Formel 1:Der Schnellste beginnt von Platz 15

Formel 1: In der Qualifikation mit Abstand der Beste, am Sonntag trotzdem nicht auf dem ersten Startplatz: Weltmeister Max Verstappen.

In der Qualifikation mit Abstand der Beste, am Sonntag trotzdem nicht auf dem ersten Startplatz: Weltmeister Max Verstappen.

(Foto: Dirk Waem/dpa)

Der Große Preis von Belgien findet dieses Jahr womöglich zum vorerst letzten Mal statt - auf ungewöhnliche Weise: Sieben Fahrer werden für den Start strafversetzt, darunter die beiden Titelrivalen Verstappen und Leclerc.

Von Anna Dreher, Spa-Francorchamps

Die Fans waren am Samstag schon früh aufgebrochen, trotz des so typischen trüben, nasskalten Wetters. Viele hatten sich entlang eines der Kreisel auf dem Weg zum Circuit de Spa-Francorchamps hinter Absperrungen aufgereiht. Irgendwann würden hier nach und nach die Fahrer vorbeikommen, denen sie aus der Nähe zujubeln wollten - zum vielleicht vorerst letzten Mal hier. Denn auch wenn der Große Preis von Belgien mit seinem malerisch zwischen bewaldeten Hügeln liegenden Kurs fest zur Tradition der Formel 1 gehört, wird er womöglich nächstes Jahr aus dem Kalender gestrichen, spätestens 2024 dürfte es soweit sein. Da hilft der Achterbahn in den Ardennen all ihre Historie, ihre Berühmtheit und Beliebtheit unter den Fahrern nicht.

Die Strecke ist modernisiert worden: Leicht verändertes Layout, frischer Asphalt, mehr Platz, mehr Kiesbetten in den Auslaufzonen, nachdem die jüngere Vergangenheit von Unfällen geprägt war. Mit der Eau Rouge hat Spa eine der prominentesten Kurven im Motorsport, sie ist legendär, aber auch eine der gefährlichsten. Wenn die Autos mit etwa 300 km/h den Berg mit einer Steigung von bis zu 18 Prozent hinaufjagen, ohne zu sehen, was hinter der Kuppe liegt, fährt immer ein Risiko mit. 2021 gab es, bedingt durch anhaltenden Regen, diverse Unfälle und viel Kritik. Zwei Jahre zuvor verunglückte in der Eau Rouge Formel-2-Fahrer Anthoine Hubert tödlich. Aber diese Modernisierung im Sinne der Sicherheit reicht wohl nicht aus.

In der Königsklasse drohen einige Traditionsstrecken zu verschwinden, obwohl die Formel 1 die Zahl ihrer Stopps auf 24 erweitern will. Die Verträge mit Frankreich, Belgien und dem Glamour-Grand-Prix von Monaco laufen aus, sie müssen angesichts der in diesen boomenden Sport drängenden Konkurrenz aus aller Welt bangen. Mit Las Vegas erhalten die USA ab 2023 neben Austin und Miami einen dritten Grand Prix, zudem soll in Katar gestartet werden, auch über Südafrika wird gesprochen. Bewährtes muss wohl für Neues weichen. Die Königsklasse will sich breiter aufstellen.

Die letzte Reihe müsste quasi von sieben statt zwei Autos gebildet werden

Sollte an diesem Wochenende tatsächlich das vorerst letzte Formel-1-Rennen in Spa gefahren werden, verabschiedet sich der Grand Prix, der schon bei der ersten Weltmeisterschaft 1950 zum Programm gehörte, auf ungewöhnliche Weise. Denn wer am Sonntag um 15 Uhr von der ersten Parkbucht startet, diese Frage hat diesmal nicht allein die schnellste gefahrene Zeit in der Qualifikation entschieden.

Formel 1: Einer von sieben strafversetzten Piloten: Im Haas von Mick Schumacher wurden über das zugelassene Limit hinaus Teile getauscht.

Einer von sieben strafversetzten Piloten: Im Haas von Mick Schumacher wurden über das zugelassene Limit hinaus Teile getauscht.

(Foto: Dan Mullan/Getty Images)

Am Freitag und Samstag trudelten über den Tag verteilt immer wieder Mitteilungen der Rennkommissare des Motorsportweltverbands Fia ein mit der Information, dass an diesem und jenem Auto Teile des Motors oder Getriebes getauscht wurden. Innerhalb einer Saison ist das gemäß des Fia-Reglements nur begrenzt erlaubt, dreimal beispielsweise beim Verbrennungsmotor. Und so war in den Schreiben stets auch notiert, dass der entsprechende Bauteilwechsel je nachdem eine Strafversetzung um fünf, zehn, fünfzehn Positionen oder gar ans Ende der Aufstellung nach sich ziehen würde. Und das in einer Häufigkeit, die dazu führt, dass die letzte Reihe des Grand Prix quasi von sieben statt zwei Autos gebildet werden müsste, besetzt mit prominenten Namen.

Weltmeister Max Verstappen im Red Bull und Ferrari-Pilot Charles Leclerc waren die ersten, die das betraf - der WM-Führende und sein ärgster, jedoch schon 80 Punkte im Rückstand liegender Konkurrent also, die in elf der bisherigen 13 Rennen die Siege untereinander aufgeteilt haben. Im Laufe des Freitagnachmittags folgten Mick Schumacher (Haas), Lando Norris (McLaren), Esteban Ocon (Alpine) und Valtteri Bottas (Alfa Romeo). Am Samstag kam während des dritten Trainings noch dessen Teamkollege Zhou Guanyu dazu.

Unter normalen Umständen würde Max Verstappen von der Pole Position starten

Dass all diese Teams so gehandelt haben, hat einen nachvollziehbaren Grund, die Entscheidung war eine strategische: Während der 44 Runden auf der sieben Kilometer langen Strecke kann leichter überholt werden als anderswo, die Strafen tun also weniger weh. Die Rennställe beleben ihre Boliden über das genehmigte Limit hinaus in dem Wissen, dass diese so in den folgenden acht Saisonstopps mit frischeren Motoren an den Start gehen. "Wir hatten das Gefühl, dass es mit unserem Motorenkontingent besonders eng werden könnte, bis zum Ende des Jahres zu kommen", sagte Red-Bull-Teamchef Christian Horner. "Wir sollten hier schnell sein, also haben wir uns entschieden, die Gelegenheit zu nutzen."

Formel 1: Hoch hinaus: Daniel Ricciardo rast mit seinem McLaren die Eau Rouge hoch.

Hoch hinaus: Daniel Ricciardo rast mit seinem McLaren die Eau Rouge hoch.

(Foto: ANP/Imago)

Sieben Autos in einer Reihe, das funktioniert natürlich nicht. Die Formel 1 hat ein Regelwerk für den Komponententausch. Starten mehrere Fahrer aufgrund von Motorstrafen vom Ende des Feldes, entscheidet die Qualifikation über die Anordnung der hinteren Plätze. Dennoch wurde noch am Samstag auch unter Fachleuten darüber diskutiert, wie das in diesem Fall gehandhabt werden müsste - je nachdem, wer wie was wann und wie viel zum Tausch angemeldet hatte, alles auf einmal oder gesplittet.

Verstappen fuhr in der Qualifikation am besten, mehr als sechs Zehntelsekunden Vorsprung hatte er auf seinen ersten Verfolger. Unter normalen Umständen hätte er das Rennen angeführt vor Carlos Sainz, seinem Teamkollegen Sergio Perez und Leclerc. Schumacher wäre als 15. vor Sebastian Vettel im Aston Martin gestartet. So aber lautete die Reihenfolge auf den ersten Plätzen ohne die strafversetzten Fahrer: Sainz, Perez, Alpin-Pilot Fernando Alonso, dahinter die beiden Mercedes von Lewis Hamilton und George Russell. "Wir müssen nach vorne kommen, vor allem in einem Auto wie diesem wäre es schade, nicht aufs Podium zu kommen", sagte Verstappen am Nachmittag.

Der 24-Jährige wird von Rang 15 vor Leclerc, Ocon und Norris starten, Vettel profitiert von deren Strafen und geht als Zehnter ins Rennen. Letzter ist Schumacher. "Ich habe alles gegeben, aber leider die letzte Runde nicht getroffen", sagte er. Ausgerechnet auf jener Strecke, die eine besondere Bedeutung für seine Familie hat. Mick gewann in Spa sein erstes Formel-3-Rennen, sein Vater Michael, der siebenmalige Weltmeister, debütierte hier 1991 in der Formel 1 - und feierte vor 30 Jahren seinen ersten Sieg.

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