Fahrgeschäfte stehen hoch im Kurs in Suzukaland, dem Vergnügungspark mit angeschlossener Rennstrecke in der Präfektur Mie. Das Riesenrad wacht wie ein großes Auge direkt an der Start-Ziel-Geraden. Die Kinderdichte im Fahrerlager der Formel 1 ist ungewöhnlich hoch, darunter sogar Anderthalbjährige, die bereits das neue Modewort Yuki beherrschen. Es ist vielleicht das schönste Abschiedsgeschenk, das Red Bull Racing seinem japanischen Motorenausrüster Honda, dem auch der Suzuka Circuit gehört, zum letzten gemeinsamen Auftritt in Japan machen konnte.
Das Rennstallmanagement mit dem britischen Teamchef Christian Horner, dem österreichischen Konsulenten Helmut Marko und dem deutschen Sportgeschäftsführer Oliver Mintzlaff hatte zwischen dem zweiten und dritten WM-Lauf das Personalkarussell angeworfen. Dem Tempo der Königsklasse entsprechend, lagen zwischen dem ersten und dem letzten Rennen des Neuseeländers Liam Lawson an der Seite von Max Verstappen nur 173 Stunden. An diesem Wochenende versucht sich deshalb erstmals der Japaner Yuki Tsunoda neben Weltmeister Verstappen, während Lawson im Tausch (und zur Strafe) zum konzerneigenen Ausbildungsteam Racing Bulls zurückgeschickt wird. Was für ein Rummel!

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Furchtbar nett, wie der 24-Jährige außerhalb des Cockpits ist, hat Yuki Tsunoda allen in seinem neuen Team eine spezielle Kappe mitgebracht. Auch dem viermaligen Weltmeister Verstappen, aber die Übergabe wirkte etwas ungelenk, da der Niederländer noch seinen Helm auf dem Kopf hatte und die hübsche Kappe abrutschte. Aber die Geste zählt, und Tsunoda bemüht sich um ein gutes Verhältnis zum sportlich unangenehmsten Teamkollegen, den man in der Formel 1 haben kann. Er wolle sich möglichst viel abschauen beim Champion, was angesichts von Lawsons Blitzdegradierung auch angemessen scheint. Verstappen reagierte gewohnt emotionslos: „Den richtigen Dreh muss er schon selbst herausbekommen.“
Die Bandbreite der Aussichten für Yuki Tsunoda nach dem fliegenden Wechsel der Red-Bull-Nachwuchskräfte reicht vom ersehnten Sprung in die Punkteränge bis zum am Saisonende drohenden Karriereende, falls er sich nicht auf dem heißen Sitz halten kann. An letztere Variante will er keinen Gedanken verschwenden, spricht von einer schicksalhaften Fügung. Es gibt allerdings nicht wenige im Fahrerlager, die glauben, dass Tsunoda in den schlechteren der beiden Fahrzeugtypen aus dem Getränkehandel umgestiegen ist.
Die große Zukunftsfrage: Wie lange wird sich Verstappen das noch antun?
Titelverteidiger Verstappen bemüht sich redlich zu beweisen, dass man als Rennprofi auch gegen sein eigenes Auto gewinnen kann. Der Niederländer ist aktuell Zweiter der Fahrerwertung. Aber müssen nicht zwangsläufig andere an der Aufgabe, den eigenwilligen RB 21 zu zähmen, scheitern? Die Balance des Wagens, sagt Verstappen, sei im Gegensatz zum Vorjahr nicht mehr das Problem, „wir sind einfach nur zu langsam“. Damit haben sich die nervösen Zweifel vom Sportgerät weg hin zu einem Rennstall bewegt, der ohnehin noch mit den Nachwehen einer Affäre um Christian Horner zu tun hat. Und der unter dem Weggang von Designguru Adrian Newey und Teammanager Jonathan Wheatley leidet.
Diese Thematik reicht weit über Tsunodas Debüt hinaus, es geht um die ganz große Zukunftsfrage: Wie lange wird sich Verstappen das noch antun wollen – ist er der Nächste, der geht? Darüber kann man ja nicht früh genug nachdenken, und es braucht keine Interviews von McLaren-Teamboss Zak Brown in englischen Gazetten, in denen der US-Amerikaner voraussagt, dass Verstappen zum Saisonende Red Bull verlassen werde. Die Optionen kennt jeder: Mercedes oder Aston Martin, bis zu der Fantasiesumme von einer Milliarde Pfund, mit der das britische Team locken soll.
Silberpfeil-Statthalter Toto Wolff behauptet, dass sich die Verstappen-Frage derzeit nicht stelle. Doch was von den potenziellen neuen Arbeitgebern dementiert oder ignoriert wird, wirkt mal mehr, mal weniger überzeugend. Die nächsten Resultate von Red Bull werden eine Tendenz zeigen. Browns Absicht, Unruhe beim vielleicht immer noch härtesten Gegner zu stiften, erscheint naheliegend. Aber von der Ausstiegsklausel in Verstappens bis 2028 laufendem Rentenvertrag weiß auch jeder, sie ist leistungsbezogen – auf das Auto gemünzt.
So schnell drehen sich die Befindlichkeiten in der Formel 1: Früher stichelte Red Bull bei jeder Gelegenheit, jetzt herrscht anhaltende Unruhe nach innen. „Verstappens Verbleib ist eine existenzielle Frage“, orakelt das Fachmagazin Auto, Motor und Sport. Denn das Red-Bull-Auto ist ein Biest. Ihm die Launen auszutreiben, erscheint laut Verstappen wirklich nicht so einfach: „Wir haben uns selbst in diese Lage gebracht. Ich passe mich an, so gut es geht. Das Ziel muss jetzt sein, das Auto fahrbarer zu machen. Das würde auch dem zweiten Fahrer helfen.“ Dass ein Rennwagen auf den schnelleren der beiden Piloten eines Teams zugeschnitten wird, ist branchenüblich.
Ganz in Weiß, wie bei einer Neuvermählung, treten Verstappen und Tsunoda in Suzuka an, in Wahrheit ist es aber eine Reminiszenz an die klassischen Honda-Farben. Weiß ist in Japan die Farbe, die für Männlichkeit steht und oft von den Samurai unter der Rüstung getragen wurde. Sie steht für die Bereitschaft, bis zum Äußersten zu gehen.