Formel 1:105 000 Zuschauer ohne Maske

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Die Masken sind gefallen: Niederländische Formel-1-Fans in Österreich. (Foto: Mark Sutton/Motorsport Images/imago)

Der WM-Lauf in Spielberg ist das erste Rennen seit anderthalb Jahren, bei dem wieder unbegrenzt Zuschauer zugelassen sind. Rein dürfen Getestete, Geimpfte und Genesene - die Mahnungen sind leise geworden.

Von Elmar Brümmer, Spielberg

Urlaubs-Grand-Prix, das ist ein feststehender Begriff aus dem Formel-1-Wörterbuch der Siebzigerjahre. Jene Zeit, in der Rennfahrer Helmut Marko sein Debüt beim Großen Preis von Österreich gegeben hat. Damals wohnten viele Piloten direkt oberhalb der in den Hang gebauten Rennstrecke, dort wo heute eine Party-Meile aufgebaut ist - samt der Möglichkeit, die Piste bei einem Bungeesprung von noch weiter oben zu betrachten.

Marko, inzwischen 78 Jahre alt und Motorsportberater des Red-Bull-Konzerns, besitzt mehrere Hotels im gut eine Autostunde entfernten Graz. Um zum zweiten Grand Prix innerhalb von einer Woche an den Red-Bull-Ring zu kommen, hat der promovierte Jurist nicht die langen Straßentunnel benutzt, sondern seinen Wagen über das Gaberl gesteuert, einen 1547 Meter hohen Pass. Schon von dort aus ist die Berg- und Talbahn gut zu erkennen, sie wirkt wie eine schlafende Schlange in der Modelleisenbahnlandschaft. Alles in allem sehr harmonisch, jedenfalls bis zu diesem Wochenende.

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Seither hat das satte Grün eine Menge auffälliger Flecken bekommen, vorzugsweise in Orange (für die niederländischen Fans des niederländischen WM-Spitzenreiters Max Verstappen) oder Weiß (für Wohnmobile mit niederländischem Nummernschild). "Der ganze Talkessel ist orange, so eine Begeisterung hat Österreich noch nie erlebt", sagt Marko.

Der neunte WM-Lauf ist das erste Formel-1-Rennen seit anderthalb Jahren, bei dem wieder unbegrenzt Zuschauer zugelassen sind. Die Tribünen bieten 105 000 Menschen Platz, über 60 000 Tickets sind im Vorverkauf weggegangen, seit bekannt wurde, dass in Österreich keine Maske mehr getragen werden muss. Das ist mehr als das Vierfache als beim Grand Prix der Steiermark vor Wochenfrist.

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Lando Norris schafft es sensationell auf den zweiten Rang in der Qualifikation

Die Fragen nach dem Bierpreis, wo es Schnitzel gibt und wie man zum Campingplatz zurückkommt, werden von der Kronen-Zeitung, dem größten Boulevardblatt der Republik, fürsorglich auf Holländisch übersetzt und abgedruckt. Der Survival Guide gipfelt in Wie heeft de Race eigenlijk gewonnen?, der Frage nach dem Sieger. Beste Chancen hat Verstappen im Red Bull, der von der dritten Pole-Position in Serie aus auch den Sieg-Hattrick im Rennen anstrebt. In der ersten Startreihe neben ihm steht sogar ein komplett orangefarbenes Auto, der McLaren von Lando Norris schaffte es sensationell auf den zweiten Rang in der Qualifikation, während Lewis Hamilton nur auf dem vierten Platz landete. Norris, 21, sagt mit einem Grinsen, dass er sich einfach vorgestellt habe, dass die hüpfenden Menschenmassen in Orange ihm zujubeln.

Verstappen wurde vor dem Qualifying nur einmal kurz die Schau gestohlen: Als Mercedes bekanntgab, den Vertrag mit Lewis Hamilton für zwei weitere Jahre zu verlängern. Mercedes hat derzeit mit einem schwächeren Motor, einer nicht so perfekten Aerodynamik und einer launischen Reifennutzung in allen Bereichen das Nachsehen gegen Herausforderer Red Bull. Die Hoffnung von Mercedes gilt dem eigenen Heimspiel in zwei Wochen in Silverstone.

Bleibt dem Fahrerlager der Formel 1 erhalten: Weltmeister Lewis Hamilton hat seinen Vertrag mit Mercedes verlängert. (Foto: James Gasperotti/dpa)

Dort werden mitten im Virusvariantengebiet dann sogar 140 000 Fans erwartet. Hamilton, dessen Kritik ("Ich bin schockiert") im letzten Frühjahr den Saisonstart in Melbourne ausgebremst hat, ist diesmal ein eher stiller Mahner, schließlich geht es um den dringend benötigten Heimvorteil. Aber er sagt: "Ich bin da eher auf der vorsichtigen Seite und würde es langsam aufbauen, anstatt gleich wieder Vollgas zu geben." Aber es wird kein Halten geben, ähnlich wie jetzt in der Steiermark, wo die Verkehrs- und Zuschauerströme ziemlich vorbildlich nach Farben getrennt werden. Rein dürfen nur Fans mit einem QR-Code auf dem Armband, die Kontrollen sind streng, zugelassen sind nur Geimpfte, Getestete oder von Covid-19 Genesene, auch wenn die Kleine Zeitung über das 3G-Prinzip höhnt: Gewaschen, geschnäuzt, gekämmt. In Österreich haben zwar 59 Prozent der Menschen ab zwölf Jahren mindestens eine Impfdosis erhalten, doch erst knapp 37 Prozent haben einen vollen Impfschutz.

Im Inneren des Formel-1-Zirkus wird weit strenger kontrolliert als draußen: Dort, wo sonst vor dem Red-Bull-Ring ein steirisch-grüner Teppich liegt, auf dem die Fahrer vor den Fans defilieren, steht ein wuchtiger Container - das mobile Testlabor, das mit dem Rennzirkus um die Welt reist und innerhalb der letzten 52 Wochen 26 Rennen möglich gemacht hat. Auch die Masken dürfen im Fahrerlager nicht fallen, der Automobilverband Fia verfolgt strengere Regeln, zumal der Motorsport von Briten dominiert wird und der Begriff "Delta" weiterhin für eine Rundenzeitberechnung im Cockpit, nicht aber für eine aggressive Virusvariante stehen soll.

In der Mitte der Rennbahn, wo ein Bulle mit goldenen Hörnern thront, spielt ein Duo namens Die Stohlis unter dem Motto "Traurige Herzen fröhlich stimmen" Polka, Walzer und Jodler. Und immer wieder werden Selfies mit Gästen aus dem Flachland gemacht. Volksmusik, Volkswandertag, Völkerverständigung? Die Parole kommt von Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz, schon in der Vorwoche Podiumsgast: "Wir müssen wieder zurück zur Normalität, da gehören Großveranstaltungen dazu."

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