Vier neue Teamchefs:Ein Stühlerücken, das die Formel 1 verändern wird

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Es läuft ganz ordentlich auf der Karriereleiter für Andreas Seidl, 46, aus Passau. (Foto: Antonin Vincent/Imago)

Innerhalb weniger Tage erhalten vier Rennställe neue Chefs. Ferrari bekommt einen gewieften Politiker und Aufräumer - doch die Inthronisierung des Deutschen Andreas Seidl beim Audi-Projekt überstrahlt alles.

Von Elmar Brümmer

Ein einfaches Stühlerücken war das nicht, was Anfang der Woche über Nacht in den Kommandozentralen der Formel 1 geschehen ist. Mehr schon ein Erdbeben auf dem Arbeitsmarkt für Führungskräfte. Ungefähr so, als ob sieben Vereine der Fußball-Bundesliga die Verantwortlichen ausgetauscht hätten. Dass 40 Prozent der Rennställe in der Königsklasse des Motorsports neue Chefs erhalten, hat es, zeitlich so konzentriert, noch nie gegeben.

Es sind nicht nur Gesichter und Posten, die da verschoben werden. Die überraschenden Wechsel und Auswechslungen bringen auch neue Anforderungsprofile mit sich - und könnten die Motorsport-Landschaft nachhaltig verändern.

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Der Reihe nach: Jost Capito, 64, wurde mit wenig Gefühl von den Investoren des Williams-Rennstalls in den Ruhestand verabschiedet, der von ihm verpflichtete Technikchef gleich mitgeschasst. Alfa Romeo vermeldete erwartungsgemäß und mit größerer Trauer bei der Schweizer Belegschaft die Beförderung von Frédéric Vasseur auf den heißen Stuhl bei Ferrari, wo der Franzose am 9. Januar als General Manager den Dienst antritt. Ein hübsches Code-Wort für Aufräumer, nachdem Vorgänger Mattia Binotto mit einem Rücktritt seinem Rausschmiss zuvorgekommen war.

Innerhalb von drei Jahren hat Seidl den Traditionsrennstall McLaren zu einer aufsteigenden Truppe geformt

Es folgte die größte Überraschung der Rochade, als McLaren den Abschied seines aus Passau stammenden Teamchefs Andreas Seidl vermeldete. Seidl, 46, wird bei dem britischen Traditionsrennstall, den er in drei Jahren von einem Relikt glorreicher Vergangenheit zu einer aufsteigenden Truppe geformt hat, durch den bisherigen Technikverantwortlichen Andrea Stella ersetzt, der einst Ingenieur von Michael Schumacher während der glorreichen Zeiten bei Ferrari war. Tatsächlich überstrahlt Seidls Fortgang bei McLaren die Vermeldung eines neuen Chefs der Scuderia - was wohl noch nie zuvor geschehen ist.

Seidl, der als einer der klügsten, charmantesten und vor allem ehrlichsten Manager im Fahrerlager der Formel 1 gilt, springt nämlich gleich ein paar Karrierestufen höher - er wird nicht Teamchef, sondern gleich CEO bei der Sauber Motorsport AG im Zürcher Oberland. Jener Firmengruppe also, die von 2026 an unter der Nennung Audi ein neues Kapitel deutscher Motorsportgeschichte schreiben soll.

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Die Ingolstädter werden etappenweise die Mehrheit von Sauber erwerben, gratulierten aber nach Seidls Verpflichtung förmlich dem Sauber-Besitzer Finn Rausing. Der Schwede, der mit seinen Tetrapak-Tantiemen das Team vor fünf Jahren gerettet und Vasseur als Statthalter eingesetzt hatte, wird die wichtige Personalie garantiert nicht ohne Placet aus Ingolstadt entschieden haben. Dass Seidl übergangslos aus dem britischen Woking in die Schweiz wechseln kann, wo er als BMW-Ingenieur schon einmal in leitender Funktion gearbeitet hatte, hat auch mit den offenen Karten zu tun, mit denen er bei McLaren-Boss Zak Brown gespielt hat.

Bereits im Sommer hatte Seidl dem Teameigner aus den USA erklärt, dass er seinen Ende 2025 auslaufenden Vertrag nicht verlängern werde, sondern sich neuen Herausforderungen stellen wolle. Brown war sofort klar, dass Seidls Zukunft vier Buchstaben und vier Ringe haben würden. Als Ferrari sich schließlich um Vasseur bemühte, war bereits klar, dass dessen Freigabe zur Formsache werden würde.

Der neue Ferrari-Boss Frédéric Vasseur gilt als gewiefter Politiker

Seidls Job, eine Einsatzmannschaft zu formen, die der Ingolstädter Paradefabrik, dem Superrechner und dem Windkanal auf Weltniveau entspricht, kommt einem ähnlichen Druck gleich, wie ihn der versierte Ingenieur und Strippenzieher Vasseur in Maranello verspüren wird. Mit dem Unterschied, dass der Bayer etwas mehr Zeit hat, neue Strukturen aufzubauen und eine andere Perspektive.

Ferraris CEO Benedetto Vigna hat gerade erst wieder die gnadenlose Formel-1-Weisheit zitiert, wonach der Zweite der erste Verlierer ist. Und die Scuderia war lang genug Zweiter, oder auch Dritter. Vasseurs wertvollster Verbündeter wird daher der Fahrer Charles Leclerc sein, den er für die Formel 1 entdeckte und ausgebildet hat. Ob es tatsächlich ein Vorteil ist, seit anderthalb Jahrzehnten als der erste Chef der Gestione Sportiva zu agieren, der nicht aus eigenen Ferrari-Reihen stammt, wird sich weisen. Vasseur gilt als gewiefter Politiker, Kenntnisse über die Seilschaften unter dem springenden Pferdchen besitzt er schon zuhauf: Zuletzt war er bei Alfa Romeo Leasingkunde der Motorenabteilung, als Manager von Nachwuchsfahrern hat er ebenfalls enge Bande knüpfen können, auch zu Jean Todt und dessen Familie. Das Wort von Todt, dem Vater der glorreichsten Ferrari-Ära zur Jahrtausendwende, hat in Maranello immer noch Gewicht, sein Sohn ist praktischerweise auch Manager von Leclerc. Ein kleines gallisches Dorf im römischen Renn-Reich.

Der neue Ferrari-Boss Frédéric Vasseur verspricht, dass er "für unsere Tifosi in aller Welt liefern" werde. (Foto: David Davies/dpa)

Nach eigenem Willen schalten und walten wie zuletzt bei der Renntruppe von Alfa Romeo wird Vasseur nun nicht mehr können, er muss Ruhe, Motivation und Erfolg zugleich in die verunsicherte Ferrari-Mannschaft bringen. Aber dem Reiz des Ruhms und einer satten Gehaltserhöhung konnte der 54-Jährige kaum widerstehen. Natürlich sieht er den Job in der Via Enzo Ferrari als Krönung seiner Karriere an, und verspricht, dass er "für unsere Tifosi in aller Welt liefern" werde.

Das Teamchef-Karussell wird sich wohl noch weiter drehen. Mattia Binotto ist auf dem Markt, auch Jost Capito muss nicht in Rente bleiben. Auch Andreas Seidl sucht zur eigenen Arbeitserleichterung noch dringend einen Mann fürs Tagesgeschäft an der Boxenmauer. Die Personalien Vasseur und Seidl zeigen jedoch vor allem, dass die wichtigen Aufgaben im Milliardenbusiness Formel 1 auch jenseits der Boxengassen liegen. Mercedes-Miteigner Toto Wolff und Red Bull-Einsatzleiter Christian Horner, die seit einem Jahrzehnt die Vergabe der WM-Titel unter sich ausmachen, erfüllen längst jene Multiaufgaben, die Vorstandsvorsitzende in Unternehmen ausüben. Der 50 Jahre alte Österreicher Wolff war derjenige, der den Job des Rennstallprinzipals neu definiert und moderne Managementmethoden eingeführt hat.

Als die Bilder aus den Personalakten von Vasseur und Seidl sich in den sozialen Medien verbreiteten, steuerte auch die Kommunikationsabteilung der Silberpfeile das Foto eines mit dem Mercedes-Stern um die Wette strahlenden Toto Wolff bei, der übrigens ein langjähriger Freund von seinem künftigen Gegner Vasseur ist: "Breaking news - wir haben nichts anzukündigen, deshalb hier ein Bild von unserem Boss." Wer dachte, dass die Stars allein in die Cockpits sitzen, hat das Formel-1-Geschäft nicht verstanden.

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