Sieben Kurven in der Formel 1:Mercedes erweist Niki Lauda posthume Ehre

Mitten im silber-türkisen Jubel thront in Suzuka eine rote Kappe. Ferrari-Fahrer Charles Leclerc gefährdet mit einem sich auflösenden Frontflügel seine Kollegen.

Von Elmar Brümmer

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Niki Lauda

F1 Grand Prix of Japan

Quelle: Charles Coates/Getty Images

In dem Pokal von Suzuka, der auf dem obligatorischen Mannschaftsbild von Mercedes ganz vorn steht, steckt eine rote Kappe. Was für ein Symbol! Der Mann mit der Mütze, Niki Lauda, war im Mai für immer gegangen. Aber das Markenzeichen des Österreichers hat in der silbernen Box immer noch einen festen Platz, auch sein Kopfhörer hängt da noch. "Ohne Niki Lauda wäre das nicht möglich gewesen, er war ein massiver Baustein für diesen Erfolg", weiß Mercedes-Teamchef Toto Wolff nach dem sechsten Konstrukteurstitel in Folge, dem auch der sechste Sieg in der Fahrerwertung hintereinander folgen wird. Sechs Doubles, das ist Formel-1-Rekord, übertrifft die Bestmarken von Ferrari und Michael Schumacher vom Anfang des Jahrtausends. "Jeder Titelgewinn ist anders", sagt Lewis Hamilton, "und bei diesem hier fehlt Niki. Aber ich bin sicher, er würde heute seine Kappe ziehen." Der Teamaufsichtsrat, der im Alter von 70 Jahren gestorben ist, war die treibende Kraft hinter der Verpflichtung Hamiltons gewesen und der kongeniale Partner von Wolff beim Umbau des Rennstalls.

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Lewis Hamilton

F1 Grand Prix of Japan

Quelle: Getty Images

Er macht das ja jetzt zum sechsten Mal mit, Mannschaftsweltmeister mit Mercedes werden. Trotzdem ist für den Briten jeder Titel immer wieder eine neue Erfahrung. Stolz sei er, Teil dieser Reise zu sein. Für viele ist Hamilton längst eine Art Reiseführer, der seinen Willen und seine Talente mit dem Können des Teams zu multiplizieren weiß: "Als ich 2013 in diesen Rennstall kam, hatte ich nichts als den Glauben daran, dass es klappen könnte. Es ist verrückt, jetzt zu erleben, wie sich das alles auszahlt. Damals hat mich die Hingabe aller überzeugt - und die ist bis heute unverändert groß." Dass er zum vorzeitigen Vollzug der Konstrukteurs-WM diesmal nur einen dritten Platz beisteuern konnte, weil die Strategen seinem Wunsch nach einem Boxenstopp weniger nicht nachkamen? Wird bloß eine Episode bleiben. Wer bei noch vier ausstehenden Rennen zweieinhalb Siege Vorsprung auf seinen einzigen Rivalen, den Teamkollegen Valtteri Bottas hat, der kann auch dem persönlichen sechsten Titelgewinn gelassen entgegensehen. In zwei Wochen in Mexiko könnte es schon so weit sein, Hamilton müsste dazu mindestens 14 Punkte mehr einfahren als sein finnischer Gegenspieler.

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Valtteri Bottas

*** BESTPIX *** F1 Grand Prix of Japan

Quelle: Getty Images

Ganz war sich der Überraschungs-Spitzenreiter, der vom dritten Platz außen um die Ferraris herum ganz nach vorn geschossen war, dann nicht mehr sicher, ob er das Rennen würde gewinnen können. Bange fragte er nach seinem zweiten Reifenwechsel am Kommandostand nach, ob Lewis Hamilton denn tatsächlich auch noch an die Box käme. Trotz der Bestätigung fragte er lieber noch ein zweites Mal nach, bis ihm versichert wurde: "Er wird kommen." Als der Große Preis von Japan dann eine Runde zu früh abgewunken wurde, stand der dritte Sieg des Adjudanten in diesem Jahr fest. Einen, auf den er seit April warten musste. Bottas bewies in der Sekunde des Triumphs Humor, als er aus dem Cockpit dem Mercedes-Strategen James Vowles anfunkte. Immer, wenn sich Vowles sonst selbst mit den Worten "Valtteri, it's James..." meldet, muss Bottas Helferdienste für Hamilton leisten. Diesmal war es andersherum: "James, hier spricht Valtteri - gut gemacht!" Auch für die restlichen vier Rennen gilt bei Mercedes, dass die beiden Piloten frei gegeneinander fahren dürfen. "So lange eine Chance besteht, werde ich nicht aufgeben", verspricht Bottas, frisch beflügelt. Auch wenn seine Hoffnung bei 64 Punkten Rückstand und maximal noch 104 zu holenden Zählern eher theoretischer Natur ist.

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Sebastian Vettel

F1 Grand Prix of Japan

Quelle: Getty Images

Suzuka ist seine Lieblingsstrecke, und am Sonntagmorgen hat sich der Heppenheimer noch einmal frisch verliebt, mit einer Traumrunde, die sich für ihn anfühlte, "als sei ich geflogen". Einmal nur kurz stand er auf der Bremse, dann war sie endlich da, die zweite Pole-Position der Saison, mit der er den Fluch von neun Qualifikationsniederlagen in Folge gegen Charles Leclerc brechen konnte. Suzuka ist aber auch eine Berg- und Talbahn, was wunderbar zu dem passt, was drei Stunden nach dem Qualifying passierte: Fast ein Frühstart, auf jeden Fall ein Fehlstart. Einmal gezuckt, schon war der Schwung dahin, Rennsieger Bottas auf und davon. "Mein Fehler", sagt Vettel, der am Ende sein Heil in der Verteidigung suchen musste. Wie er mit dem Ferrari den schnelleren Silberpfeil von Lewis Hamilton auf Kampflinie acht Runden lang abwehrte, das war höchste Fahrkunst. Und ein klares Indiz dafür, dass der vierfache Weltmeister mit seinem Traum vom Titel in Rot noch nicht abgeschlossen hat. Vor dem 17. WM-Lauf hatte er sich die Frage gefallen lassen müssen, ob er sich zu Nummer zwei bei der Scuderia degradiert fühle. Das hatte er mit fester Stimme und den Worten "Gar nicht" bestritten. Im Rennen hat er es bewiesen, auch wenn er nicht gewonnen hat.

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Charles Leclerc

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Quelle: AP

Es schien nur ein kleiner Bodycheck in Kurve zwei zu sein, aber der hatte gewaltige Auswirkungen. Nachdem auch der Monegasse ähnlich wie Kollege Vettel den Start vermasselt hatte, setzte sich Max Verstappen im Red-Bull-Honda neben den Ferrari, wäre wohl auch vorbei gewesen. Aber dann lenkte Leclerc dagegen, schubste den Niederländer kreiselnd auf die Wiese. Verstappen musste später aufgeben. Trotzdem hätten die Sportkommissare nicht gegen Leclerc ermittelt - wäre er nicht stur mit einem sich auflösenden Frontflügel weitergefahren. Die Karbonteile zerfetzten einen Seitenspiegel am Auto von Verfolger Lewis Hamilton. Erst in Runde drei wurde das kaputte Teil ausgetauscht. Am Ende belegte Leclerc Rang sechs, das war für die Umstände noch ganz ordentlich. Aber abgerechnet wurde hinterher: Fünf Strafsekunden für den Crash und nochmal zehn dazu für das Weiterfahren mit einem unsicheren Auto, damit wurde er noch einen Rang zurückgestuft. "Mein Fehler", gab der Aufsteiger des Jahres zu. Ein bisschen allerdings auch der des Kommandostandes.

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Günther Steiner

Formula One F1 - Russian Grand Prix

Quelle: REUTERS

Der Tiroler, Teamchef beim US-Rennstall Haas, ist so etwas wie der heimliche Held der Königsklasse. Mit seinem Brachial-Englisch und deftigen Sprüchen wurde er zum Publikumsliebling einer Netflix-Doku. Nicht alle mögen es so heftig, die Sportkommissare des Automobilweltverbandes Fia schon gar nicht. Beim Rennen in Sotschi hatte er seinen Fahrer Kevin Magnussen, der wegen einer Zeitstrafe auf den neunten Rang zurückgestuft worden war, über Boxenfunk so getröstet: "Wäre da nicht ein dummer, idiotischer Kommissar, dann hätten wir den achten Platz. Du kennst den ja, es ist immer das Gleiche mit ihm..." Es ging um den italienischen Ex-Rennfahrer Emanuele Pirro, und Steiner drohten drakonische Strafen. Das Renngericht in Suzuka ließ aber Milde walten, und verhängte nur eine Geldstrafe in Höhe von 7500 Euro für "moralische Verletzungen". Künftig, verkündete das Gericht unter dem Vorsitz des deutschen Funktionärs Gerd Ennser, würden solche Vorkommnisse härter bestraft.

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Hagibis

Großer Preis von Japan

Quelle: dpa

Die einzige Gerade, die am Samstag im japanischen Mobilityland in Betrieb sein sollte, war lediglich 19, 20 Meter lang. Es war die in der Bowlinghalle, die vorsichtshalber als Evakuierungszentrum umfunktioniert wurde. Ansonsten hatte der aufziehende Super-Taifun Hagibis die Formel 1 lahm gelegt. Die Rennstrecke am Qualifikationstag wurde gesperrt, die Teams und Fans mussten im Hotel bleiben. Die Vorsichtsmaßnahme hatte sicher mit dem tragischen Unfall von Jules Bianchi vor fünf Jahren im Dauerregen zu tun, und mit der Sorge vor internationalen Negativschlagzeilen mit Blick auf die bevorstehenden Olympischen Spiele 2020. Für Suzuka lief es glimpflich ab, die höhere Gewalt sorgte sogar für einen Super-Sonntag, bei dem die Sonne schien: Qualifikation und Rennstart innerhalb von vier Stunden. Ein Kompaktprogramm, das Zukunft hat. Es bringt zwar Stress für Mechaniker und Strategen, Fahrern wie Lewis Hamilton aber macht die schnelle Taktung Spaß - und Formel-1-Besitzer Liberty Media will sowieso lieber kürzere, dafür aber mehr Rennwochenenden. Die unfreiwillige Generalprobe ist gelungen.

© SZ.de/jki
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