Rivalität zwischen Red Bull und Mercedes:House of Cars

Rivalität zwischen Red Bull und Mercedes: Sind keine Freunde und werden es wohl auch nicht mehr werden: Red-Bull-Teamchef Christian Horner (links) und Toto Wolff, Motorsportchef bei Mercedes, hier bei einer gemeinsamen Pressekonferenz 2018.

Sind keine Freunde und werden es wohl auch nicht mehr werden: Red-Bull-Teamchef Christian Horner (links) und Toto Wolff, Motorsportchef bei Mercedes, hier bei einer gemeinsamen Pressekonferenz 2018.

(Foto: Georg Hochmuth/dpa)

Die beiden Teamchefs Christian Horner und Toto Wolff pflegen mittlerweile eine fast offene Feindschaft. Für die Vermarktung der Formel 1 ist das aber keine schlechte Konstellation.

Von Elmar Brümmer, Silverstone

In der Netflix-Ära suchen alle nach dem perfekten Storytelling, es geht immer um Konflikte. Und in der Formel 1, der Königsklasse des Motorsports, war das noch nie anders, gerade wieder verdeutlicht durch die Rivalität der Teamchefs von Red Bull Racing und Mercedes: Christian Horner und Toto Wolff. Beide haben beim Großen Preis von Großbritannien ein Heimspiel, beide residieren in der nahe gelegenen Grafschaft Oxfordshire. Sonst verbinden den Briten und den Österreicher außer einer gewissen Anhäufung von WM-Titeln so gut wie nichts - was zu einer innigen Feindschaft führt.

Der Regeländerung gingen Rückenschmerzen vieler Fahrer voraus

Gerade sind die unterschiedlichen Rennwagenkonzepte das Thema Nummer eins. Der Red Bull ist zwar schwer, aber schnell. Der Mercedes ist leicht, aber er setzt ständig auf. Das "Bouncing" ist zum echten Problem geworden. Dieses Hoch-Tief-Verhältnis soll mit einer neuen und ziemlich komplizierten Direktive ausgeglichen werden - eine spontane Regeländerung des Automobilweltverbandes Fia, der aus Sicherheitsgründen nach Belieben ins Reglement eingreifen darf. Als Reaktion auf die Rückenschmerzen, die viele Fahrer wegen ihrer mehr oder weniger hüpfenden Autos beklagten.

Die Dienstwagen der Red-Bull-Piloten Max Verstappen und Sergio Perez sind davon nicht betroffen, weshalb Teamchef Horner hinter der Regulierung sofort eine Verschwörung wittert. Schließlich ist sein Fahrer gerade WM-Führender ohne nervige Regeländerungen. Die Haltung sagt aber auch ein bisschen was über die eigene Einstellung aus. Der 48-Jährige und der ihm vom Konzern zur Seite gestellte österreichische Berater Helmut Marko, 79, zählen zu den gewieftesten Taktikern im Fahrerlager. Ihre Kommentare sind oft spöttisch, gelegentlich sarkastisch - aber immer politisch. Weshalb der nach Mercedes erfolgreichste Rennstall der letzten anderthalb Jahrzehnte auch gern als House of Cars bezeichnet wird. Frei nach dem intrigenreichen Politik-Thriller House of Cards.

Serien-Ausschnitt sorgt für Streit zwischen Horner und Wolff

Beim letzten Teamchef-Meeting in Montreal sind Horner und Wolff, deren gespanntes Verhältnis beim Saisonfinale im vergangenen Dezember bereits ganz oben angekommen war auf der Hass-Skala, einmal mehr aneinandergeraten. Beim regelmäßigen Kaffeeklatsch mit Formel-1-Chef Stefano Domenicali prallten die gegensätzlichen Ansichten und Absichten aufeinander. Vermutlich ist das immer so, diesmal aber waren die Augen und Ohren von Netflix dabei.

Gedreht wurde eine Folge für die neue Staffel der Dokumentarserie Formula 1: Drive to Survive, die im kommenden Frühjahr erscheint. Star der Episode soll Toto Wolff sein, doch einige Menschen hatten Mercedes wohl unterstellt, beim Thema "Bouncing" nicht im Dienste der Gesundheit, sondern ob einer eigenen Fehlkalkulation die Regeländerung zu unterstützen. Wolff zürnte darüber, wie "hinterhältig und erbärmlich" seine Kollegen doch seien.

Gegenspieler Christian Horner hingegen verurteilte diesen Aufruhr als "theatralisch". Und fügte süffisant an: "Vielleicht möchte Toto ja eine Rolle in dem Film bekommen, den Lewis Hamilton produziert." Horner hat sich auch schon abfälliger über seinen Gegenspieler geäußert: er gehöre sicher nicht zu denen, der dem mächtigen Mercedes-Mann den Hintern küsse. Allerdings gibt er in Sachen gewollter Schauspielerei auch zu: "Ich würde es in dieser Situation keinen Deut anders machen."

Für ihn, der im Netflix-Epos den Bösewicht zu spielen hat, vielleicht auch eine geschickte Retourkutsche für Wolffs Vorwurf aus dem Vorjahr, Horner sei nur ein Darsteller. "Ich habe das Gefühl, dass er einer der Formel-1-Darsteller ist, die sich wie kleine Schauspieler verhalten, wenn eine Kamera auf sie gerichtet ist", grantelte der Wiener, "für mich als Teambesitzer ist es großartig, dass er diese Art von Geschichten erfindet. Die Leute haben erkannt, dass sie zitiert werden, wenn sie kontroverse Dinge sagen. Das ist gut für den Sport und gut für Netflix." Besonders geärgert haben dürfte Horner Wolffs Nachsatz, dass man damit in die Zeiten von Bernie Ecclestone zurückfalle - Horner war Trauzeuge bei der dritten Hochzeit des ehemaligen Zampanos, der gerade wieder durch absurde Aussagen unangenehm aufgefallen ist.

Horner brachte Red Bull nach fünf Jahren den WM-Titel - mit einem Deutschen im Cockpit

Champions sind unter Konkurrenten selten beliebt, müssen sie auch nicht sein. Aber Christian Horner zelebriert die Rolle des Angefeindeten richtiggehend. Gern illustriert mit der Prominenten-Gattin Geri Halliwell, einem ehemaligen "Spice Girl". So kennen alle die Bilder vom Landsitz in Oxfordshire, von den Pferden, Hunden und manikürten Hecken, gelegentlich schwebt auch ein Hubschrauber ins Bild. "Im Herzen aber bin ich Rennfahrer", sagt der Protagonist, der 2005 als Red-Bull-Statthalter eingesetzt wurde und das Team innerhalb von fünf Jahren mit Sebastian Vettel zum Weltmeisterteam machte: "Der Zwang zum Sieg ist die Droge, von der ich abhängig bin."

Dementsprechend verzweifelt war er beim vergangenen WM-Finalrennen von Abu Dhabi, als Lewis Hamilton nur noch ein paar Runden von seinem achten Weltmeistertitel entfernt war. Während der Unterbrechung nach einem Unfall baute er in einem Rededuell so viel Druck auf den Rennleiter Michael Masi auf, dass dieser die Regeln anders auslegte als üblich. So wurde Max Verstappen doch noch Weltmeister und der australische Funktionär Masi verlor deshalb seinen Job.

Horner hingegen wird für seine Cleverness gefeiert, und als einer, der die Mercedes-Dominanz durchbrechen konnte. Momentan sucht er den Schulterschluss mit Ferrari-Teamchef Mattia Binotto, obwohl dieser der direkte Gegner im aktuellen Titelrennen ist. Doch wenn es darum geht, Wolff und dessen Rennstall im Zaum zu halten, dann ist alles recht.

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