Formel 1:Was bekannt wird, dürfen die Sünder entscheiden

Formel 1: Heimspiel: Der Mexikaner Sergio Perez hofft auf seinen Heimsieg - sein Team kassiert eine schwere oder eben nicht-so-schwere Strafe. Je nach Sichtweise.

Heimspiel: Der Mexikaner Sergio Perez hofft auf seinen Heimsieg - sein Team kassiert eine schwere oder eben nicht-so-schwere Strafe. Je nach Sichtweise.

(Foto: Sam Bloxham/Imago/Motorsport Images)

So funktioniert Rechtsprechung in der Formel 1: Das Red-Bull-Team akzeptiert "widerwillig" die Strafe wegen Überschreitung der Budgetobergrenze. Und die brisantesten Details bleiben wohl unter Verschluss.

Von Elmar Brümmer

Die Verteidigung erfolgt nach dem Prozess. Die Richter fällen ein Urteil, gehen aber bei der Begründung nicht ins Detail. Dürfen sie auch nicht, denn das ist der Deal. So funktioniert Rechtsprechung in der Formel 1. Die Rennserie ist ja nur für die paar Stunden auf der Strecke Sport, ansonsten ist sie Geschäft. Ein ziemlich kompliziertes, hoch technisches und höchst politisches.

Dass Red Bull Racing, das Team von Weltmeister Max Verstappen, die erstmals gültige Budget-Obergrenze in der Königsklasse im vergangenen Jahr überschritten hatte, ist seit gut drei Wochen bekannt gewesen. Irgendjemand aus den Kreisen der Buchprüfer oder des Automobilweltverbandes Fia muss geplaudert haben - und fand bei Ferrari und Mercedes die richtigen Ansprechpartner. Seither tobte eine öffentliche Schlacht aus Vorverurteilungen und Unschuldsbeteuerungen.

Red Bull inszenierte sich als Opfer, die Gegner wollten Opfer sehen. Dann wurde die Schuld des Rennstalls formal festgestellt - und zuletzt wurde hinter den Kulissen weiterverhandelt, ob Red Bull in Berufung ziehen oder sich schuldig bekennen würde. Letzteres tut Red Bull nun. Es hat für beide Seiten Vorteile: Die Sache ist vom Tisch, das Gesicht der Fia als strenger Regelhüter gewahrt, das sportliche Ergebnis aus dem vergangenen Jahr endlich offiziell. Und die Sünder dürften selbst bestimmen, was sie von der Verfehlung preisgeben möchten. Accepted Breach Agreement nennt sich das.

"Wenn wir alle juristischen Möglichkeiten ausgenutzt hätten, hätte sich der Prozess noch zwölf Monate hinziehen können", weiß Teamchef Christian Horner. "Das wären Monate mit weiteren Spekulationen, Anschuldigungen von Heckenschützen und rufschädigenden Kommentaren geworden. Deshalb schlucken wir die Kröte."

Unterbrochen worden war das Schlichtungsverfahren durch den Tod von Red-Bull-Gründer Dietrich Mateschitz am vergangenen Wochenende, weshalb die Rechtsprechung erst am Trainingstag zum Großen Preis von Mexiko geschah: Für die Überschreitung des Kostendeckels von 148,6 Millionen Dollar um 1,6 Prozent - 2,15 Millionen Dollar - muss der österreichisch-britische Rennstall eine Geldbuße von sieben Millionen Dollar zahlen, zudem ein Jahr lang mit eingeschränkten Entwicklungszeiten im Windkanal testen.

Wie ein Buchhalter, der besonders genau hinsieht, hatte Teamchef Christian Horner bei seiner Rechtfertigungsrede am Autodromo Hermanos Rodriguez eine Brille aufgezogen. Und - schwupps - verwies er auf einen bedauerlichen Verfahrensfehler, ein Missverständnis bloß, eine Meinungsverschiedenheit, ohne die sein Rennstall lediglich um 0,37 Prozent über dem Limit gelegen hätte, der Kleinigkeit von 501 850 Dollar. Eine neue Interpretation der Bilanzierung und eine Steuernachzahlung hätten ihr Übriges zu der unterschiedlichen Sichtweise bei den Zahlen beigetragen. Weltmeisterliche Algebra.

Zu gern hätte man noch erfahren, um wie viel zu hoch der Kantinenzuschuss gewesen ist, den Red Bull seinem Personal gegeben hatte und was ein Rennteam so an Bonus und Abfindungen bezahlt. Oder was genau da mit den Bewirtungskosten an der Rennstrecke gelaufen war. Und ob das Traumgehalt von Designgenie Adrian Newey nicht doch eine Rolle gespielt hat. Mancher hätte sich gern daran delektiert, nun wird es das alles leider nicht geben, aber immerhin hatten die Prüfer detailliert die 13 Bereiche aufgelistet, in denen man anderer Auffassung war als Red Bull. Und: Der Automobilweltverband Fia hat tatsächlich ernst gemacht und zumindest einen Maßstab für die kommenden Prüfungen gesteckt, wenn es denn schon keinen klar definierten Strafenkatalog, sondern nur eine fünfprozentige Kulanzregelung gibt.

Red Bull beteuert: Es habe keinen Entwicklungsvorteil gegeben

Nur "widerwillig" und hauptsächlich "im Interesse des Sports" habe man der Strafe zugestimmt, sagt Horner. Wohlwissend, dass ein neutrales Finanzgericht vielleicht noch höhere Summen aufgerufen hätte. Natürlich habe es nie einen Entwicklungsvorteil durch den selbst erhöhten Etat gegeben, klar. Das mitleidige Grinsen von Mercedes-Teamchef Toto Wolff konnte sich jeder Zuhörer der Solo-Pressekonferenz Horners bildlich vorstellen.

Wolff akzeptierte das richtungsweisende Urteil für den Konkurrenten dennoch souverän: "Ich denke, dass jede Strafe aus unserer Sicht natürlich zu wenig ist, aber für sie natürlich immer zu viel." Den Wert der fehlenden Windkanalzeit mag der Manager nicht beziffern, die sieben Millionen schon: "In absoluten Zahlen ist das eine Menge Geld. Aber in Anbetracht der sonstigen Investitionen vielleicht doch nicht so viel. Der Imageschaden ist wahrscheinlich der größte." Für ihn zähle aber die hohe Abschreckung.

Mercedes lobt die Fia-Führung

Die Erklärungen seines Intimfeindes möchte er nicht hören: "Neun Teams haben sich an das Reglement gehalten und sind unter der Obergrenze geblieben. In diesem Sport entscheiden Marginalien über den Erfolg, alles andere ist nur Geschwätz. Es gibt keinen mildernden Faktor." Weshalb Wolff sich auch über die unnachgiebige Haltung des Automobilweltverbandes Fia und von dessen Präsidenten Mohammed bin Sulayem freue: "Was ich als positiv ansehe, ist die starke Führung. Es wurde nichts unter den Teppich gekehrt."

Der Abzug von zehn Prozent Windkanalzeit ist tatsächlich ein gewaltiger Nachteil, Horner rechnet vor, dass dieser zwischen einer viertel und einer halben Sekunde Rundenzeit beträgt: "Es verschafft unseren Rivalen einen Vorteil, deswegen haben sie auch nach einer drakonischen Strafe gerufen. Unseren Windtunnel niederzubrennen hätte ihnen bestimmt auch nicht gereicht." Flugs macht der Brite schon wieder eine Gegenrechnung auf: "Was wir an Zeit im Windkanal verlieren, haben wir an Motivation gewonnen."

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