Formel 1:Ultimatum in Le Castellet

Valtteri Bottas

Nach fünf Jahren zu Ende? Die Beziehung zwischen Valtteri Bottas und Mercedes scheint belastet.

(Foto: Gabriel Bouys/dpa)

Valtteri Bottas muss um seinen Zukunft im Cockpit bei Mercedes bangen, die Harmonie zwischen Team und Fahrer scheint gestört. Der Finne wünscht sich Klarheit, doch Teamchef Wolff lässt ihn warten.

Von Elmar Brümmer, Le Castellet

La Summer Race. Der Große Preis von Frankreich hat sich den passenden Titel gegeben für die heiße Phase der Formel 1. Fünf Rennen in sieben Wochen, danach dürften die Teams und Fahrer tatsächlich urlaubsreif sein. Zwei der 20 Rennfahrer hätten im August dann ganz gern Bescheid, wie es in Zukunft mit ihnen weitergeht. Valtteri Bottas, 31, bangt um seinen Verbleib im Weltmeister-Rennstall von Mercedes; George Russell, 23, hofft nach drei Jahren beim Schlusslicht Williams auf die Beförderung nach ganz oben. Beide haben in Le Castellet um eine Klärung in der Sommerpause gebeten. Einer hängt vom anderen ab - und das Ultimatum richtet sich auch noch an dieselbe Person: Über beider Schicksale entscheidet Toto Wolff, Teamchef und -mitbesitzer des deutsch-britischen Werksrennstalls.

Wolff hatte Bottas vor fünf Jahren von Williams losgeeist, weil er dringend einen Ersatz für den nach seinem Titelgewinn desertierten Nico Rosberg brauchte. Und Wolff hat auch George Russell, der zum Mercedes-Talentpool gehört, vor drei Jahren auf dem Ausbildungsplatz bei Williams geparkt. Vielleicht hat der Manager sein Entscheidung vielleicht schon getroffen, aber er denkt gar nicht daran, sich vom Personal unter Druck setzen zu lassen.

Wolff erhöht den Druck auf Bottas

Plötzlich behauptet der Österreicher, seine Entscheidung erst "irgendwann im Winter" bekanntzugeben. Diese Möglichkeit sei keineswegs ein Witz: "Wir waren unseren Fahrern gegenüber immer verbindlich und loyal. Genauso handhaben wir das jetzt auch wieder." Er verknüpft das mit einer Art Ultimatum an Bottas: "Die Hauptsache ist jetzt eine konstante Performance. Vor allem in einem so schwierigen Jahr brauchen wir zwei Fahrer, die in den Rennen voll dabei sind." Immerhin, in der Qualifikation am Samstag landete Bottas zwar hinter Verstappen und Hamilton, aber immerhin vor dem Red-Bull-Adjutanten Sergio Perez. Gehofft hatte er wohl auf eine Befreiung durch eine Pole-Position, und attestiert sich bislang nur ein "starkes Wochenende, definitiv besser als die letzten paar Wochen".

63 George Russell (GBR, Williams Racing), F1 Grand Prix of Azerbaijan at Baku City Circuit on June 6, 2021 in Baku, Aze

Das Mercedes-Cockpit im Blick? Die Zeit spielt für George Russell.

(Foto: imago)

Der öffentliche Ruf nach Klarheit der Mercedes-Kandidaten in Le Castellet ist ungewöhnlich, aber verständlich. Denn trotz oder wegen des Reglement-Wechsels im kommenden Jahr sind die aussichtsreichsten Chauffeurstellen vergeben. Möglich, dass kleine Rochaden erwogen werden, aber diese betreffen dann eher Piloten aus dem Red-Bull-Kader oder dem Junior-Team von Ferrari. Einzig Mercedes hat die Situation für 2022 und darüber hinaus noch nicht geklärt.

Auf der Insel träumen die Fans von einem britischen Dream-Team

Sowohl Rekordweltmeister Lewis Hamilton als auch Valtteri Bottas besitzen lediglich Einjahresverträge, die zum Jahresende auslaufen. Der Brite hatte lange und hoch gepokert, darf aber auf einen gut dotierten Rentenvertrag hoffen. Der Finne wollte schon im vergangenen August Sicherheit für zwei Jahre, die ihm aber verweigert wurde. Denn Mercedes hatte mit Russell und dem Franzosen Esteban Ocon (24) gleich zwei Talente für die Zukunft an der Hand. Mittlerweile hat Ocon bei Renault angeheuert, das Konzernteam hat ihm gerade einen Drei-Jahres-Vertrag gegeben. Damit bleibt Wolff nur Russell als Perspektive - aber was wird mit Bottas? Außer dem Rücktritt nur die Rückkehr zu Williams, für einen späten Neuanfang. Das ist für den Rennstall, der mit neuem Investor und unter dem Deutschen Jost Capito gerade komplett umgekrempelt wird, durchaus eine reizvoll Perspektive - aber kaum für den amtierenden Vizeweltmeister.

In England träumen die Fans schon vom rein britischen Dream-Team Hamilton/Russell, die Medien haben gerade erst wieder vermeldet, dass der Deal schon perfekt ist. Bottas reagiert darauf lakonisch: "Mir hat keiner vom Team gesagt, dass ich raus bin. Es sind jede Saison die gleichen Fragen, immer dieselben Störgeräusche. Diese Stories werden geschrieben, um Klicks zu machen."

Doch ausgerechnet in dieser entscheidenden Phase tut sich Bottas schwer wie nie. Dreimal wurde er in den bisherigen sechs Rennen Dritter. Klingt ordentlich, aber damit ist er schon jeweils um einen Rang unter den Erwartungen von Mercedes geblieben. Dazu drei Nullrunden, das macht in Summe lediglich 47 Punkte und Gesamtrang sechs. Zum Vergleich muss man gar nicht Hamilton heranziehen (drei Siege, 101 Punkte), sondern Red Bulls zweiten Mann Sergio Perez. Der ist WM-Dritter mit 69 Zählern und hat zusammen mit Max Verstappen dafür gesorgt, dass der Brause-Rennstall in der Konstrukteurs-Wertung vor Mercedes liegt.

Dazu muss nicht nur der Fahrer seinem Team vertrauen, sondern die Mannschaft auch an den Piloten glauben. Diese Harmonie scheint im fünften Jahr zwischen Bottas und Mercedes gestört zu sein, wenngleich keiner genau sagen kann, warum. Aber die schlechten Schwingungen sind in Nuancen immer häufiger zu spüren. Was sich nicht gerade besonders gut auf das Seelenheil von Bottas auswirkt. Wenn dann Lewis Hamilton in Frankreich mit seinem Rennwagenchassis unzufrieden ist, und nicht etwa einen Ersatzwagen bekommt, sondern Bottas mit ihm tauschen muss, weil dessen Auto ein paar hundert Kilometer weniger auf dem Buckel hat, trägt das kaum zur Steigerung des Selbstwertgefühls bei.

George Russell ahnt, dass die Zeit für ihn spielen wird, er ist eine der großen Hoffnungen der nächsten Fahrergeneration. Der Brite gibt sich gelassen: "Ich weiß, was geredet wird. Aber im Moment genieße ich es einfach zu fahren. Und irgendwie kann es ja auch aufregend sein, nicht zu wissen, was die Zukunft bringt." Valtteri Bottas hätte wohl lieber einen geruhsamen Sommer.

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