Formel 1:Rosberg siegt auf der Achterbahn

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Souveräner Sieger in Spa: Nico Rosberg. (Foto: dpa)

Durch den Start-Ziel-Sieg in Spa schiebt sich der Deutsche in der Gesamtwertung bis auf neun Punkte an Lewis Hamilton heran. Zwischenzeitlich wird das Rennen chaotisch.

Von Elmar Brümmer, Spa-Francorchamps

Eine derart prominent besetzte letzte Startreihe hat es wohl selten gegeben in der Formel 1. Letzter Platz: Fernando Alonso mit dem McLaren; Vorletzter: Lewis Hamilton im Silberpfeil. Was für gewöhnlich aus den Rückstufungen wegen der diversen Komponentenwechsel an den Antriebssträngen werden kann? Mit viel Glück ein Ehrenpunkt. Aber gewöhnlich war bei diesem Großen Preis von Belgien am Wochenende wenig.

Mit der zweitbesten Aufholjagd in der Geschichte von Spa machte Hamilton über die 44 Runden 18 Plätze gut und schaffte es auf den dritten Platz, hinter Daniel Ricciardo im Red Bull und Hamiltons Teamkollegen Nico Rosberg. Michael Schumacher behielt seine Bestmarke aus dem Jahr 2011, damals hatte er 19 Plätze gutgemacht. Rosberg feierte jedenfalls seinen sechsten Saisonsieg, den 20. seiner Karriere, den ersten seit zwei Monaten und den allerersten in Spa.

Hamilton blieb der Trost, die Führung in der WM-Gesamtwertung verteidigt zu haben, neun Punkte liegen noch zwischen ihm und Rosberg (232:223). Eine Schadensbegrenzung für Hamilton, das war keine Selbstverständlichkeit auf dieser tückischen Piste. "Exzellenter Job", funkt Mercedes-Technik-Chef Paddy Lowe in Rosbergs Cockpit, für Hamilton galt das gleichermaßen. "Respekt" bescheinigte auch Rosberg seinem Kollegen.

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"Was war denn da los?"

Rosberg hat in der Sommerpause offenbar seine Startschwäche abgelegt, in Spa überführte er seine dritte Pole-Position in Serie in eine komfortable Führung. Und auch die Ferrari von Kimi Räikkönen und Sebastian Vettel stürmten links und rechts an Max Verstappen vorbei, dem Gastgeber, der vor dem Rennen für hundert Meter lange Schlangen am Einlass und eine mit 70 000 Zuschauern ausverkaufte Veranstaltung gesorgt hatte. Nun rauschte Verstappen auf das erste große Hindernis auf der asphaltierten Achterbahn zu, es lauert nach 271 Metern, ein scharfer Rechtsknick.

Den wollte der 18-Jährige innen nehmen, die beiden roten Autos außen. Eine Harakiri-Aktion. Platz ist in dieser Kurve nur für einen, und weil sich nun drei Dickköpfe durch die Kurve zwängten, gab es eine Dreifachberührung. Erst titschte Räikkönen Teamkollege Vettel an, dann fuhr sich Verstappen einen Teil des Frontflügels ab. "Was war denn da los?", fragte Vettel, nachdem das Feld vorbeigeraucht war. Er wurde am Ende trotzdem Sechster vor Fernando Alonso, dessen Aufholjagd noch höher einzuschätzen war als die von Hamilton. Alonsos McLaren-Honda ist weiter das technische Sorgenkind der Königsklasse.

Alonso und Hamilton hatten nach der Reparatur-Inflation in der Anfangsphase reichlich Favoriten hinter sich gelassen, doch auch diese wilde Jagd nahm zunächst schnell ein Ende. In der sechsten Runde kam Kevin Magnussen am Ende der Mutkurve Eau Rouge, wo die Autos ganz leicht werden und um die 290 km/h schnell sind, über die Randsteine, er verlor die Kontrolle über den Renault und schlug rückwärts in die Reifenstapel ein. So heftig, dass sich die Cockpitumrandung löste, die hintere Knautschzone aber verhinderte Schlimmeres. Durch den Aufprall wurden die Leitplanken hinter den Reifenbündeln stark verbogen.

Während der Däne mit einer Knöchelverletzung davonhumpelte, unterbrach Renndirektor Charlie Whiting den 13. WM-Lauf für Reparaturarbeiten. Die 17 im Rennen verbliebenen Rennwagen reihten sich brav in der Boxengasse auf, wer noch nicht beim Reifenwechsel war, holte dies nun bequem nach. Ein weiterer Vorteil für Hamilton, der möglichst wenig von seinem Vorsprung gegenüber Rosberg verlieren wollte.

Mercedes hatte den Motorentausch samt Strafversetzung bei Hamilton für dieses Rennen gewählt, damit der britische Titelverteidiger in der Endphase der Saison keine weiteren Rückstufungen mehr kassiert - und jetzt sogar einen frischen Motor mehr zur Verfügung hat. "Verstehen muss man diese technischen Regeln nicht", sagte er selbst.

Verstappen zieht Ärger auf sich

Nico Rosberg zog in der elften Runde, als das Rennen wieder freigegeben wurde, erneut davon, im Schlepptau Daniel Ricciardo und den Force India von Nico Hülkenberg. Hülkenberg durfte bis zur 19. Runde von seinem ersten Podiumsplatz in der Formel 1 träumen - dann fing ihn Hamilton ein; Hülkenberg wurde am Ende Vierter. Hamilton hatte sich einen extra flachen Flügel ans Auto montieren lassen, um das Überholen zu erleichtern. "Gut gemacht", kommentierte die Box.

Die größte Dramatik entfaltete sich jetzt hinter den Führenden. Verstappen war nach der frühen Kollision ans Ende des Feldes gerutscht. Was seinen Überehrgeiz weiter befüllte. Er legte sich erneut mit Räikkönen an, wieder spielte er das Spielchen, für das ihn mittlerweile fast die ganze Fahrergemeinde hasst: Nicht nur die Spur mehrfach zu wechseln, wenn er überholt wird, sondern auch noch kurz vom Gas zu gehen - das ist für den Hintermann lebensgefährlich. "Lächerlich", tobte der Finne. Aber Verstappen scheint bei den Kommissaren einen Bonus zu besitzen, auch als er noch mit Sergio Perez kollidierte. Am Ende waren der elfte Platz und null Punkte Strafe genug für die große Hoffnung. "Der Typ gehört in die Schule", schimpfte RTL-Kommentator Niki Lauda.

Allein der Kampf um die Spitze kam in diesem turbulenten Rennen am Ende zu kurz. Macht nichts, versprach Rosberg: "Nächstes Wochenende in Monza wird es wieder eine Schlacht."

© SZ vom 29.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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