Rennfahrer Oscar Piastri:Der neue Hauptrivale von Max Verstappen

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Oscar Piastri ist mit 24 Jahren und nach gerade einmal 51 Formel-1-Rennen schon einer, der neben der Strecke und im Cockpit auffällig abgeklärt auftritt.
Oscar Piastri ist mit 24 Jahren und nach gerade einmal 51 Formel-1-Rennen schon einer, der neben der Strecke und im Cockpit auffällig abgeklärt auftritt. (Foto: Antonin Vincent/Imago)

Nach dem Grand Prix von Saudi-Arabien führt Oscar Piastri erstmals die WM an. Der Australier ist zu einem Vollstrecker geworden, der vom Weltmeister respektiert wird. Bei einem Titelduell der beiden träfen die extremsten Charaktere der Formel 1 aufeinander.

Von Elmar Brümmer

Sagen wollte Max Verstappen nichts mehr. Jedenfalls nicht zu der relevantesten Szene des Großen Preises von Saudi-Arabien, gleich am Anfang. Gestartet aus der – für ihn, angesichts der Schwierigkeiten mit seinem Dienstwagen, einmal mehr sensationell erscheinenden – Pole-Position bog er mit Oscar Piastri in die erste Kurve, dem im McLaren ein Raketenstart gelungen war. Verstappen lag außen fast gleichauf, wurde leicht abgedrängt und schnitt den Bogen so, dass er dank dieser Abkürzung in Führung blieb. Der Niederländer machte danach keine Anstalten, die Position zurückzugeben. Er wusste, dass dieser Moment den fünften WM-Lauf entscheiden würde, der Jeddah Corniche Circuit ist ansonsten höchst überholunfreundlich.

Durch diese Sturheit blieb Verstappen das erste Drittel des Großen Preises von Saudi-Arabien auch in Führung, doch da wusste der 27-Jährige längst, dass ihm die Rennleitung fünf Strafsekunden für einen unerlaubten Vorteil aufbrummen würde. Bei McLaren hielten sie die Strafe für fair, bei Red Bull für zu harsch. Am Ende sind diese Sekunden vor allem eines gewesen: entscheidend dafür, dass Piastri sein drittes Rennen der Saison gewonnen hat und zum ersten Mal in seiner Karriere an der Spitze der WM-Wertung steht, mit nun zehn Punkten Vorsprung auf seinen Teamkollegen Lando Norris und zwölf auf Titelverteidiger Verstappen. „Ich habe in Kurve eins gezeigt, wo der Chef sitzt“, sagt Piastri über sein Manöver mit Signalwirkung.

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>Dass die Fans trotzdem Verstappen zum Mann des Tages wählten, konnte den Frust des Geehrten kaum lindern. Es ist nicht das erste Mal, dass er zornig ist auf die Funktionäre, sondern das x-te Mal. Deshalb schwieg er lieber, um sich nach dem Maulkorberlass des umstrittenen Automobilverbandspräsidenten Mohammed bin Sulayem nicht weiteren Ärger und Strafen in absurder Höhe einzufangen. Nur einmal gab er kurz den Freiheitskämpfer, statt das probate englische F-Word zu benutzen: „So ist die Welt hier nun mal. Man darf seine Meinung hier nicht sagen, weil sie offenbar nicht geschätzt wird oder weil die Leute nicht mit der ganzen Wahrheit umgehen können. Alle sind superempfindlich. Ehrlich gesagt ist es besser, wenn ich nicht zu viel sage. Das spart mir auch Zeit.“

Das Ziel von Oscar Piastri muss nichts anderes als die generelle Wachablösung sein

Oscar Piastri ist mit 24 Jahren und nach gerade einmal 51 Formel-1-Rennen schon einer, der diesen Part des Verstappen-Stils längst verinnerlicht hat. Neben der Strecke, aber vor allem im Cockpit. So ist er zu einem Vollstrecker geworden, den der Zweitplatzierte vom Ostersonntag bewundert, obwohl er doch eigentlich mit Lando Norris befreundet ist. Von Einsilbigkeit ist jedenfalls nichts mehr zu spüren, wenn Verstappen über die Coolness von Piastri referieren soll: „Oscar geht die Dinge sehr ruhig an, das gefällt mir. Er liefert, wenn er muss, macht kaum Fehler – und genau das braucht man, wenn man um eine Meisterschaft kämpfen will.“

Die ungewöhnliche Lobeshymne zeigt auch, dass er den Australier als neuen Hauptrivalen akzeptiert. Wohl auch deshalb, weil er Parallelen zu sich erkennt. Max Verstappen weist auf die Bedeutung von Piastris Mentor und Manager Mark Webber hin: „Menschen lernen aus ihrer eigenen Karriere – so war es auch bei mir mit meinem Vater.“ Webber war 2010 der bis dato letzte Australier, der die WM-Gesamtwertung anführen konnte, war lange Favorit und scheiterte am Ende an Sebastian Vettel.

Der Jeddah Corniche Circuit ist höchst überholunfreundlich - und so wurde diese Szene aus der der ersten Runde zwischen Max Verstappen (vorne) und dem späteren Sieger Oscar Piastri entscheidend für den Ausgang des Grand Prix in Saudi-Arabien.
Der Jeddah Corniche Circuit ist höchst überholunfreundlich - und so wurde diese Szene aus der der ersten Runde zwischen Max Verstappen (vorne) und dem späteren Sieger Oscar Piastri entscheidend für den Ausgang des Grand Prix in Saudi-Arabien. (Foto: Darko Bandic/AP)

Die abgeklärte Herangehensweise dessen Schützlings zeigt sich auch darin, wie der den Wechsel an der Spitze beurteilt. Piastri sieht diese lediglich als Lohn für die harte Arbeit, die das Team und er über den vergangenen Winter geleistet hätten: „Darauf bin ich stolz. Außerdem geht es mir auch mehr darum, nach 24 Rennen vorn zu liegen, nicht nach fünf. An meiner Herangehensweise ändert sich nichts, nur weil ich jetzt der Gejagte bin.“ Natürlich muss sein Ziel nichts anderes als die generelle Wachablösung sein. Timo Glock, der von allen beim TV-Sender Sky aufgebotenen Experten derjenige ist, der in der schnörkellosen Analytik Piastri am nächsten kommt, kann bei dem Gesamtführenden „kein Plateau“ erkennen.

Das wären schlechte Nachrichten für Lando Norris, der für seine bislang fünf Siege 133 Rennen gebraucht hat – und der weiterhin mehr als Nervenbündel denn als der Souverän erscheint, der er so gern wäre. „Ich mache mir selbst das Leben schwer“, bilanzierte der Brite nüchtern, nachdem er in der Qualifikation seinen McLaren in die Mauern gesetzt hatte. Im Rennen kam er zwar noch vom zehnten auf den vierten Rang, aber das mögliche Podium versaute er sich selbst, weil er Landsmann Lewis Hamilton im Ferrari erst im dritten Versuch überholen konnte und so wertvolle Sekunden verlor. Oscar Piastri hingegen hatte den Rekordweltmeister einfach stehen lassen, als er nach dem Boxenstopp an ihm vorbeimusste. „Oscar zeigt, wo das Auto stehen kann“, haderte Norris mit sich.

Ein Titelduell zwischen Piastri und Verstappen wäre spannender als eines mit Norris, weil dann die beiden wohl talentiertesten und konstantesten Fahrer aufeinandertreffen würden – und die vielleicht extremsten Charaktere. Wie schmerzhaft effizient Piastri denkt und lenkt, zeigte der letzte Umlauf in Dschiddah, als der Melburnian den Sieg nur noch nach Hause fahren musste. Allein, es wurde seine beste Runde des Rennens. Er habe bloß noch einmal wissen wollen, was in seinem Auto steckt, ohne zu großes Risiko einzugehen, sagte Piastri später. Die Gazetta dello Sport huldigte ihn deshalb in Anlehnung an den „Iceman“ getauften Kimi Räikkönen bereits mit dem Titel „Der Eis-Junge“.

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