Süddeutsche Zeitung

Formel 1:Teurer Strafzettel

Trotz der Entlassung von Flavio Briatore droht Renault Ungemach: Der Rennstall soll für Unfall-Schwindel um Nelson Piquet 500 Millionen Euro zahlen.

René Hofmann

Nach dem Rückzug von Flavio Briatore aus der Formel 1 haben viele Wegbegleiter mit dem bisherigen Renault-Teamchef abgerechnet. "Man kann ihn überhaupt nicht verteidigen. Was er getan hat, war völlig überflüssig", sagte Formel-1-Vermarkter Bernie Ecclestone der Daily Mail. Ecclestone hatte sich in den vergangenen Jahren gerne mit Briatore gezeigt und mit ihm den Fußballklub Queens Park Rangers erworben. Nun ließ die Angst um die eigenen Geschäfte offenbar die innige Freundschaft erkalten. Ecclestone hofft: "Die Formel 1 hat sich schon so oft erholt. Sie wird sich auch davon erholen."

Briatore war am Mittwoch von Renault entlassen worden. Ihm wird vorgeworfen, im vergangenen Jahr beim Rennen in Singapur Nelson Piquet junior zu einem strategischen Unfall angestiftet zu haben, der seinem Teamkollegen Fernando Alonso zum Sieg verhalf. "Das ist der größte Schaden, der der Formel 1 je zugefügt wurde", findet Niki Lauda. Der dreimalige Weltmeister sagte der Bild-Zeitung weiter: "Ich wusste immer, was für ein Grenzgänger Flavio ist. Ein Hammer, welche Falschaussagen er selbst am Wochenende noch ohne rot zu werden geäußert hat."

Beim Großen Preis von Italien in Monza hatte Briatore die Vorwürfe noch vehement bestritten, die Piquet junior nach seiner Entlassung wegen Erfolglosigkeit nach dem Großen Preis von Ungarn Ende Juli dieses Jahres dem Automobilweltverband Fia in einer eidesstattliche Erklärung mitgeteilt hatte. Den Crash, so Piquet junior, hätten Briatore und Technikchef Pat Symonds ausgeheckt. In Monza hatte Briatore das noch als Lüge abgetan und Piquet einen "verwöhnten Bengel" genannt. Wie Renault hatte er in Frankreich Strafanzeige wegen Falschaussage und versuchter Erpressung gegen den Fahrer und seinen Vater, Nelson Piquet senior, erstattet.

Am Mittwoch vollzog Renault dann eine überraschende Kehrtwende. Am Vormittag sagte Konzernchef Carlos Ghosn auf der Automobilausstellung in Frankfurt noch: "Das einzige, was ich möchte, ist, dass wir nicht überstürzt reagieren." Um kurz nach 13Uhr verschickte seine Firma dann die Mitteilung: Das Formel-1-Team werde die Vorwürfe, die das Rennen in Singapur betreffen, nicht weiter abstreiten. Briatore und Symonds hätten das Team verlassen. Renault-Vizechef Patrick Pelata sagte dazu am Donnerstag französischen Medien: "Wir wollen nicht, dass sich ein Fehler von zwei Leuten auf die ganze Firma und das gesamte Formel-1-Team auswirkt." Briatore sei "moralisch verantwortlich" für das Fehlverhalten und deshalb sei er zurückgetreten.

Briatore selbst stellt die Demission als edel dar. "Ich habe mich für das Team geopfert und versucht, es zu retten. Das ist meine Pflicht gewesen, und das ist der Grund, warum ich gegangen bin", sagte er dem Daily Mirror. Welche Strafe Renault bekommt, wird am 21. September in Paris entschieden, wenn der Fia-Weltrat zusammentritt. Vor zwei Jahren verurteilte das Gremium den Rennstall McLaren-Mercedes wegen Spionage bei Ferrari zu einer Rekordstrafe von hundert Millionen Dollar. "Wenn Mercedes 100 Millionen zahlen musste, dann sind bei Renault jetzt 500 Millionen Euro fällig", fordert der einstige Formel-1-Fahrer und heutige VW-Repräsentant Hans-Joachim Stuck.

Der dreimalige Weltmeister Jackie Stewart sagte der Nachrichtenagentur AP: "Es ist etwas grundsätzlich faul und falsch im Herzen der Formel 1. Ich habe noch nie zuvor erlebt, dass die Formel 1 einen solchen Hang zur Selbstzerstörung hat. Millionen von Fans sind verwundert, wenn nicht sogar angewidert davon, dass ein Sport von einer Krise in die nächste schlittert." Ob Renault weiter in der Rennserie antritt, ist offen. Vizechef Pelata sagte dazu am Donnerstag: "Es ist jetzt nicht die richtige Zeit für dieses Thema. Wir werden uns Zeit nehmen, bevor wir alle Optionen prüfen." In dem Projekt sind augenblicklich etwa 700 Menschen beschäftigt. Nach 13 von 17 Rennen in dieser Saison belegt die Equipe in der Konstrukteurswertung den enttäuschenden achten Platz.

Ein Fia-Schuldspruch könnte zudem die Tür für Klagen gegen Renault öffnen. Mit dem vorsätzlichen Unfall hat sich die Mannschaft Prämien erschwindelt, die die Konkurrenz nun beanspruchen könnte. Britische Medien berichten zudem davon, dass in Singapur Strafanzeige gegen die Drahtzieher gestellt werden könnte, weil der Unfall Zuschauer, Streckenposten und andere Piloten in Gefahr brachte. "Das ist der schlimmste Fall von Manipulation in der Sportgeschichte", kommentierte die Times in London. Italienische und spanische Medien sehen das nicht so eindeutig. In ihnen klang an, dass Briatore auch das Opfer eines Ränkespiels geworden sein könnte.

Als im Sommer einige Teams mit einer Alternativ-Serie drohten, hatte er sich eindeutig gegen Formel-1-Vermarkter Bernie Ecclestone und Fia-Chef Max Mosley gestellt. "Renault überreicht der Fia den Kopf von Flavio Briatore", schrieb die spanische Zeitung As. La Gazzetta dello Sport fürchtet: "Da wurde wieder eine alte Rechnung beglichen." René Hofmann

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.35668
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 18.09.2009/jüsc
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.