Formel 1: Sebastian Vettel:Sebastian, der Retter des Nürburgrings

Der Große Preis von Deutschland soll die ganz große Sebastian-Vettel-Show werden. Ein derartiges Spektakel wäre für die Zukunft des Rennens allerdings wichtiger als für den WM-Führenden selbst - der Grand Prix soll abgeschafft werden.

René Hofmann

Es ist erstaunlich, wie schnell Sebastian Vettel Routine entwickelt hat. Für einen 24-Jährigen hat der Heppenheimer bereits eine beeindruckende Formel-1-Bilanz vorzuweisen: 71 Rennen; in 22 startete er vom begehrtesten Startplatz aus. 28 Mal wurde er bereits zur Siegerehrung gebeten, davon 16 Mal tatsächlich als Sieger. Allein in dieser Saison war das sechs Mal der Fall.

German F1 Grand Prix - Previews

Will den Heim-Grand-Prix am Nürburgring gewinnen: Sebastian Vettel.

(Foto: Getty Images)

Und trotzdem gibt es Etliches, das er noch nicht erreicht hat: einen Triumph in der Heimat zum Beispiel. Nun kommt er als souveräner WM-Führender an den Nürburgring, schlechter als Zweiter ist er in keinem der neun Rennen gewesen, die in diesem Jahr ausgetragen wurden.

Zur Halbzeit führt er das Gesamtklassement mit einem überwältigenden Vorsprung von 80 Punkten vor seinem Teamkollegen Mark Webber an. Der Große Preis von Deutschland - das kann und soll die ganz große Sebastian-Vettel-Show werden. Sein Arbeitgeber Red Bull hat eigens eine Tribüne für Vettel-Fans ausweisen lassen. Mehr als 1000 sollen dort am Wochenende jubeln.

Hoffnungen. Erwartungen. Sebastian Vettel hat durchaus ein Gespür für das, was da auf ihn zukommt. Und er begegnet dem mit einer inzwischen gut eingeübten Mimikry: Seinen Ehrgeiz, all seine professionelle Ernsthaftigkeit, kaschiert er mit schelmischem Witz und einem spitzbübischen Grinsen. Natürlich würde er am Sonntag gerne gewinnen. "Aber mit Gewalt geht gar nix", sagt er.

Und überhaupt: Ferrari sei "bedrohlich nahe" herangerückt, Fernando Alonsos Triumph vor zwei Wochen in Silverstone alles andere als ein Zufallserfolg gewesen. Vettels Devise für die Tage in der Heimat, die er mit einer Nordschleifen-Rundfahrt mit Golf-Profi Martin Kaymer und einem Benefiz-Fußballspiel begann? "Es ist nicht so viel anders als beim letzten Mal."

Man müsse "ja auch mal sehen, dass nicht viele Fahrer das Glück haben, überhaupt einen Grand Prix im eigenen Land zu fahren." Es klingt fast so, als fielen Vettel viel mehr Gründe dafür ein, warum es ausgerechnet dieses Mal gegen statt für ihn laufen sollte.

Aber davon sollte sich niemand täuschen lassen. Auch das gehört zum Taktik-Repertoire: die Chancen lieber kleinreden! Das lässt einen Sieg später noch größer wirken. Es ist ein Spielchen, das auch Politiker kennen; vor wichtigen Gipfeln wird es gerne gespielt.

Nürburgring: Steigende Zuschauerzahlen

Das Formel-1-Rennen in der Eifel - für den Motorsport hierzulande ist das tatsächlich ein Branchengipfel. Seit einigen Jahren schon gibt es nur noch einen Grand Prix in Deutschland, der Hockenheim- und der Nürburgring wechselten sich zuletzt ab. Kein Rennen findet mehr Aufmerksamkeit - und deshalb ist es auch immer ein Anlass, der die Frage aufwirft: Wo steht der Sport? Wie viele und wie vieles bewegt er? Ohne eine herausragende Figur wie Michael Schumacher? Oder mit ihm? Oder jetzt eben mit der Zugnummer Sebastian Vettel?

Die Antworten darauf fallen nicht immer eindeutig aus. Aber Trends lassen sich ablesen. Und in diesem Jahr fallen die Trends freundlich aus. RTL meldet steigende Zuschauerzahlen. Nachdem der Zuschauerdurchschnitt im vergangenen Jahr, als Sebastian Vettel sich in einem knappen Saisonfinale den Titel sicherte, von 5,2 auf mehr als 6,2 Millionen geklettert war, hat der Privatsender seinen Formel-1-Vertrag im Mai bis Ende 2015 verlängert.

Und es geht weiter bergauf: Bei so gut wie jedem Rennen sahen noch einmal deutlich mehr Menschen zu als im vergangenen Jahr. Nun waren die Rennen dank neuer Technologien wie dem verstellbaren Heckflügel, dem Bremsenergie-Rückgewinnungs-System Kers und der neuen, wesentlich schneller verschleißenden Einheitsreifen aber auch deutlich interessanter. Der Einfluss des Vettel-Faktors alleine ist schwer zu bestimmen. Er lässt sich aber aus anderen Zahlen lesen.

Über 10.000 Karten mehr als beim letzten Formel-1-Gastspiel vor zwei Jahren gingen am Nürburgring im Vorverkauf weg. Das Geschäft zieht also wieder an, weshalb es den Betreibern der Rennstrecke auch gar nicht gefallen kann, dass die Prestige-Veranstaltung nun aus ganz anderen Gründen in Gefahr gerät.

Das Land Rheinland-Pfalz trägt einen wesentlichen Teil des nicht unwesentlichen finanziellen Risikos, welches das Rennen birgt. Mehr als zehn Millionen Euro sind dafür im Haushalt des Landes in diesem Jahr vorgesehen. Künftig wird mit solchen Summen nicht mehr zu rechnen sein, hat Wirtschaftsministerin Eveline Lemke von der Partei Die Grünen vor kurzem im Handelsblatt durchblicken lassen.

Hält Vermarkter Bernie Ecclestone an der bisherigen Antrittsgage fest, die bei etwa 20 Millionen Euro liegen dürfte, würde dies das Ende der Formel 1 auf dem traditionsreichen Rundkurs bedeuten.

Vom Verkauf der TV-Rechte und den Werbeeinnahmen profitieren die Betreiber der Rennstrecken bei keinem Formel-1-Rennen. Ihnen bleiben im wesentlichen nur die Erlöse aus dem Verkauf der Eintrittskarten. Für den Großen Preis von Deutschland ist ein Erfolg von Sebastian Vettel deshalb viel wichtiger, als es der Erfolg bei dem Rennen für Vettel selbst ist.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: