Formel-1-Pilot Hamilton:"Lewis hat sich sehr breitgemacht im Team"

F1 Grand Prix of China

"In den vergangenen Wochen hat mir seine Körpersprache nicht gefallen": Gerhard Berger über Nico Rosberg (l.), daneben Lewis Hamilton (r.).

(Foto: Getty Images)

Was tun, wenn der Teamkollege einen Lauf hat? Der frühere Formel-1-Pilot Gerhard Berger hat dazu viele Erfahrungen gesammelt. Im Duell mit Lewis Hamilton rät er Nico Rosberg zur Taktik von Lauda und Prost.

Von René Hofmann

Gerhard Berger, 55, verfolgt die Formel 1 seit Langem. Von 1984 bis 1997 fuhr der Österreicher für die Teams ATS, Benetton, Ferrari und McLaren. 1998 wurde Berger BMW-Sportchef. In dieser Rolle verhalf der dem damals 17 Jahre alten Nico Rosberg zu seiner ersten Formel-1-Fahrt. Berger hat selbst 210 Rennen bestritten, in denen ihm zehn Siege glückten. Weltmeister wurde er nie. 1990 musst er bei McLaren erleben, wie sein Freund Ayrton Senna ihn bezwang und zum Titel fuhr.

SZ: Herr Berger, am Sonntag wird in Bahrain das vierte Formel-1-Rennen der Saison gestartet. Viele fragen sich: Kann Nico Rosberg nach drei Niederlagen gegen Lewis Hamilton kontern und ihn doch noch bezwingen? Sie haben das damals gegen Senna nicht hinbekommen.

Gerhard Berger: Nein, leider. Meine Situation 1990 bei McLaren war durchaus vergleichbar mit der von Nico und Lewis. Am Anfang habe ich sehr gut mithalten können, ich war lästig für Senna. Irgendwann habe ich dann die Nerven verloren und mich viel zu sehr in Nebensächlichkeiten verbissen. Ich hätte meine Angriffe auf Senna viel besser planen können und müssen. Als er dann auch noch seinen zweiten Titel gewonnen hatte, wurde es noch schwerer; da wurde er auch noch locker. In so einer Phase ist es dann wahnsinnig schwer, so einen aus dem Gleichgewicht zu bringen. Ich habe meine besten Jahre in Sennas Schatten verloren.

Wie beurteilen Sie das Duell zwischen Nico Rosberg und Lewis Hamilton?

Beide sind komplett unterschiedlich, beide haben Weltklasse-Niveau. Hamilton hat als Weltmeister schon zweimal bewiesen, dass er der Beste der Besten sein kann. Nico ist unter Druck, weil Lewis erneut die Nase vorn hat.

Was sollte Nico Rosberg jetzt tun?

Die Nerven behalten. Er muss die Schwächen von Lewis ausnutzen und schauen, wann die Zeit für ihn spielt.

Nach WM-Punkten steht es 68 zu 51. Saisonübergreifend hat Hamilton von den jüngsten zehn Rennen acht gewonnen. Trauen Sie Nico Rosberg zu, dass er die Reihenfolge noch einmal dreht?

Eigentlich ja. Aber in den vergangenen Wochen hat mir seine Körpersprache nicht gefallen.

Inwiefern?

Für einen Rennfahrer ist es wahnsinnig hart, Zweiter zu werden. Man glaubt in dem Moment, die Welt bricht zusammen. Man muss sich deshalb klarmachen: Das bewerte ich jetzt über. Zweiter zu werden, wenn ein anderer schneller ist, ist das Beste, was möglich ist. Dann muss man ganz kühl bleiben und sein Ding weiter durchziehen. Diese Taktik muss Nico jetzt anwenden. Aber ich fürchte: So weit ist er noch nicht ganz.

Wie haben Sie sein öffentliches Lamentieren in China erlebt, Hamilton habe ihn durch das Verschleppen des Tempos behindert und um die Siegchance gebracht?

Das war nicht hilfreich. Prinzipiell gilt: Jeder fährt nur für sich. Nico würde im Rennen doch auch nicht überlegen, wie er Lewis helfen kann.

Hat Rosberg noch alle Chancen auf den Titel?

Sebastian Vettel und Ferrari haben aufgeholt. Anders als 2014 ist Mercedes unter Druck. Glauben Sie, Nico Rosberg wird deshalb zur Nummer zwei im Team gestempelt?

Das glaube ich nicht. Die Saison ist noch jung. Und die Überlegenheit von Mercedes ist immer noch groß genug, um beide den Titel jagen zu lassen. Die technische Ausrüstung ist für beide dieselbe. Es kann sein, dass es bei der Taktik einen Vorteil gibt. Aber da gilt: Wer auf der Pole-Position steht, bekommt den Vorzug. Egal, wer es ist.

Sie glauben also, Nico Rosberg hat noch alle Chancen, um den Titel zu kämpfen?

berger

Gerhard Berger, 55.

(Foto: E. Scheriau/DPA)

Er hat alle Möglichkeiten. Was ihm aktuell fehlt: der totale mentale und emotionale Rückhalt. Lewis hat sich durch den Titel sehr breitgemacht im Team. Das ist ein Nachteil für Nico.

Eines fällt auf: Seit dem Rennen in Spa im vergangenen Jahr, bei dem die beiden kollidierten, Hamilton ausfiel und Rosberg von der Teamführung die Schuld daran zugesprochen wurde, weist Hamiltons Formkurve nach oben und Rosbergs nach unten. War das ein Knackpunkt?

Der Unfall war nicht Nicos Schuld. Es war ein ganz normaler Unfall, wie er im Mittelfeld immer wieder vorkommt. Kein Fahrer kann dem anderen gezielt mit dem Frontflügel einen Hinterreifen aufschlitzen. Ich habe die Aussagen von Teamchef Toto Wolff und Team-Aufsichtsrats-Chef Niki Lauda deshalb überhaupt nicht nachvollziehen können und auch nicht die Reaktion der Fans, die Rosberg bei der Siegerehrung ausgepfiffen haben. Das ist sehr unglücklich gelaufen für Nico. Aber ein Spitzenmann muss so etwas wegstecken.

Sie haben Nico Rosberg als Teenager die erste Formel-1-Fahrt ermöglicht. Hat er Ihre damaligen Erwartungen erfüllt?

Er ist sogar besser. Er hat über viele Jahre einen hervorragenden Job gemacht, stabil, ohne viel Auf und Ab. Er ist immer gegen die härtesten Fahrer unterwegs gewesen: gegen Mark Webber, gegen Michael Schumacher. Er hat sich immer durchgesetzt. Nur Lewis zeigt ihm aktuell ein bisschen seine Grenzen auf. Aber wenn Nico seinen Kopf benutzt, kann er auch gegen Lewis gewinnen.

Was muss er dafür tun?

Er muss versuchen, Lewis auf seine Art zu schlagen. Nicht unbedingt über Siege mit der Brechstange.

Sondern?

Er muss ganz cool bleiben, immer alles abräumen, was er holen kann und sich sagen: Abgerechnet wird zum Schluss. Er muss sich noch klarer machen: Okay heute, werde ich Zweiter, weil es nicht besser geht. Und das nächste Mal probiere ich es wieder. Und auch wenn ich sechsmal nacheinander Zweiter werde, probiere ich es wieder.

Für wen ging diese Taktik auf?

Es hat etliche Jahre gegeben, in denen nicht der stärkste Fahrer gewonnen hat, sondern derjenige, der am coolsten kalkulierte. Niki Lauda hat so 1984 im McLaren-Duell Alain Prost um einen halben Punkt niedergerungen. Und Prost wiederum hat auf diese Art 1989 Ayrton Senna bezwungen, als die beiden für McLaren fuhren. Senna war ganz klar der Schnellere. Aber Prost war immer so gut es ging - und wenn Senna ein Problem hatte, war er zur Stelle.

Sie sagen zu Recht: Zweiter in der Formel 1 zu sein, verdient Respekt. Andererseits will natürlich jeder, der es in ein Top-Auto schafft, den Titel unbedingt gewinnen. Wie schwierig ist es, wenn man an den Punkt kommt, an dem man realisieren muss: Ich werde doch nie Weltmeister?

Für mich war das wahnsinnig schwierig. An der Einsicht knapse ich heute noch. Aber in der Situation ist Nico noch nicht.

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