Sieben Kurven in der Formel 1:Harte Worte in der Hitze der Nacht

Charles Leclerc tobt im Cockpit, während Vettel in Singapur souverän zum Sieg kreiselt. Robert Kubica bekommt von den Kollegen große Achtung gezollt. Höhepunkte des F1-Wochenendes.

Von Elmar Brümmer, Singapur

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Sebastian Vettel

Singapore Grand Prix

Quelle: REUTERS

Die Choreographie des Triumphs hat Sebastian Vettel schon 52 Mal üben dürfen in der Formel 1, und er hat sie auch in den 392 sieglosen Tagen zwischen seinem letzten Sieg und dem beim Nachtrennen in Singapur nicht vergessen. Als er an der Marina Bay den rechten Zeigefinger für Sieg Nummer 53 in den Himmel reckt, ist das neben seiner üblichen Geste auch der Hinweis darauf, dass er kein Auslaufmodell ist. Er war zur Stelle, als die Ferrari-Taktiker Mercedes in eine Falle lockten, und er reagierte schnell. Erst in der letzten Kurve vor der Boxeneinfahrt kam der frühe und überraschende Ruf zum Reifenwechsel, auf seiner ersten Runde mit frischen Gummis fuhr er sagenhafte 3,9 Sekunden heraus - und damit musste sich sein Gegenspieler Charles Leclerc hinter ihm einordnen.

Es folgten eine souveräne Fahrt in einem chaotischen Rennen und ein ebensolcher Umgang mit der durch das Comeback vorerst beendeten Krise: "Es ist nicht, als ob ich plötzlich wieder frei atmen kann, sondern eher eine Bestätigung, weiter zu tun, was man tut." Das heißt für ihn, auch Teamplayer zu sein - was zugleich eine klare Positionierung gegen Leclerc ist. "Man liegt weit daneben, wenn man denkt, man ist größer als dieser Rennstall", sagte Vettel.

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Charles Leclerc

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Quelle: AFP

Von der Pole-Position zum Sieg-Hattrick, und damit wieder einen Schritt weiter, die neue Nummer Eins bei Ferrari zu werden - das hätte für Charles Leclerc auch prima funktioniert, wenn das Rennen nur 19 und nicht 61 Runden gedauert hätte. Nach dem ersten Drittel war der Monegasse den dritten Erfolg in drei Wochen los, und die Hitze der Nacht beschleunigte die Härte und die Wahl seiner Worte. "Was zum Teufel" war noch das netteste, dass er den Strategen entgegenschleuderte, von denen er sich um den Sieg gebracht sah. Das sei nicht fair, das wäre so nicht abgesprochen... Der 21-Jährige tobte so lange, bis ihn sein Renningenieur unmissverständlich anwies, das Auto "heil nach Hause" zu bringen. Das tat er auch, um dann der einzig wirklich schlechte gelaunte in Rot gekleidete Mann an der Rennstrecke zu bleiben. "Jeder an meiner Stelle wäre doch enttäuscht", klagte er über die Helferrolle, um sich dann sofort an Vettels erfolgreiche Taktik anzuhängen: "Aber ich werde stärker zurückkommen."

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Mattia Binotto

F1 Grand Prix of Singapore - Practice

Quelle: Getty Images

Ferrari-Teamchef zu sein, ist schon ein anstrengender Job. Dazu auch noch die Technik des Rennstalls zu verantworten, kann nur die Fantasie eines Workaholics sein. Aber jetzt hat Mattia Binotto auch noch die Rolle des Friedensrichters inne, er muss das so siegreiche wie gegensätzliche Gespann Sebastian Vettel/Charles Leclerc ähnlich in Balance bringen, wie es ihm mit dem Rennwagen in einer Art Wunderheilung über den Sommer gelungen ist.

Einen Hattrick hatte die Scuderia seit 2008 nicht mehr feiern können, und das Triumphgefühl will sich der Ingenieur nicht nehmen lassen durch ein paar Rotzigkeiten. "Das Ergebnis bestätigt uns", sagte er in Richtung Leclerc, "ich werde es ihm erklären und er wird schnell verstehen." Vettel am Ende durch einen Platztausch den verdienten Erfolg wieder zu nehmen, stand zwar zur Debatte, wurde aber genauso schnell verworfen. "Ich habe keinen Zweifel, dass alle glücklich sind mit diesem Erfolg", behauptete Binotto, der nach dem Comeback seiner Scuderia zum ersten Mal richtig fest auf seinem Drehstuhl am Kommandostand sitzt.

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Lewis Hamilton

Singapore Grand Prix

Quelle: REUTERS

Ist irgendetwas passiert in der Sommerpause der Formel 1, das Mercedes nicht vertragen hat? Seither ist der WM-Spitzenreiter sieglos. Ferraris Motoren-Machtdemonstration in den letzten beiden Rennen mal ausgenommen, waren die Silberpfeile in Singapur Favorit. Doch nicht Lewis Hamilton wurde mit seinem fünften Erfolg an der Marina Bay lokaler Champion, sondern Sebastian Vettel. Dass sich die Mercedes-Strategieabteilung überrumpeln lässt, passiert nicht oft, dass Hamilton eine Stallorder braucht, um nicht hinter Adjudant Valtteri Bottas zurückzufallen, auch nicht.

Für den Briten, der bei nur noch sechs Rennen immer noch locker die Tabelle anführt, gilt unabhängig vom verpennten Boxenstopp: "Ferrari erscheint mir hungriger." Hamilton hat einen feinen Seismographen in sich, und der rät ihm, dass die ganze Mannschaft im Endspurt wieder einen Tick aggressiver werden müsse. Auch Teamchef Toto Wolff sagte, dass man sich auf den zahlreichen Doppelerfolgen vom Saisonbeginn nicht ausruhen dürfe. Mattsilber steht dem Rennwagen nämlich nicht.

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Der Nebel

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Quelle: AP

Die Plakate die am Eingang zum Marina Bay Street Circuit für die "Horror-Nächte in Singapur" werben, beziehen sich ausdrücklich auf ein nahes Filmstudio. Aber für die Veranstalter wurden die Schreckensszenarien real, als von den außer Kontrolle geratenen Waldbränden auf Sumatra beständig Wolken beißenden Rauchs über die Straße von Malakka herüberwehten und nicht nur die Sonne verdunkelten, sondern pünktlich zum Rennbeginn auch den Index der Luftqualität auf die Warnstufe "ungesund" steigen ließen. Chirurgen-Masken der Marke A Plus wurden zum Renner in den Drogeriemärkten. Das Tückische an den Rauchwolken sind die ständig drehenden Winde. Oft verändert sich der Zustand innerhalb von einer Viertelstunde.

Die Formel-1-Teams haben ihre mitreisenden Ärzte und die lokalen Behörden um Rat gefragt, die von einem Fahrverbot von Anfang an aber nichts wissen wollten. 80 Millionen Euro werden jährlich in das Spektakel investiert, finanzielle Gesundung ist schließlich auch wichtig. "Was wir während der Fahrt an Schmutz oder Bremsstaub einatmen, ist vermutlich ebenso ungesund", glaubt Mercedes-Pilot Valtteri Bottas. Kompromiss im Stadtstaat: Joggen draußen verboten, Fahren erlaubt. Am Ende brennt das Flutlicht die grauen Schwaden weg.

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Robert Kubica

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Quelle: AFP

Der Pole Robert Kubica wird am Ende der Saison sein mutiges Comeback beenden - er fährt nach einem Rallye-Unfall 2011 nun mit einem in der Beweglichkeit eingeschränkten rechten Arm. Derzeit fährt er noch für Williams, allerdings mit einem schwer in die Gänge kommenden Auto. Der 34-Jährige hat allen bewiesen, was er kann, auch wenn er in dieser Saison hinterherfährt und es lediglich zu einem glücklichen Pünktchen gereicht hat - meist wurde er in den Rennen gleich mehrfach überrundet: "Es war eine lange Reise, und es war extrem hart für mich. Jetzt muss ich nach vorne gucken."

Alle Kollegen zollen große Achtung, was selten ist in diesem Sport. Für Lewis Hamilton ist der Pole eine echte Inspiration: "Robert ist einer der talentiertesten Fahrer überhaupt, die ich kenne", schwärmte der Weltmeister, "seine Stärke und Hingabe sind bemerkenswert." Für die deutschen Fans gibt es womöglich bald ein Wiedersehen mit dem Mann, der seine Karriere in der Königsklasse 2006 im BMW-Werksteam begonnen hatte: Er könnte neben einer möglichen Formel-1-Ersatzfahrerrolle künftig im Deutschen Tourenwagen-Masters mitkreiseln, dort aber vermutlich dann für Audi. Als Favorit auf seine Nachfolge bei Williams gilt der Kanadier Nicolas Latifi. Er bringt die nötigen Sponsorenmillionen mit, die für Kubica eine polnische Erdölfirma übernommen hatte.

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Nico Hülkenberg

F1 Grand Prix of Singapore - Final Practice

Quelle: Getty Images

Von Renault vor die Tür gesetzt, vom Haas-Team nicht genommen: Nico Hülkenberg sitzt zwischen allen Stühlen, und ob es für den 32 Jahre alten Rennfahrer aus Emmerich noch zu einer zehnten Formel-1-Saison kommen wird, ist mehr als fraglich. Für Williams ist er sich zu schade, zu Red Bull passt er nicht. Es gibt nur noch einen einzigen Sitz für 2020, auf den "Hulk" einen Minimal-Chance hat: beim Alfa-Team. Die bezieht sich aber auch nur darauf, dass der dortige Teamchef Frederic Vasseur früher Hülkenbergs Boss in den Nachwuchsklassen war.

Ansonsten aber dürfte dort der Italiener Antonio Giovinazzi ein zweites Lehrjahr zugestanden bekommen, so möchte es zumindest Ferraris Anführer Mattia Binotto, dessen langer Arm locker bis in die Schweizer Alfa-Basis reicht. Hülkenberg, mittlerweile 171 Grand Prix ohne Podiumsbesuch, gilt als höchst talentiert, war aber oft zur falschen Zeit am falschen Ort. Dass der US-Rennstall Haas lieber nochmal mit den eigentlich indiskutablen Fahrern Romain Grosjean und Kevin Magnussen weitermacht, hat auch mit einem Korb zu tun, den der Deutsche dem Teamgründer Gene Haas vor drei Jahren gegeben hatte. Deshalb sei es auch nie zu einem offiziellen Angebot gekommen, wie Haas-Manager Günter Steiner sagt. Vielleicht hat der gescheiterte Wechsel aber auch mehr mit den Gehaltsforderungen zu tun. Von sieben deutschen Formel-1-Piloten im Jahr 2010 könnte ein Jahrzehnt später nur noch einer, Sebastian Vettel, übrigbleiben.

© SZ.de/chge
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