Formel-1-Rennen in Sotschi:Im Osten viel Neues

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Formel 1 vor den Olympiastätten: So ist das in Sotschi (Foto: Getty Images)

Am Wochenende in Sotschi, 2016 in Baku: Die Formel 1 erweitert ihren Wirkungskreis gen Osten. Politische Bedenken haben die Protagonisten dabei keine - schon gar nicht Bernie Ecclestone.

Von Elmar Brümmer, München/Sotschi

Man kann nicht behaupten, dass Bernie Ecclestone Probleme mit autoritären Staatschefs hat. Im Guardian hat er mal behauptet: "Ich glaube nicht, dass Demokratie der richtige Weg ist, ein Land zu führen. Man braucht jemanden, der den Lichtschalter an- und ausknipst." Im gleichen Interview hat der bald 84 Jahre alte Formel-1-Geschäftsführer auch über Olympia hergezogen.

Es ist aber nicht anzunehmen, dass das seine Männerfreundschaft zu Wladimir Putin beschädigen wird, aus der heraus die Idee zum ersten Großen Preis von Russland entstanden ist, der am Wochenende in Sotschi ausgetragen wird. Vor der Visite am Schwarzen Meer hatte Ecclestone noch in Baku zu tun. 2016 soll dort der Große Preis von Europa gefahren werden. Während ein Grand Prix vor der Skyline von New York wohl nur ein schöner Traum bleibt, geht die Erweiterung der Formel 1 im Osten weiter.

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Die Idee zu einem WM-Lauf in Russland gibt es seit 1983. Ursprünglich war ein Rennen auf dem Roten Platz im Gespräch, vor vier Jahren fiel dann die Entscheidung für den Bau einer Strecke speziell für die Formel 1 - dem Sotschi Autodrom, angeblich 260 Millionen Euro teuer. Wenig Bodenhaftung der Rennwagen, hoher Reifenverschleiß, knappe Auslaufzonen und nahe Begrenzungsmauern - in der Woche nach dem lebensgefährlichen Unfall von Jules Bianchi in Suzuka kann diese Charakteristik nur bedingt als reizvoll bezeichnet werden. Die Veranstalter aber rühmen sich ihrer Sicherheitsbarrieren von "Weltklasse". Der Staatsmacht entsprechend präsentiert sich die Piste rund um das Olympiaeisstadion als Power-Piste.

An eine Absage aufgrund der Ukraine-Krise wurde in Formel-1-Kreisen nie gedacht, die Rennställe und Rennfahrer halten sich eisern an die Sprachregelung, dass sie dem Rechteinhaber (die Luxemburger Investmentfirma CVC, vertreten durch Ecclestone) und dem Automobilweltverband FIA (in dieser Frage bisher nicht in Erscheinung getreten) folgen, und dass sie sich im Übrigen als unpolitisch betrachten. Ecclestone stützt Putins Prestigeprojekt: "Wir werden unseren Vertrag zu 100 Prozent einhalten. Ich sehe kein Problem, wir haben mit Politik nichts zu tun."

Als auf einer offiziellen FIA-Pressekonferenz die Teamchefs mit der Frage nach moralischen und politischen Bedenken und einer möglichen Absage konfrontiert wurden, gab es eine Menge Aufregung - über hartnäckige Journalistenfragen zu diesem Thema. Red-Bull-Teamchef Christian Horner rügte die "depressive Fragerei", die sich nur auf das Negative beziehe: "Der Rennkalender kommt immer im Herbst heraus, dann hat jeder die Chance zu sagen, ob er mitmacht oder nicht. Das macht man entweder, weil man mit Leidenschaft dabei ist - oder so sein Geld verdient." Lediglich Ari Vatanen, der ehemalige Rallyefahrer und ehemalige FIA-Präsidentschaftskandidat, blieb bei seiner Boykottforderung.

Die Situation sei anders als im vorletzten Jahr in Bahrain, meint Monisha Kaltenborn, die Teamchefin des Schweizer Sauber-Rennstalls. Damals hatten in den Dörfern rund um die Strecke blutige Straßenkämpfe getobt. Eine mögliche Absage war damals eine Frage der Sicherheit gewesen. Diesmal geht es um Politik. Kaltenborn sagt: "Wir betrachten es als Rennen wie jedes andere." Die Juristin ahnt, dass die Fahrer und Teams möglicherweise Prügel abbekommen werden für den Start in Russland. Sie bestreitet aber, mit einem Tunnelblick in Sotschi an den Start zu gehen ("Das ist nie gut"). Die Sauber-Mannschaft wird auch, anders als in Bahrain, im Rahmen des Rennens PR-Termine wahrnehmen.

Im vergangenen Sommer, als das Team finanziell vor dem Aus stand, war ein Konglomerat von russischen Investoren aufgetaucht, das das Überleben versprach. Im Rahmen der Absichtserklärungen war zumindest die Förderung des 18 Jahre alten russischen Nachwuchspiloten Sergej Sirotkin vereinbart worden. Der ist von einem Stammplatz weit weg, aber dass Sauber diese Vereinbarung einhält, lässt auf den Fluss der entsprechenden Gelder schließen. Die großen russischen Sponsoren-Deals aber kamen bislang nicht zustande.

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Angeblich steht es auch um den Marussia-Rennstall, für den der in Japan verunglückte Bianchi startete, nicht gut. Der Automobilkonzern, der dem Team seinen Namen gab, hat seine Sportwagenprojekte im Frühjahr eingestellt. Seither geht das Gerücht im Formel-1-Fahrerlager um, dass nach dem Heimrennen auch für den Rennstall Schluss sein könnte. Das Formel-3-Team von Marussia, das seine Basis ebenfalls in England hat, reist erst gar nicht nach Sotschi - aus "kommerziellen Gründen".

Bleibt als lokale Attraktion Daniil Kvyat, nach dem ins Deutsche Tourenwagen Master abgestiegenen Witali Petrow (57 Rennen, ein Podestplatz) der einzige russische Fahrer in der Königsklasse. Gleich in seinem ersten Grand Prix holte Kvyat zwei Punkte, und zum Saisonende wird er von Toro Rosso als Ersatz für Sebastian Vettel zu Red Bull Racing befördert. Nach ihm ist eine der Tribünen im Sotschi Autodrom benannt. "Es ist definitiv ein historischer Moment", sagt der 20-Jährige. Und in Aserbaidschan hat der zuständige Sportminister keck behauptet: "Die Jugendlichen in der Stadt werden so beeindruckt sein von der Formel 1 vor ihrer Haustüre, dass sie von nun an vom Weltmeistertitel träumen."

© SZ vom 09.10.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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