Formel 1:Saisonstart in neuer Dimension

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Jetzt trägt er also tatsächlich Rot: Lewis Hamilton (li.) mit Ferrari's Teamchef Frederic Vasseur und seinem neuen Teamkollegen Charles Leclerc. (Foto: Ben Stansall/AFP)

Die Formel 1 lädt zur großen Eröffnungsshow mit allen Teams. Während Lewis Hamilton bei seinem ersten öffentlichen Auftritt für Ferrari gefeiert wird, gibt es für Weltmeister Max Verstappen auch Buhrufe.

Von Anna Dreher

Spektakel gab es in der Formel 1 immer mal wieder, wenn die Teams feierlich ihr Auto für die neue Saison vorstellten. 1997 bei McLaren zum Beispiel, als bei der Präsentation des MP4/12 die Spice Girls und Jamiroquai auftraten. Oder 2002, als Teamchef Eddie Jordan den Wagen des gleichnamigen Rennstalls von einer Frachtmaschine in einen Hangar am Brüsseler Flughafen liefern ließ. Force India veranstaltete 2008 eine pompöse Lasershow unter Sternenhimmel in Mumbai. Ferrari lud 2020, im Jubiläumsjahr der Scuderia, ins altehrwürdige Romolo Valli Municipal Theatre von Reggio Emilia ein. Orchester, Tänzer – alles da. Aber eine Dimension wie am Dienstagabend gab es noch nie.

Die Königsklasse des Motorsports feiert dieses Jahr ihren 75. Geburtstag. Da sollte etwas Besonderes her, das ihr Selbstverständnis als globale Glamoursportart ausdrückt und Aufmerksamkeit garantiert. Also reservierte sich die Formel 1 den Londoner Millennium Dome für eine zweistündige Sause zur Eröffnung der Saison mit 15 000 Zuschauern, Promis, Musik, rotem Teppich und allen zehn Teams. „Ich hoffe, ich bin in der Woche krank“, hatte Weltmeister Max Verstappen vor Monaten halb als Witz, halb ernst gemeint. In einigen Momenten verriet der Gesichtsausdruck mancher Fahrer, einstiger Fahrer und von Funktionären, dass der eine oder andere die klassische Enthüllung im kleineren Rahmen präferiert hätte: Zwei Fahrer in ihren Rennanzügen, die ihren Dienstwagen langsam von einem großen Tuch befreien: Tadaaa!

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Und doch passt die aufwendige Show zu diesem Jahr, in dem gleichzeitig Etabliertes endet und viel Neues beginnt. 2025 wird letztmals nach den aktuellen Standards gefahren, im Jahr 2026 ändert sich weitgehend alles im Rahmen des neuen Regelwerks – der insgesamt zwölften Reform der Formel 1. Deutlich changierte Autos, betankt mit vollständig nachhaltigem Kraftstoff, angetrieben von klimafreundlicheren Motoren. Bis 2030 will die Formel 1 komplett klimaneutral sein. Das Fahrerfeld aber hat sich schon jetzt gewandelt, nur McLaren und Aston Martin treten mit demselben Paar an, gleich sechs Neulinge haben ein Cockpit bekommen, so viele wie lange nicht mehr. Und vor allem beginnt eine besondere Zusammenarbeit: Lewis Hamilton und Ferrari.

„Ich fühle mich so voller Leben und so viel Energie, weil alles neu ist“, sagt Lewis Hamilton

Jener Mann, der das Fahrerkarussell vor gut einem Jahr ordentlich in Schwung versetzt hat, war in der Londoner Arena eindeutig der beliebteste Akteur. Bei keinem anderen wurde so laut geklatscht und gejubelt wie bei Hamilton. Schon als er bei der Anmoderation des Abends auf der Leinwand eingeblendet wurde, brach Begeisterung aus, die sich steigerte, als Hamilton mit seinem neuen Teamkollegen Charles Leclerc und Teamchef Frédéric Vasseur die riesige Bühne betrat. Es war sein erster offizieller öffentlicher Auftritt in Rot nach zwölf Jahren bei Mercedes. Wenn Hamiltons Erfolgskurve annähernd so ausschlägt wie der Lärmpegel beim Applaus, dürfte es eine gute Saison für den 40-Jährigen werden. Eine der Moderatorinnen bat ihn um ein Schlagwort zur Beschreibung seiner Gefühlslage. Invigorated, belebt, sagte Hamilton: „Ich fühle mich so voller Leben und so viel Energie, weil alles neu ist.“

Er will mit Ferrari zum achten Mal die Weltmeisterschaft gewinnen und Rekord-Champion vor Michael Schumacher werden; Ferrari will mit ihm die seit 2007 andauernde Titel-Durststrecke beenden. Die Scuderia legte bei ihrer Präsentation den Fokus in der einleitenden Filmsequenz auf all die schnellen Autos der ruhmreichen Historie und auf Firmengründer Enzo Ferrari, der passenderweise am 18. Februar 1898 geboren wurde. Überhaupt betonten all jene, die konnten, ihre Geschichte in diesem Sport. Konstrukteurssieger McLaren beispielsweise parkte all seine Weltmeisterautos aus verschiedenen Jahrzehnten hintereinander auf der Bühne, ganz vorn das Modell für 2025 und der WM-Pokal.

Wimmelbild mit Weltmeister: Red Bull präsentiert seine Fahrer Max Verstappen (vorne) und Liam Lawson (2. v. l.) sowie ihren neuen Dienstwagen umringt von einer tanzenden Gruppe - und erntet an dem Abend unerwartete Buhrufe. (Foto: Zak Mauger/Getty Images)

Dass sich die Präsentationen unterschieden, lag am Konzept des Abends. Es gab keine Vorgabe, jedes Team hatte sieben Minuten Zeit, um sich darzustellen. Manche taten das eindrücklich wie das künftige Audi-Werksteam mit dem einzigen deutschen Stammpiloten Nico Hülkenberg: Trommler mit neongrünen Neonstäben, grüne Licht- und Lasereffekte, dramatische Musik, kämpferische Botschaft. Alpine dagegen überließ den Großteil der Zeit einem DJ, was zur sportlich ebenso passenden Frage verleitete: Kommt da noch was?

Am Ende kam auf einem automatisch rollenden Podest natürlich immer das daher, worauf alle warteten: das Auto. Zwar blieben die Teamfarben im bekannten Schema, die Designs waren jedoch teils deutlich anders als vergangene Saison. Nur in Nuancen war kaum eine Lackierung angepasst. Einzig Red Bull hat den Look beibehalten, wich dafür aber in einem anderen Punkt ab.

Jedes Team ließ seine Chefs und Fahrer zu Wort kommen. Bei Red Bull folgte nach der Begrüßung von Teamchef Christian Horner und einem Film über eine Art Schnitzeljagd hinter einem Truck mit dem neuen Boliden im Anhänger: Schweigen. Max Verstappen und sein neuer Kollege Liam Lawson betraten die Bühne mit einer tanzenden, feiernden Gruppe (den erfolgreichen Schnitzeljägern), sagten auf der Bühne aber seltsamerweise kein Wort. Vor der Show machte der Weltmeister immerhin noch eine Ansage. Wenn sein Team nichts verlernt habe, „bin ich mir sicher, dass wir den Titel wieder gewinnen können“. Ob aufgrund der Macht-Affäre um Horner zu Beginn der vergangenen Saison oder wegen der Skandal-WM 2021 zuungunsten von Hamilton: Bei den Auftritten von Horner und Verstappen buhten manche Zuschauer. Ebenfalls gebuht wurde, als es um den Automobilweltverband Fia ging.

Etwas Spannung ist nach dieser XXL-Präsentation trotzdem übrig. Denn die Autos in neuem Gewand waren umlackierte Showcars oder Rennwagen aus der jüngeren Vergangenheit. Die Tüfteleien der Ingenieure wurden oder werden später offenbart, trotz Show auch diesmal bei einem eigenen Termin. Für Hamilton und Leclerc ging es von London direkt nach Fiorano auf die firmeneigene Strecke für erste Runden mit dem SF-25. Schon nächste Woche stehen die Testfahrten in Bahrain an. Der erste von 24 Grand Prix findet am 16. März in Melbourne statt. Auf diesen Termin freut sich sogar Max Verstappen.

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