Sieben Kurven der Formel 1:Die Tränen der roten Bullen

Lesezeit: 5 Min.

In Austin ehrt das Red-Bull-Team den verstorbenen Dietrich Mateschitz bestmöglich, Sebastian Vettel entdeckt seinen Weltmeister-Instinkt wieder und Brad Pitt ist auf Mission im Fahrerlager. Die Höhepunkte des F1-Wochenendes.

Von Elmar Brümmer, Austin

Dietrich Mateschitz

(Foto: Memmler/Eibner/Imago)

Der Bildschirm der offiziellen F1-Webseite blieb lange schwarz, nichts war mehr von der Euphorie geblieben, die das Rennwochenende in Texas begleitet hatte. Eine Stunde vor der samstäglichen Qualifikation zum Großen Preis der USA hatten die Red-Bull-Mitarbeiter jene E-Mail erhalten, vor der sie sich schon seit Wochen gefürchtet hatten - der stille Patriarch war seiner schweren Krankheit erlegen. Umgehend herrschte Frieden im zerstrittenen Fahrerlager, und das Management der Serie versprach: "Wir werden ihn immer als Titan des Motorsports in Erinnerung behalten."

Begonnen hatte seine Liebe zur Königsklasse mit einem Werbeaufnäher auf dem Rennanzug seines österreichischen Landsmanns Gerhard Berger im Jahr 1989. Auch Mercedes-Teamchef Toto Wolff fuhr Rennen in Red-Bull-Lackierung. Für Wolff war der 78 Jahre alt gewordene Mateschitz nicht nur "überlebensgroß", sondern sei auch diejenige Einzelperson, "die den größten Beitrag für die F1 geleistet hat." Vor dem 19. WM-Lauf gab es statt einer Schweigeminute eine Runde Applaus, dazu den Song "Start me up" von den Rolling Stones, der Lieblingsband des Österreichers.

Max Verstappen

(Foto: Imago)

Ohne Mateschitz, das gibt der Titelverteidiger gern und offen zu, würde er nicht in diesem Cockpit sitzen. Der Niederländer ging sogar so weit: "Ohne ihn hätte ich kein Leben." Das letzte Treffen mit ihm vor ein paar Wochen sei deshalb jetzt noch wertvoller. Klar war, dass es nur eine, respektive zwei Möglichkeiten in Austin geben würde, etwas zurückzugeben: Den Konstrukteurs-Titel einzufahren, möglichst mit einem Sieg. Am Ende eines unterhaltsamen Rennens konnte Verstappen hinter beides einen Haken setzen, nicht mal durch einen zickenden Schlagschrauber und einen Elf-Sekunden-Boxenstopp war er zu bremsen.

Das zeigt die Überlegenheit des Autos, aber auch die Klasse des Champions. Teamchef Christian Horner funkte nach der Zieldurchfahrt ins Cockpit: "Du bist Weltmeister, wir sind Weltmeister - danke, Dietrich." Horner und Verstappen hatten während der österreichischen Hymne Tränen in den Augen. Verstappen bedeutet sein erster Mannschaftssieg viel: "Der ist so wichtig für alle." Aber er versprach, für die nahe Zukunft nicht nachzulassen. Warum auch. Mit Saisonsieg Nummer 13 hat er die von Michael Schumacher und Sebastian Vettel gehaltene Bestmarke eingestellt. Einer geht noch. Für sich. Und für Didi.

Brad Pitt

(Foto: Darron Cummings/AP)

Die Annahme, dass es auch in der kommenden F1-Saison nur 20 Cockpits gibt, ist nicht mehr ganz richtig. Fahrer Nummer 21 ist zwar schon 58 Jahre alt, aber geht als Rookie durch. Sein Name: Brad Pitt. Seine Absicht: während der Rennwochenenden im echten Umfeld Teile des F1-Kinofilms zu drehen. Vermutlich wird der Hauptanteil der Dreharbeiten vor Ort bei der Premiere des Rennens in Las Vegas stattfinden, allein schon wegen der Nähe zu Hollywood. Produzent Jerry Bruckheimer und Regisseur Joseph Kosinski haben in Austin den Teamchefs die dazugehörige Filmtechnik präsentiert. Die Rennfans können sich auf Effekte wie bei "Top Gun: Maverick" freuen. Bei der Fortsetzung des Flieger-Epos war zunächst eine Gastrolle von Lewis Hamilton geplant worden, aber die Drehtermine kollidierten mit dem WM-Kalender. Für den F1-Streifen fungiert der Rekordweltmeister als Berater und Co-Produzent.

Lewis Hamilton

(Foto: Jerome Miron/USA TODAY Sports)

So nah dran, fünf Runden bloß noch, um die Serie nicht reißen zu lassen. Bislang hat Hamilton in jeder seiner 15 F1-Jahre mindestens ein Rennen gewonnen, und so nah wie in Texas war er im ganzen Jahr nicht am 104. Erfolg seiner Karriere. Etliche Führungsrunden sind per se kein Grund zum Feiern für einen Rekordchampion, aber diesmal fand er das so lange vermisste Gefühl "fantastisch". Dafür habe die Mannschaft das ganze Jahr über gearbeitet, und das werde sich auszahlen: "Wir machen weiter Druck, irgendwann passiert es dann."

Erstmals seit Abu Dhabi wieder auf Augenhöhe und hart Rad an Rad mit Max Verstappen kämpfen zu können, auch wenn es nur für ein paar Kurven war, das gibt Auftrieb und Antrieb. "Kleine Hamsterschritte" seien das, bescheinigte auch Teamchef Toto Wolff. Da war schon wieder das Mehr in den Augen des Österreichers: "Zweiter ist nicht gut genug, aber diesmal hatten wir noch nicht das Tempo. Das nächste Mal vielleicht ..." Man habe Red Bull jetzt genügend Pokale überlassen.

Sebastian Vettel

Drei Kurven noch, dann ist der unterhaltsame Große Preis der USA rum. Sebastian Vettel, der zwischenzeitlich mit seinem Aston Martin sogar mal eine Führungsrunde einfahren konnte, sieht das Heck des Haas-Ferrari von Kevin Magnussen vor sich. Letzte Chance, sich noch Platz acht zu holen. Der Instinkt eines viermalgien Weltmeisters ist wieder da, potenziert von der Wut im Bauch, durch einen kaputten Wagenheber beim Boxenstopp den fast sicheren sechsten Rang verloren zu haben. Den Dänen zu überholen, das ist eine der unangenehmsten Aufgaben in der F1, aber Vettel setzt alles auf eine Karte, schießt aus dem Windschatten vorbei, kassiert wichtige Punkte für Aston Martin.

Später wird daraus durch die Rückstufung von Fernando Alonso noch der siebte Rang. Dem Hessen gebührte die Ehre, in seinem viertletzten Grand Prix nochmal zum Fahrer des Tages gewählt zu werden. "Ich musste da überholen, wo man normalerweise nicht überholt", sagte der Heppenheimer. Es blitzte dazu in seinen Augen. In Austin tun sie auch etwas für sein gutes Gewissen - 296 Bäume, für jedes seiner bisherigen Formel-1-Rennen einen, werden rund um den Circuit of the Americas gepflanzt.

Logan Sargeant

(Foto: Zak Mauger/Motorsport Images/Imago)

Für den F1-Führerschein namens Superlizenz fehlen ihm noch ein paar Punkte, trotzdem hat der deutsche Williams-Teamchef Jost Capito bestätigt, dass Formel-2-Pilot Logan Sargeant im kommenden Jahr das Cockpit von Nicholas Latifi übernehmen wird. Den Ausschlag für den 21-Jährigen gegenüber dem Kandidaten Mick Schumacher geben nicht allein seine ordentlichen Leistungen in der zweiten Rennliga. Wichtig ist vor allem sein Pass: Sargeant kommt aus Fort Lauderdale in Florida. Damit hat die Königsklasse endlich ihren US-Piloten, und die ebenfalls aus den Vereinigten Staaten stammenden Williams-Investoren einen Landsmann am Start. In Austin durfte Sargeant schon an einem Training teilnehmen. Weitere sollen folgen. "Wir glauben, dass er jetzt bereit für Renneinsätze ist. Wenn er nach dem Wochenende in Abu Dhabi genügend Superlizenz-Punkte zusammen hat, wird er unser zweiter Fahrer", sagt Capito. Falls nicht, habe er noch einen Ersatzmann in der Hinterhand.

Mick Schumacher

(Foto: Patrick T. Fallon/AFP)

Wieder so nah dran. Aber dann doch wieder nix. Das Ultimatum des Rennstallbesitzers Gene Haas, er müsse für eine Vertragsverlängerung nun dringend punkten, konnte Mick Schumacher über weite Strecken erfüllen, fuhr bis auf Rang sechs vor, später hielt er sich auf den Rängen neun und zehn. Aber das Rennglück hat er in der entscheidenden Phase der Saison und vielleicht seiner Karriere garantiert nicht gepachtet. Der Boxenstopp des Haas-Rennstalls kam zur falschen Zeit, kombiniert mit der Wahl des falschen Reifens.

Dann sammelte Schumacher erst Karbonsplitter auf, die das Auto beschädigten, schließlich krachte ihm noch Nicholas Latifi in die Seite. "Danach ging es bergab", bilanzierte Schumacher Junior, Zorn und Enttäuschung waren aus den angespannten Gesichtszügen herauszulesen. Rang 15 ist keine wirkliche Empfehlung, vor allem, wenn der Teamkollege Zählbares holt. Schumacher glaubt immer noch ans Gute in seinem Rennstall, der ihm aber bislang nie wirklich den Rücken gestärkt hat: "Ich glaube, sie haben gesehen, was ich kann, gerade in der Anfangsphase. Das Tempo ist da." Die Hoffnung bleibt, nachdem ihm Teamchef Günther Steiner am Anfang "einen fantastischen Job" bescheinigte.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusNachruf auf Dietrich Mateschitz
:Voller Energie

Binnen vier Jahrzehnten schuf der Österreicher Dietrich Mateschitz mit Red Bull, zahlreichen Medien und Profisportteams ein beispielloses Imperium - und wurde außerordentlich reich. Jetzt ist er im Alter von 78 Jahren gestorben.

Von Felix Haselsteiner und Uwe Ritzer

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: