Formel 1:Rosberg will kein Weichei sein

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Wehrt sich gegen die Vorwürfe, ein Weichei zu sein: Nico Rosberg

(Foto: AFP)

Von Elmar Brümmer

Fünf Rennen sind es noch in dieser Formel-1-Weltmeisterschaft, aber für Nico Rosberg geht es schon um die letzte Gelegenheit, doch noch die Wende im Titelrennen zu schaffen. Zur Hälfte ist ihm das am Samstag in der Qualifikation zum Großen Preis von Russland schon gelungen: Pole-Position vor Lewis Hamilton. "Ich habe richtig coole Runden erwischt", sagte er. Der Kampf für den Wiesbadener dreht sich aber nicht nur um das Ergebnis, sondern auch ums Image.

Weichei. Wenn es eine Charakterisierung gibt, die ein Formel-1-Fahrer unbedingt vermeiden muss, dann ist es diese. Denn diese Rennserie ist ein rasender Zoo der Alphatiere. Nico Rosberg zählt zweifelsohne dazu, auf seine Art. Und weil er in vielem ganz anders ist als sein Teamkollege und direkter Konkurrent Lewis Hamilton, hat er nach dem letzten Rennduell der beiden selbst das böse Wort gebraucht. Das war ehrlich, aber ehrlich gesagt: auch nicht besonders clever.

Beim Großen Preis von Japan hatte Rosberg aus der Pole-Position heraus das Rennen verloren. Mit dem neuen Startprozedere, bei dem alle elektronischen Hilfen verboten sind, hadert der Deutsche von allen Fahrern am meisten. Hamilton hatte diese Schwäche ausgenutzt. Allerdings mit zwei ausgefahrenen Ellbogen. Damit gewann er Kurve, Rennen und weitere sieben Punkte Vorsprung im Titelrennen. Vor dem Großen Preis von Russland führt der Brite mit 48 Zählern auf Rosberg.

Der Titelverteidigung steht, wenn Hamilton oder die Mercedes-Technik nicht völlig von der Rolle sein sollten, kaum noch etwas im Wege. Höchstens Rosberg eben. Dem bleibt nur die Kampfansage: "Obwohl der Abstand zu Lewis in der Weltmeisterschaft recht groß ist, habe ich den Titel definitiv noch nicht abgeschrieben." Er werde sich "über Nacht einen Plan überlegen. Der Start wird einen Riesenkampf geben", kündigte er an.

Rosberg sah sich vor der Reise nach Russland bemüßigt, in seiner Bild-Kolumne selbst das Vorurteil aufzugreifen, er sei wohl nicht hart genug, um es mit dem Champion aufzunehmen: "Ich kenne die Vorwürfe, die jetzt immer kommen, ich bin zu weich und so. Dazu sage ich euch: Wir haben vorgegebene Regeln, wie wir uns bei Zweikämpfen zu verhalten haben." Diese Regeln sind eine Folge jenes Auffahrunfalls durch Rosberg im vergangenen Herbst. Mercedes will vor allem den Konstrukteurstitel gewinnen, deshalb sollen sich die zwei Rivalen nicht ins Auto fahren - wer in der Kurve vorn ist, dem soll sie auch gehören.

Die Rücksichtnahme scheint sich, in Kombination mit der technischen Überlegenheit der Silberpfeile, durchaus auszuzahlen: Wie im Vorjahr kann das Stuttgarter Werksteam schon in Sotschi die Marken-Weltmeisterschaft einfahren. Gerade mal drei Punkte mehr müssen Hamilton und Rosberg dafür holen als das Ferrari-Duo Sebastian Vettel und Kimi Räikkönen.

Es geht auch um Rosbergs Zukunft bei Mercedes

Zwei Grand-Prix-Siege bei gleichzeitigen Nullnummern des Rivalen, nur so könnte Rosberg - rein theoretisch - die Führung in der WM übernehmen, die Hamilton seit dem ersten Saisonrennen innehat. Die aufgedröselte Statistik spricht eine noch deutlichere Sprache: 8:3 steht es nach Siegen für den Spitzenreiter, 12:3 nach Qualifikations-Duellen. Beide sitzen im gleichen, dem besten Auto des Feldes, und Rosberg ist bisher eben der Zweitbeste. Aber der Zweite gilt in diesem Sport nun mal als der erste Verlierer. Ein ewiger Zweiter zu sein, wie einst Rubens Barrichello bei Ferrari, das muss der Familienvater mit Wohnsitz in Monte Carlo unbedingt vermeiden.

Selbst wenn er Hamilton wieder nicht einholen kann, muss er zumindest intern punkten, um 2016 nochmal einen Anlauf zu nehmen. Erst wenn aus dem wieder kein Titel herausspringen sollte, müsste er über seine Zukunft nachdenken. Seine Tauglichkeit will er nicht in Frage gestellt wissen: "Ich bin jetzt lange genug dabei, um zu verstehen, dass es immer wieder solche Diskussionen geben wird. Das ist ganz normal. Daher ärgert mich das nicht."

Rosberg von Hamiltons Brillianz überrascht

Es sind nur Nuancen, die Rosberg und Hamilton in einzelnen Situationen trennen, aber insgesamt summiert sich das eben zu einem gewaltigen Abstand. So groß wie der Unterschied im Charakter. Rosberg spricht viel schneller als der Rivale, viel begeisterter, ist aber eigentlich der analytische, grüblerische Charakter. Hamilton ist immer emotional, aber er spricht sehr locker darüber.

Das ganze Dilemma mit Hamilton hat Rosberg kürzlich so erzählt: "Ich bringe meine schnellen Runden immer noch auf den Punkt. Wenn ich über die Linie fahre, denke ich oft, dass es besser nicht geht. Und dann sehe ich, dass Lewis doch noch, zwei, drei Zehntel schneller war. Er hat in einem Maß zugelegt, das mich überrascht. Und das ist schwer zu akzeptieren." In Sotschi hat er sich den Kräfteverhältnissen erfolgreich erwehrt.

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