Sieben Kurven in der Formel 1:Vettel braucht dringend Urlaub

Der Ferrari-Pilot ist trotz Platz drei in Ungarn säuerlich. Hamilton profitiert von der Finte seines Teams - und Verstappen ist inoffizieller Sommer-Champion. Die Höhepunkte des F1-Wochenendes.

Von Elmar Brümmer, Budapest

Lewis Hamilton

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(Foto: Getty Images)

Drei Tage lang hat er nur geschlafen nach dem Debakel von Hockenheim und der Sommergrippe. Den Kampf um die Pole-Position verlor er noch gegen Verstappen, das Rennen gewann er aber mit einem grandiosen Schlussspurt, als er 20 Runden hatte, um 20 Sekunden Rückstand wettzumachen. Auf den Punkt fit sein, das ist eine echte Champion-Tugend. Acht von zwölf Rennen hat Hamilton gewonnen in diesem Jahr, der Herbst soll noch besser werden. Tagelang Party machen wird der Brite nicht, er will es eher mit Meditation probieren. Sonnenaufgänge gucken, so etwas in der Art. Das Duell mit Verstappen elektrisiert ihn, auch, weil so viel über sein Alter gesprochen wird. Hamilton ist zwar erst 34, aber eitel wie ein Teenager. Es ist ein rasender Generationskonflikt, und er sagt, dass er froh sei, diese Schlacht gehabt zu haben, von der alle sprechen. Geht es nach Hamilton, soll es nicht die letzte gewesen sein: "Ich hoffe, es gibt noch viele davon." Teamchef Toto Wolff fand lobende Worte: "Erfolg geht nicht ohne das Team. Aber definitiv nicht ohne einen Fahrer. Lewis ist in einer eigenen Dimension gefahren." Hamilton selbst sagt nur, er freue sich für die Formel 1, nachdem so viele so schlecht über den Sport gesprochen hätten. Dass Ex-Kollege Nico Rosberg an seinem Speed zweifelt, schert ihn nicht. Er schaue solche Blogs nicht an, und empfiehlt dem Einfach-Weltmeister, auf die Ergebnisse zu gucken: "Es gibt ja eine Menge Fahrer, die nicht solche Resultate erzielt haben ..."

Max Verstappen

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(Foto: dpa)

Auch mit dem drei Runden vor Ende verlorenen Sieg ist der Niederländer der inoffizielle Champion des Sommers. Zwei Siege und die erste Pole-Position seiner Karriere in den vergangenen vier Rennen. 21 Mal in Folge unter den ersten Fünf, obwohl sein Red-Bull-Rennwagen von der Leistungsfähigkeit nicht immer dorthin gehört hat. Der 21-Jährige ist der Mehrwert des Teams, und er hat es raus geschafft aus der Rennfahrer-Pubertät. Dass er, nachdem der Sieg auf dem Hungaroring im Reifenpoker verloren gegangen war, mit frischen Pneus noch die schnellste Rennrunde dreht und den Extrapunkt holte, macht ihn - was Können und Chuzpe angeht - ebenbürtig mit Lewis Hamilton. Zuvor, als der Brite schon fast an ihm vorbei war, hatte sich Verstappen keineswegs überraschen lassen und konnte noch mal kontern - Hamilton musste durch die Auslaufzone rodeln. Es ist dieser natürliche Instinkt, gepaart mit gnadenloser Härte und einem enormen Fahrgefühl, der alle um Verstappen herum schon vom WM-Sieg in diesem Jahr träumen lässt, trotz 69 Punkten Rückstands. Der Mann, der vom Sorgenkind zum Überflieger wurde, gibt sich routiniert: "Der Gedanke an den Titel steckt nicht in meinem Kopf. Ich will von Rennen zu Rennen denken und begreife jedes Wochenende als Chance."

Mick Schumacher

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(Foto: AFP)

Was für ein emotionaler Sommer. Beim Großen Preis von Deutschland durfte Mick Schumacher zweimal den Weltmeister-Ferrari seines Vaters von 2004 durchs Hockenheimer Motodrom fahren, und man wusste nicht, wer mehr gerührt war: das Publikum oder der 20 Jahre alte Schumacher. Auf dem Hungaroring war das Rahmenprogramm mit dem achten Rennwochenende der Formel 2 schon etwas ernster. Platz acht im ersten Lauf war ganz ordentlich, vor allem brachte er die Pole-Position für das sonntägliche Sprintrennen. Nach 28 Runden war er dann da, der berühmte Schumi-Daumen, hochgereckt allerdings von Mutter Corinna. Mick Schumacher holte im 16. Rennen seinen ersten Formel-2-Sieg. Alle Anspannung löste sich, denn der Druck mit diesem Familiennamen ist enorm: "Einfach war es nicht, aber ich bin einfach nur glücklich. Der erste Sieg ist immer der härteste." Bis dahin war Rang vier sein bestes Ergebnis gewesen. In der zweiten Saisonhälfte will er weiter Fahrt aufnehmen, auch seine Saison geht in Spa weiter, dem Wohnzimmer der Schumachers. Dort fuhr er vor zwei Jahren zum ersten Mal ein Formel-1-Auto, den Benetton des Papas. Wann er selbst in die Königsklasse aufsteigt, lässt der Ferrari-Junior offen: "Ob nächstes Jahr, in zwei Jahren oder in drei - die Zeit wird es zeigen."

Sommerpause

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(Foto: AFP)

Nur wenn sich die Räder drehen, verdient die Formel 1 richtig viel Geld, an momentan 21 Wochenenden im Jahr werden 1,8 Milliarden Dollar eingespielt. Gut die Hälfte davon wird an die zehn Rennställe ausgeschüttet. Einfache Formel: Je mehr Rennen, desto mehr Geld. Das spaltet die Teams. Die meisten Rennstallchefs wissen, dass sie ihrer Belegschaft keine zusätzliche Belastung mehr aufbürden können - und dass eine doppelte Besetzung eben auch doppelt so teuer wäre. Einzig Toro-Rosso-Boss Franz Tost sieht keinen negativen Einfluss auf das Sozialleben: "Die Familien sind mir egal. Wir haben 52 Wochenenden pro Jahr. Da können wir locker 26 Grand Prix fahren. Wo liegt das Problem?" Tatsächlich haben die Einsatzmannschaften aber schon nach dem zwölften Rennen enorme Sehnsucht nach der Sommerpause, jenen zwei Wochen, in denen Rennfabriken geschlossen bleiben müssen. Kommende Saison könnte es aber tatsächlich zu einem weiteren Grand Prix kommen: Barcelona hat offensichtlich für 2020 eine staatliche Garantie und will zurückkehren in den Rennkalender. Da sind es dann schon 22 ...

Sebastian Vettel

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(Foto: AFP)

Richtig glücklich ist Sebastian Vettel als Dritter nicht, es ist schließlich nur die kleinste Vase für den Pokal-Fetischisten. Genugtuung gibt nur der kleine Sieg über den Teamkollegen Charles Leclerc, taktisch ebenso sauber herausgefahren wie der von Lewis Hamilton. Das zweite Comeback in einer Woche, nur nicht ganz so spektakulär wie die Fahrt von hinten nach vorn in Hockenheim: "Ich hatte eine Möglichkeit, die habe ich genutzt. Ich bin froh, dass ich dafür etwas Champagner zur Abkühlung bekomme." Um zufrieden zu sein, war der Rückstand von Ferrari auf Mercedes und Red Bull zu riesig. Vettel war entsprechend säuerlich. Die Fragen, ob seine Frau Hanna, die zum dritten Mal schwanger ist, nach zwei Mädchen nun einen Jungen bekommt, nervten ihn. Mit eisverschmiertem Mund stand er RTL Antwort, aber auch das nur widerwillig. Der Heppenheimer braucht dringend Urlaub, obwohl Ferrari besser Tag und Nacht arbeiten sollte, um wenigstens auf den beiden kommenden Hochgeschwindigkeitsrennen besser auszusehen: "Wir haben eins auf die Mütze bekommen." An Vettels Motivation und Fahrkünsten, das haben die beiden vergangenen Rennen gezeigt, kann es nicht liegen. Er greift daher zu der Platte, die er noch häufiger auflegt als die Vinyls seiner geliebten Beatles, und der wohlbekannte Refrain geht so: "Wir. Sind. Einfach. Nicht. Schnell. Genug." Davon künden 94 Punkte Rückstand auf den WM-Spitzenreiter.

James Vowles

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(Foto: Getty Images)

Erst mal mit dem Motorrad über die Alpen, dann noch nach Kalifornien. Kleine, große Freiheiten für den Mann, der Mercedes das Rennen gewonnen hat. Auf dem Podium stand er im Eck, als es um den Sieg beim Großen Preis von Ungarn ging, war er mittendrin. Sieben Runden lang diskutierte er mit den Datenexperten zuhause in Brackley, mit Teamchef Toto Wolff und den Ingenieuren, ob man Lewis Hamilton noch einmal frische Reifen geben sollte, damit dieser trotz des zusätzlichen Stopps am Ende Max Verstappen noch einfangen kann. Für eine solche Entscheidung braucht es Routine, Übersicht und Mut. Oder, wie es Vowles' Vorgesetzter Wolff ausdrückt, "ausgeprägte Organe". Vormittags war die Harakiri-Taktik ausführlich beraten worden, aber da war es nur Theorie. Als es ernst wurde, war der 40-Jährige entschlossen, und er wusste, dass er sich auf Hamilton verlassen konnte. Da war nur der Bammel von Hockenheim, wo die Strategien ziemlich schie gelaufen waren. Hamilton zweifelte sie über Funk an, Vowles blieb hart, der Sieger entschuldigte sich später umgehend. Als Hamilton zwischenzeitlich vier Umläufe lang nicht die geforderte Sekunde pro Runde auf den Red Bull aufholte, gebrauchte die Box eine Notlüge, dass alles nach Plan laufe. Wolff: "Lewis muss man nur einen Köder hinwerfen, dann kannst du sicher sein, dass er darauf anspringt." Nicht in der letzten Runde wie prognostiziert, sondern zwei Runden vorher konnte er dank der besseren Reifen an Verstappen vorbeziehen. Gut möglich, dass die Finte vom Hungaroring über den Weltmeistertitel entschieden hat.

Valtteri Bottas

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(Foto: AFP)

Die Gefahr, dass Max Verstappen 2020 bei Mercedes andockt, ist gebannt. Was nicht bedeutet, dass der Nebensitzer von Lewis Hamilton seinen Job sicher hat. Im Gegenteil. Teamchef Toto Wolff hatte dem Finnen vor zwei Wochen gesagt, dass er durch Leistung überzeugen müsse. Ergebnis: Crash in Hockenheim, Platz acht in Ungarn. Pech, dass er sich früh einen Bremsplatten eingefahren hatte, nach Berührungen mit Hamilton und Leclerc die Fahrzeugnase getauscht werden musste und er ganz ans Ende zurückfiel. Aber so ist das leider oft bei ihm. "Es tut mir leid für Valtteri", sagte Wolff, "eine halbe Runde und alles ist zerstört." Er meinte das Rennen, nicht zwingend die Karriere. Für den Österreicher wird es die härteste Entscheidung des Jahres: Den fast 30-Jährigen Bottas nach drei Jahren in Silber in eine ungewisse Zukunft verabschieden - oder Talent Esteban Ocon (22) endgültig an Renault zu verlieren, weil man dem Franzosen keinen Platz bei Mercedes anbieten kann? Win-win gibt es dabei nicht. Wolff bleibt kryptisch, sagt nur, dass nicht ein Rennen allein den Ausschlag gebe. Aber egal, ob man sich für Routine oder Jugend entscheide, man wisse um die eigene Verantwortung: "Wir müssen die beste Entscheidung für uns, ab er auch für alle anderen Beteiligten treffen." Nur zu Erinnerung: Bottas ist immer noch WM-Zweiter, vor Verstappen.

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