Formel 1:Stadtkurs ohne Stadt

Lesezeit: 3 min

Die Formel-1-Strecke in Südkorea ist tatsächlich fertig geworden, die Fahrer erkunden sie joggend oder auf dem Fahrrad. Die Frage ist nur: Hält der Asphalt?

René Hofmann

Wenn die Formel 1 neues Terrain für sich erobert, ist es immer spannend. Vor dem ersten Türkei-Grand-Prix, der im Jahr 2005 in der Nähe von Istanbul ausgetragen wurde, erschien Formel-1-Vermarkter Bernie Ecclestone am Donnertstag vor dem Rennen persönlich im Pressezentrum, um die Tische an die vorgesehenen Stellen zu rücken. Beim ersten Großen Preis von Bahrain, der ein Jahr zuvor in dem islamischen Land stattgefunden hatte, hatten sich große Teile des welterfahrenen Formel-1-Trosses gewundert, dass in ihren Hotels abends sehr viele, sehr luftig gekleidete junge Frauen auftauchten und etliche Zimmer offenbar pro Stunde vermietet wurden. Sich in bislang unbekanntem Gebiet aufzuhalten, bringt eben oft Überraschungen mit sich.

Fernando Alonso radelt gemeinsam mit einem Ferrari-Mechaniker die Strecke in Südkorea ab. (Foto: AFP)

An diesem Wochenende will die Rennserie ein weiteres Land auf dem Globus für sich gewinnen: Der erste Große Preis von Südkorea steht an. In Yeongam, einige hundert Kilometer südlich der Hauptstadt Seoul, wurde dafür extra eine neue Rennstrecke gebaut, für mehr als 250 Millionen Dollar. An diesem Mittwoch kamen die ersten Fahrer und Techniker dort an - und die erste Überraschung ließ nicht lange auf sich warten: Es gibt wirklich eine Strecke! Damit war nicht unbedingt zu rechnen. Vor wenigen Wochen noch kursierten Fotos der weitläufigen Baustelle, auf denen zu erkennen war, dass auf dem Rundkurs noch die finale Asphaltschicht fehlt und auf den Zufahrtsstraßen noch viel mehr.

Die Ferrari-Fahrer Fernando Alonso und Felipe Massa erkundeten die Strecke, auf der am Sonntag um acht Uhr deutscher Zeit das drittletzte Saisonrennen gestartet werden soll, mit dem Fahrrad. Der Schweizer Toro-Rosso-Pilot Sebastien Buemi joggte los - und siehe da, die nächste Überraschung stellte sich ein: Nach gut fünfeinhalb Kilometern kam er wieder dort an, wo er losgelaufen war. Der Asphalt formt also tatsächlich eine Schleife! 55 Runden sollen auf ihr absolviert werden. Virgin-Fahrer Lucas di Grassi ließ die Welt wissen: "Die Strecke sieht fertig aus. Es braucht nur noch ein paar Schönheitsreparaturen."

Hermann Tilke, der deutsche Architekt, der an dem Bau mitgewirkt hat, beruhigte die Zweifler unterdessen in allen Sprachen. "Es muss hier und da nur noch ein bisschen saubergemacht werden", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Angst, dass im ersten Training in der Nacht zum Freitag das Gleiche passieren könnte wie 1985 in Spa-Francorchamps in Belgien, als der nur wenige Tage alte Asphalt aufriss und das Rennen abgesagt werden musste, hat Tilke nicht. "Der Asphalt wird halten", prophezeit der Aachener, "was wahrscheinlich ist, dass die Strecke am Anfang wenig Grip hat, weil die kleinen Steine im Asphalt noch nicht freigefahren sind. Aber gut: Es sind die besten Fahrer der Welt und sie müssen auch damit zurechtkommen."

Soldaten als Bauarbeiter

Zum britischen Fachmagazin Autosport sagte Tilke: "Es wird sicher auch einige Überraschungen geben. Aber alle wichtigen Dinge werden funktionieren." Auf der Strecke hat noch kein echter Formel-1-Test stettgefunden. Ihr Bau hatte sich verzögert, weil das Land, auf dem sie entstand, sumpfiger war als angenommen. Die Gegend trockenzulegen dauerte länger als ein Jahr. Bis der Untergrund dermaßen verdichtet war, dass er die kalkulierte Last tragen konnte, verging ebenfalls mehr Zeit als gedacht. Zuletzt wollte sich der Monsun nicht verziehen, die Regenzeit dauerte lange.

Unter den widrigen Umständen ist durchaus Beachtliches entstanden: Neben dem breiten Asphaltstreifen sind auch das Boxengebäude und die Haupttribüne weitgehend fertig. Die Markierungen für die Startplätze allerdings müssen noch trocknen, sie wurden erst in dieser Woche gezogen. Auf den zusätzlich errichteten Stahlrohrtribünen werkelten am Mittwoch bis in die Dämmerung nicht nur Bauarbeiter, sondern auch Soldaten. Das Projekt gilt als nationale Anstrengung, schließlich bewirbt sich das Land mit Pyeongchang auch um die Austragung der Olympischen Winterspiele 2018.

Rund um den Korean International Circuit soll in den nächsten zwölf Monaten eine Stadt entstehen. Der Kurs ist extra so ausgelegt, dass er sich an einigen Stellen in engen Kurven an Häusern vorbeiwindet. Von denen allerdings ist im Moment wirklich noch gar nichts zu sehen. Selbst der optimistische Architekt Tilke muss zugeben: "An einigen Stellen haben wir einen Stadtkurs - aber noch ohne Stadt."

© SZ vom 21.10.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Formel 1 in Japan
:Prominenz am Parcours

Erst drohte der Grandprix in Suzuka ins Wasser zu fallen, doch dann gelang Sebastian Vettel eine beeindruckende Triumphfahrt. Beim Red-Bull-Doppelsieg in Japan fährt der Heppenheimer allen davon. Die Bilder.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: