Süddeutsche Zeitung

Sieben Kurven in der Formel 1:Schumacher junior kann auch Frust

Der Deutsche muss in Spanien beim Boxenstopp Lehrgeld zahlen, Hamilton legt eine fast unglaubliche Aufholjagd hin und Vettel bleibt wieder nur die Unzufriedenheit. Die Höhepunkte des F1-Wochenendes.

Von Elmar Brümmer, Barcelona

Lewis Hamilton

Ehre, wem Ehre gebührt, Ehrungen auch. Vor dem Rennwochenende in Barcelona kassierte der Champion der F1 seinen dritten Laureus Award, als Auszeichnung für seinen Kampf gegen Rassismus und für mehr Diversität. Bei der Wahl zum Sportler des Jahres verlor er gegen Rafael Nadal, der für seinen 13. Triumph in Roland Garros ausgezeichnet worden war. Aber wenn das so weiter geht in dieser Grand-Prix-Saison, wird beim nächsten Mal auch in dieser Kategorie kein Vorbeikommen am Briten sein. Erst die Pole-Position Nummer 100, dann der 98. Rennsieg, schon im Juni könnte er auch in dieser Wertung die einsame Dreistelligkeit erreichen.

Seine fast unglaubliche Aufholjagd, bei der er in 23 Runden 22 Sekunden auf Spitzenreiter Verstappen gut zu machen hatte, schloss er schon fünf Umläufe früher als kalkuliert erfolgreich ab - mit dem fünften Barcelona-Sieg in Serie, dem sechsten insgesamt. Rekord, was sonst. Der neue große Gegner Verstappen holt das Beste aus dem 36-Jährigen heraus, der Triumphator feiert aber seinen Rennstall. "Ihr beeindruckt mich immer wieder", stammelte er ins Mikrofon. Eine Strategin namens Rosie, die jetzt in den Mutterschaftsurlaub geht, hatte die siegreiche Taktik in der Teamzentrale in England erdacht.

Sebastian Vettel

Auf 13 gestartet, auf 13 im Ziel. Nichts gewonnen für Sebastian Vettel, nichts verloren. Was bleibt nach dem vierten Rennen des Heppenheimers in Grün: Unzufriedenheit. Am neuen Unterboden seines Aston Martin lag es nicht, der konnte weder das eine noch das andere groß beeinflussen. Die Taktik hätte wohl besser sein können, aber das sagt Vettel aus dem Buchgefühl heraus. Der erste Boxenstopp wurde versaut.

Am Ende waren die Reifen runter und damit alle Chancen auf noch eine kleine Verbesserung, und vielleicht doch den allerersten WM-Punkt für seinen neuen Rennstall. Bilanz: "Da, wo wir ins Ziel gekommen sind, ist da, wo wir gerade stehen. Wir tun uns schwer, einen Schritt nach vorn zu machen. Zufrieden kann ich damit nicht sein." Was ihm bleibt, ist das, was er Selbst-Tuning nennt: sich in die Arbeit knien und sich von der zickigen Hinterachse nicht auch noch selbst aus der Balance bringen zu lassen. Darin dürfte er mittlerweile Routine gewonnen haben.

Max Verstappen

Nicht nur Lewis Hamilton ist jetzt im dreistelligen Bereich (was die Anzahl seiner Pole-Positions angeht), auch der niederländische Gegenspieler feierte in Barcelona eine bedeutsame Hundert: so viele Rennen hat der 23-Jährige mittlerweile für Red Bull Racing bestritten, beginnend mit dem ersten Auftritt vor fünf Jahren auf dem Circuit de Catalunya - damals gleich mit einem Sieg beim Debüt. Diesmal wurde er Zweiter. Nur Zweiter. Den Grip, den er am Start hatte, als er in der erste Kurve innen am Rekordweltmeister vorbei tauchen konnte, den vermisste er dann hintenraus. Überhaupt die Reifen.

Beim ersten Stopp stand er schon, als noch ein Hinterrad fehlte. Verstappen war noch gar nicht vorgesehen gewesen für den Wechsel, ein Missverständnis. Später reagierten die Red-Bull-Taktiker nicht schnell genug auf einen Mercedes-Trick. Es ist die Summe der Kleinigkeiten, die dafür sorgen, dass es an der WM-Spitze jetzt keine Doppelspitze gibt, sondern einen nach drei Siegen klar führenden Hamilton. Das hat nicht nur mit dem in Spanien fehlenden Rennwagentempo beim Red Bull Honda zu tun. Generell stellt sich angesichts der Summe der kleinen Fehler in den letzten Rennen die Frage ans britische-österreichische Kollektiv: Sind Verstappen und Red Bull schon reif genug für den großen Sprung an die Spitze?

Valtteri Bottas

Er ist entschlossen. Er ist tapfer. Er gibt nicht auf. Aber trotzdem bleibt der Dritte im Rennen und der WM so etwas wie das Leverkusen der Formel 1. Britische Zeitungen wollten vor dem Rennen in Spanien erfahren haben, dass der Finne an der Seite von Lewis Hamilton noch in der laufenden Saison ausgetauscht wird. Dass er das mit dem Wort "Bullshit" konterte, brachte die Sache allein nicht aus der Welt. Es brauchte den öffentlichen Zuspruch von Lewis Hamilton und eine klare Aussage von Mercedes-Teamchef Toto Wolff. Der verwies darauf, dass das Werksteam nun mal nicht bekannt dafür sei, mitten im Jahr die Fahrer zu tauschen (unverhohlene Stichelei gegen Red Bull).

Nach dem Rennen, in dem Bottas einmal mehr am Start düpiert wurde, legte Wolff nach: "Wir würden nur tauschen, wenn Valtteri eine Fischvergiftung hätte, aber er isst keinen Fisch." Dass sich der Adjudant im letzten Renndrittel dann länger als nötig gegen den Überholvorgang durch den an die Spitze drängenden Hamilton wehrte, war eine Frustbewältigung, die im Binnenverhältnis nicht goutiert werden wird. Vielleicht war die Versuchung zu groß, einmal den Rebellen spielen zu können: "Ich bin doch nicht in der Formel 1, um alle vorbeizulassen."

Mick Schumacher

Es gibt einen neuen Gesichtsausdruck des deutschen Formel-1-Debütanten im Haas-Ferrari: Schumacher junior kann auch Frust. Was nicht so sehr am 18. Platz im Rennen lag, in dem er seinen direkten Konkurrenten Nikita Mazepin mal wieder klar im Griff hatte. In der ersten Runde hatte der Gute-Laune-Mick sogar fünf Plätze gut gemacht, dann wurden aber die anderen Jungs in den besseren Autos übermächtig. Aber der 22-Jährige kommt immer besser zurecht im Team und der Formel 1, er nutzt jede Minute an der Rennstrecke, um Wissen aufzusaugen.

Deshalb hat er dort auch gleich sein Wohnmobil aufgestellt, so wie es auch Sebastian Vettel tut. Der mag zwar gerade in der Krise stecken, aber die Tipps helfen Mick Schumacher bei der Emanzipation am Tabellenende offenbar trotzdem weiter. Er konnte sich in Barcelona vor dem Williams-Mercedes von Nicholas Latifi qualifizieren, auf den Alfa von Kimi Räikkönen fehlten nur zwei Zehntelsekunden. Lehrgeld musste er beim Boxenstopp im Rennen zahlen, als er mit stehenden Rädern über die Markierung hinausgeschossen war und fast den Mechaniker mit dem Wagenheber erwischt hätte. Aber nur fast. Demütiges Fazit: "Wieder was gelernt".

Romain Grosjean

Die Bilder aus dem vergangenen November wirken immer noch erschreckend, auch wenn man weiß, dass am Ende alles glimpflich ausging: der Franzose Romain Grosjean im brennenden Haas-Rennwagen, die verzweifelten Rettungsversuche. Die Verbrennungen an den Händen beendeten die Formel-1-Karriere des Franzosen vorzeitig, nachdem er zuvor schon keinen neuen Vertrag mehr bekommen hatte.

Bald kehrt Familienvater Grosjean, der inzwischen in die Indycar-Serie gewechselt ist, wieder in ein Formel-1-Cockpit zurück - sogar in einen Silberpfeil. Mercedes gibt dem 35-Jährigen beim Großen Preis von Frankreich die Chance, einige Demo-Runden zu drehen und auch einen kompletten Testtag zu absolvieren. Eine große Geste, die Teamchef Toto Wolff begründet: "Wir wollten nicht, dass dieser Unfall Romains letzter Moment in einem Formel-1-Auto sein sollte." Grosjean sagt über die emotionale Rückkehr: "Ich kann den Moment kaum erwarten." Lewis Hamilton hat nur einen guten Rat parat: "Pass' bloß auf mein Auto auf..."

Fernando Alonso

Fernando Alonso hatte Großes vor bei diesem Großen Preis von Spanien. Hat er im Prinzip ja immer, sonst wäre er in dieser Saison kaum zurückgekehrt in die Formel 1, im zarten Rennfahreralter von 39 Jahren. Doch für das Heimspiel, das nur 1000 auserwählte Zuschauer am Circuit de Catalunya sehen durften, wollte der Asturier mit dem Renault-Team Alpine tatsächlich nicht weniger als "die Wahrheit finden".

Gemeint war: nach seinem überraschenden achten Platz in Portugal den Aufwärtstrend auf seinem Weg zurück bestätigen. Wenn wahr ist, was auf dem rauen katalanischen Asphalt geschah, dann muss der zweifache Weltmeister aufpassen, nicht auf den Irrweg zu geraten. Überrundet und mit der falschen Taktik vom zehnten Rang am Start auf Platz 17, das zeigt, dass ihn noch ähnliche Probleme plagen wie Sebastian Vettel, mit dem er sich in Barcelona zwischenzeitlich im Hinterfeld duellierte. Damit bleibt seine grundsätzliche Herausforderung weiter bestehen: "Ich muss mein Auto erst verstehen lernen." Immerhin, er habe Spaß gehabt.

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