nicht nur als Fahrer, auch als Person auf der Bühne emanzipiert sich Verstappen. Als Hamilton auf dem Podium in China über ihn sprach und ihn etwas despektierlich als "dieser junge Typ hier" bezeichnete, grinste Verstappen, nahm sein Mikrofon, ging zum Sieger und entgegnete: "Das sagst Du immer. Ich heiße übrigens Max."

Ein Zweikampf, der an Hamilton und Rosberg erinnert

Verstappens Vater Jos, einst der langsamere Teamkollege von Michael Schumacher, fällt es nicht so leicht, derart sympathisch rüberzukommen wie sein Sohn. Von ihm werden hauptsächlich Berichte über Schlägereien in Kneipen öffentlich. Max und Jos sind ein unzertrennliches Gespann, aber an den Rennstrecken überlässt der Junior einem Manager die professionelle Betreuung.

Im Rennen von Shanghai war auf den letzten Runden ein Zweikampf zu beobachten, der an die Dauerfehde der Mercedes-Piloten Hamilton und Rosberg in der Vorsaison erinnerte. Verstappen musste sich gegen seinen von hinten drängelnden Teamkollegen Daniel Ricciardo wehren, beide kämpften mit Leidenschaft um jeden Zentimeter Asphalt.

Die Auseinandersetzung mit dem erfahrenen Australier, der sich im Alter von 27 Jahren in seiner achten Grand-Prix-Saison befindet, wird eines der großen Duelle bleiben, auch für Teamchef Christian Horner. "Spannungen werden da wohl nicht zu vermeiden sein", ahnt der Brite. "Wir werden die Jungs weiterhin so behandeln wie bisher. Sie sollen fair und sauber gegeneinander fahren." Dabei schätzen sich die Beiden, sagt Horner: "Daniel ist außerhalb des Autos wie ein großer Bruder für Max."

Manchmal wirkt es, als verberge Max Verstappen sein selbstbewusstes Gemüt hinter einem stabilen Panzer aus Carbonfasern, auf und abseits der Rennstrecke verfolgt er eine klare Linie, Kritik prallt an ihm ab: "Das Wichtigste ist, dass man an sich selbst glaubt - und nicht, dass man zu viele Kommentare und Kritiken liest."

In Shanghai hat ihn das Publikum zum Fahrer des Tages gewählt. Diese Wertschätzung sieht er als Zwischenstation auf dem Weg nach ganz oben: "Bis ich richtig im Titelkampf bin, ist es besser, Highlights zu setzen, statt einfach bloß brav Punkte zu sammeln.

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